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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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französische Vuchdeckelzeichnungen von Steinlen geboten, die meines Erachten"
überhaupt nicht in eine vornehme Zeitschrift gehören. Ich habe ja die Ber¬
liner Ausstellung der mit einemmale so berühmt gewordnen französischen
Plakate nicht gesehen. Wenn aber die hier gebotenen Beispiele zu den bessern
dieser Art gehören, so habe ich auch gar kein Bedürfnis, diese Kunstgattung
genauer kennen zu lernen. Daß diese Blätter deutlicher und stilvoller wären
als unsre deutschen, wird keiner im Ernst behaupten, und mit einer Deutlich¬
keit, die so sehr auf die rohen Instinkte der Masse spekulirt, wie die des Plakats
auf Hermants Roman Metalls Katers, bleibe man uns in Deutschland vom
Halse. Natürlich hat aber auch diese Kunstgattung schon in Deutschland ihre
Nachahmer gefunden. Die Buchdeckelzeichnung, die der anempfindsame und
geschäftige Th. Th. Heine zu Marcelle Prevosts Roman I)eini-Vi6iAö8 gemacht
hat, schwankt in widerlicher Weise zwischen Franzosen- und Japanertum hin
und her.

Damit auch in der Plastik das Lächerliche nicht fehle, wird ans Seite 135
des zweiten Heftes ein nackter Frauenrücken mit fünf darüber hervorschauenden
grinsenden Judengesichtern von Fix-Masscau abgebildet, der den Titel Lro-
priss führt.

Ich will nicht leugnen, daß unter den ausländischen Beiträgen auch einige
gute sind. Doch kann ich auch sie meistens nicht für so bedeutend halten, daß
es sich gelohnt hätte, sie in dieser monumentalen Weise zu veröffentlichen.
So scheint z. B. die kleine "Stahlelfenbeingruppe" von Jean Dampt, Ritter
Raymondin, der die schöne Fee Melusine küßt, ein wenigstens technisch voll¬
endetes und auch im Ausdruck wohlgelungnes Werk zu sein. Ob es aber in
einer deutschen Zeitschrift notwendig war, es in nicht weniger als fünf ver-
schiednen Ansichten, darunter einer in natürlicher Größe, abzubilden, außerdem
ein Porträt des Künstlers zu bringen und die etwas nach Reklame schmeckende
Geschichte von dem Diebstahl, der auf dem letzten Salon an dem Werkchen
begangen wurde, wiederzuerzählen, will ich dahingestellt sein lassen. Die
Originalradirung (vermis nion) einer alten Frau von Fetialen Rops ist zwar
gut gezeichnet, will mir aber in technischer Beziehung nicht gerade vorbildlich
erscheinen. Auch von dem vortrefflichen Anders Zorn erinnere ich mich bessere
Radirungen gesehen zu haben, als das allerdings sehr plastische und lebendige,
aber etwas wild behandelte Porträt einer Dame. Das Rossettische Gedicht
"Das selige Fräulein," das hier in einer, wie es scheint, guten Übersetzung
von Hedwig Lachmann mitgeteilt wird, mag für Liebhaberinnen dieses etwas
weibisch romantischen Präraffaeliten einen gewissen Reiz haben, aber ich fürchte,
daß die nichtsahnende Leserin durch die von Garrido gezeichnete Schlußvignette
mit den drei Damen aus dem Mikado grausam aus ihrer Stimmung heraus¬
gerissen werden wird. Andre Beiträge, wie die Kachelreliefs von de Rubber
(zweites Heft, S. 97), sind nicht schlechter und nicht besser als viele ähnliche


französische Vuchdeckelzeichnungen von Steinlen geboten, die meines Erachten»
überhaupt nicht in eine vornehme Zeitschrift gehören. Ich habe ja die Ber¬
liner Ausstellung der mit einemmale so berühmt gewordnen französischen
Plakate nicht gesehen. Wenn aber die hier gebotenen Beispiele zu den bessern
dieser Art gehören, so habe ich auch gar kein Bedürfnis, diese Kunstgattung
genauer kennen zu lernen. Daß diese Blätter deutlicher und stilvoller wären
als unsre deutschen, wird keiner im Ernst behaupten, und mit einer Deutlich¬
keit, die so sehr auf die rohen Instinkte der Masse spekulirt, wie die des Plakats
auf Hermants Roman Metalls Katers, bleibe man uns in Deutschland vom
Halse. Natürlich hat aber auch diese Kunstgattung schon in Deutschland ihre
Nachahmer gefunden. Die Buchdeckelzeichnung, die der anempfindsame und
geschäftige Th. Th. Heine zu Marcelle Prevosts Roman I)eini-Vi6iAö8 gemacht
hat, schwankt in widerlicher Weise zwischen Franzosen- und Japanertum hin
und her.

Damit auch in der Plastik das Lächerliche nicht fehle, wird ans Seite 135
des zweiten Heftes ein nackter Frauenrücken mit fünf darüber hervorschauenden
grinsenden Judengesichtern von Fix-Masscau abgebildet, der den Titel Lro-
priss führt.

