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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der Gonveriieurwechsel in der Aapkolonie

Kurz nach der Rückkehr des Herrn Rhodes von seinem letzten, denkwür¬
digen Aufenthalte in Europa verbreitete sich in der Kapkolonie die allgemein
überraschende Nachricht, daß der beliebte Gouverneur und High Commissioner,
Sir Henry Brougham Loch, um seine Entlassung gebeten habe. Nach wenigen
Tagen bereits wurde der Name seines Nachfolgers bekannt. Es war Sir
Hercules Robinson, der seine jetzige Stellung schon als unmittelbarer Vor¬
gänger Sir Henrys von 1880 bis 1889 innehatte.

Betrachten wir kurz die Bedeutung der beiden in einer Person vereinigten
Ämter eines Gouverneurs der Kapkolonie und eines englischen High Com¬
missioners für Südafrika. Das High Commissioneramt ist bei weitem das
wichtigere. Der Gouverneur ist der verfassungsmäßige Vertreter der eng¬
lischen Krone, oder eigentlich der Regierung des Mutterlandes, und hat auch
hier denselben geringen Einfluß auf die innere Politik, wie in jeder andern
englischen Kolonie mit verantwortlicher Selbstverwaltung. Viel bedeutender
ist der Einfluß, den er in seiner gleichzeitigen Stellung als britischer General¬
bevollmächtigter (High Commissioner) für Südafrika hat. Ju dieser Eigen¬
schaft hat er nicht nur die diplomatischen Beziehungen zu den beiden Buren¬
staaten zu leiten, sondern er verwaltet auch oder beaufsichtigt die Verwaltung
sämtlicher britischen Besitzungen in Südafrika außerhalb der Kapkolonie und
Natals. Der Posten des High Commissioners ist somit der einflußreichste,
über dessen Besetzung die Londoner Regierung in Südafrika verfügt, und nicht
nur für die in den hiesigen englischen Besitzungen lebenden Deutschen, sondern
auch für unsre Stellung als Mitglied des südafrikanischen Staatenaufbaus
und unsre freundschaftlichen Beziehungen zu seinen andern Kolonien und Frei¬
staaten ist es von hoher Bedeutung, die Persönlichkeiten zu kennen, die dieses
Amt bekleiden. Ihre Ansichten über die in Südafrika zu verfolgende englische
Politik werden auch meist die maßgebenden im Londoner Kolonialamt sein.

Wenn der jetzige Wechsel für die Kolonie sehr überraschend kam, so war
das doch wohl nicht für den Premierminister Rhodes und dessen nähere poli¬
tische Freunde der Fall. Sir Henry Loch ist sicher einer der tüchtigsten und
ehrenwertesten höhern Beamten, die die britische Krone hat. Der Gipfelpunkt
seiner hiesigen staatsmännischen Thätigkeit ist ohne Zweifel die glückliche Losung
der Swasilandfrage. Dieser kleine Eingebornenstaat, der, wie ein Blick auf
die Karte zeigt, vollständig in den Einslußkreis der südafrikanischen Republik
fällt, war viele Jahre der Zankapfel zwischen dieser und den englischen Be¬
hörden. Die britischen Ansprüche ans Swasiland gründeten sich eigentlich nur
darauf, daß der Hauptteil des schwarzen Volkes, wenn einmal eine Schntzherr-
schaft der Weißen unvermeidlich war, mehr der lockern Oberherrschaft der Eng¬
länder geneigt war als der straffen Zucht der Buren, die mit widerspenstigen
Kaffern gewöhnlich schnell fertig zu werden verstehen.

Sir Henry Loch hielt es in Anbetracht dieser Lage für das angemessenste,


Der Gonveriieurwechsel in der Aapkolonie

Kurz nach der Rückkehr des Herrn Rhodes von seinem letzten, denkwür¬
digen Aufenthalte in Europa verbreitete sich in der Kapkolonie die allgemein
überraschende Nachricht, daß der beliebte Gouverneur und High Commissioner,
Sir Henry Brougham Loch, um seine Entlassung gebeten habe. Nach wenigen
Tagen bereits wurde der Name seines Nachfolgers bekannt. Es war Sir
Hercules Robinson, der seine jetzige Stellung schon als unmittelbarer Vor¬
gänger Sir Henrys von 1880 bis 1889 innehatte.

Betrachten wir kurz die Bedeutung der beiden in einer Person vereinigten
Ämter eines Gouverneurs der Kapkolonie und eines englischen High Com¬
missioners für Südafrika. Das High Commissioneramt ist bei weitem das
wichtigere. Der Gouverneur ist der verfassungsmäßige Vertreter der eng¬
lischen Krone, oder eigentlich der Regierung des Mutterlandes, und hat auch
hier denselben geringen Einfluß auf die innere Politik, wie in jeder andern
englischen Kolonie mit verantwortlicher Selbstverwaltung. Viel bedeutender
ist der Einfluß, den er in seiner gleichzeitigen Stellung als britischer General¬
bevollmächtigter (High Commissioner) für Südafrika hat. Ju dieser Eigen¬
schaft hat er nicht nur die diplomatischen Beziehungen zu den beiden Buren¬
staaten zu leiten, sondern er verwaltet auch oder beaufsichtigt die Verwaltung
sämtlicher britischen Besitzungen in Südafrika außerhalb der Kapkolonie und
Natals. Der Posten des High Commissioners ist somit der einflußreichste,
über dessen Besetzung die Londoner Regierung in Südafrika verfügt, und nicht
nur für die in den hiesigen englischen Besitzungen lebenden Deutschen, sondern
auch für unsre Stellung als Mitglied des südafrikanischen Staatenaufbaus
und unsre freundschaftlichen Beziehungen zu seinen andern Kolonien und Frei¬
staaten ist es von hoher Bedeutung, die Persönlichkeiten zu kennen, die dieses
Amt bekleiden. Ihre Ansichten über die in Südafrika zu verfolgende englische
Politik werden auch meist die maßgebenden im Londoner Kolonialamt sein.

Wenn der jetzige Wechsel für die Kolonie sehr überraschend kam, so war
das doch wohl nicht für den Premierminister Rhodes und dessen nähere poli¬
tische Freunde der Fall. Sir Henry Loch ist sicher einer der tüchtigsten und
ehrenwertesten höhern Beamten, die die britische Krone hat. Der Gipfelpunkt
seiner hiesigen staatsmännischen Thätigkeit ist ohne Zweifel die glückliche Losung
der Swasilandfrage. Dieser kleine Eingebornenstaat, der, wie ein Blick auf
die Karte zeigt, vollständig in den Einslußkreis der südafrikanischen Republik
fällt, war viele Jahre der Zankapfel zwischen dieser und den englischen Be¬
hörden. Die britischen Ansprüche ans Swasiland gründeten sich eigentlich nur
darauf, daß der Hauptteil des schwarzen Volkes, wenn einmal eine Schntzherr-
schaft der Weißen unvermeidlich war, mehr der lockern Oberherrschaft der Eng¬
länder geneigt war als der straffen Zucht der Buren, die mit widerspenstigen
Kaffern gewöhnlich schnell fertig zu werden verstehen.

Sir Henry Loch hielt es in Anbetracht dieser Lage für das angemessenste,


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[0162] Der Gonveriieurwechsel in der Aapkolonie Kurz nach der Rückkehr des Herrn Rhodes von seinem letzten, denkwür¬ digen Aufenthalte in Europa verbreitete