Ich will nicht leugnen, daß unter den ausländischen Beiträgen auch einige
gute sind. Doch kann ich auch sie meistens nicht für so bedeutend halten, daß
es sich gelohnt hätte, sie in dieser monumentalen Weise zu veröffentlichen.
So scheint z. B. die kleine „Stahlelfenbeingruppe" von Jean Dampt, Ritter
Raymondin, der die schöne Fee Melusine küßt, ein wenigstens technisch voll¬
endetes und auch im Ausdruck wohlgelungnes Werk zu sein. Ob es aber in
einer deutschen Zeitschrift notwendig war, es in nicht weniger als fünf ver-
schiednen Ansichten, darunter einer in natürlicher Größe, abzubilden, außerdem
ein Porträt des Künstlers zu bringen und die etwas nach Reklame schmeckende
Geschichte von dem Diebstahl, der auf dem letzten Salon an dem Werkchen
begangen wurde, wiederzuerzählen, will ich dahingestellt sein lassen. Die
Originalradirung (vermis nion) einer alten Frau von Fetialen Rops ist zwar
gut gezeichnet, will mir aber in technischer Beziehung nicht gerade vorbildlich
erscheinen. Auch von dem vortrefflichen Anders Zorn erinnere ich mich bessere
Radirungen gesehen zu haben, als das allerdings sehr plastische und lebendige,
aber etwas wild behandelte Porträt einer Dame. Das Rossettische Gedicht
„Das selige Fräulein," das hier in einer, wie es scheint, guten Übersetzung
von Hedwig Lachmann mitgeteilt wird, mag für Liebhaberinnen dieses etwas
weibisch romantischen Präraffaeliten einen gewissen Reiz haben, aber ich fürchte,
daß die nichtsahnende Leserin durch die von Garrido gezeichnete Schlußvignette
mit den drei Damen aus dem Mikado grausam aus ihrer Stimmung heraus¬
gerissen werden wird. Andre Beiträge, wie die Kachelreliefs von de Rubber
(zweites Heft, S. 97), sind nicht schlechter und nicht besser als viele ähnliche


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[0195] französische Vuchdeckelzeichnungen von Steinlen geboten, die meines Erachten» überhaupt nicht in eine vornehme Zeitschrift gehören. Ich habe ja die Ber¬ liner Ausstellung der mit einemmale so berühmt gewordnen französischen Plakate nicht gesehen. Wenn aber die hier gebotenen Beispiele zu den bessern dieser Art gehören, so habe ich auch gar kein Bedürfnis, diese Kunstgattung genauer kennen zu lernen. Daß diese Blätter deutlicher und stilvoller wären als unsre deutschen, wird keiner im Ernst behaupten, und mit einer Deutlich¬ keit, die so sehr auf die rohen Instinkte der Masse spekulirt, wie die des Plakats auf Hermants Roman Metalls Katers, bleibe man uns in Deutschland vom Halse. Natürlich hat aber auch diese Kunstgattung schon in Deutschland ihre Nachahmer gefunden. Die Buchdeckelzeichnung, die der anempfindsame und geschäftige Th. Th. Heine zu Marcelle Prevosts Roman I)eini-Vi6iAö8 gemacht hat, schwankt in widerlicher Weise zwischen Franzosen- und Japanertum hin und her. Damit auch in der Plastik das Lächerliche nicht fehle, wird ans Seite 135 des zweiten Heftes ein nackter Frauenrücken mit fünf darüber hervorschauenden grinsenden Judengesichtern von Fix-Masscau abgebildet, der den Titel Lro- priss führt. Ich will nicht leugnen, daß unter den ausländischen Beiträgen auch einige gute sind. Doch kann ich auch sie meistens nicht für so bedeutend halten, daß es sich gelohnt hätte, sie in dieser monumentalen Weise zu veröffentlichen. So scheint z. B. die kleine „Stahlelfenbeingruppe" von Jean Dampt, Ritter Raymondin, der die schöne Fee Melusine küßt, ein wenigstens technisch voll¬ endetes und auch im Ausdruck wohlgelungnes Werk zu sein. Ob es aber in einer deutschen Zeitschrift notwendig war, es in nicht weniger als fünf ver- schiednen Ansichten, darunter einer in natürlicher Größe, abzubilden, außerdem ein Porträt des Künstlers zu bringen und die etwas nach Reklame schmeckende Geschichte von dem Diebstahl, der auf dem letzten Salon an dem Werkchen begangen wurde, wiederzuerzählen, will ich dahingestellt sein lassen. Die Originalradirung (vermis nion) einer alten Frau von Fetialen Rops ist zwar gut gezeichnet, will mir aber in technischer Beziehung nicht gerade vorbildlich erscheinen. Auch von dem vortrefflichen Anders Zorn erinnere ich mich bessere Radirungen gesehen zu haben, als das allerdings sehr plastische und lebendige, aber etwas wild behandelte Porträt einer Dame. Das Rossettische Gedicht „Das selige Fräulein," das hier in einer, wie es scheint, guten Übersetzung von Hedwig Lachmann mitgeteilt wird, mag für Liebhaberinnen dieses etwas weibisch romantischen Präraffaeliten einen gewissen Reiz haben, aber ich fürchte, daß die nichtsahnende Leserin durch die von Garrido gezeichnete Schlußvignette mit den drei Damen aus dem Mikado grausam aus ihrer Stimmung heraus¬ gerissen werden wird. Andre Beiträge, wie die Kachelreliefs von de Rubber (zweites Heft, S. 97), sind nicht schlechter und nicht besser als viele ähnliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/195>, abgerufen am 27.07.2024.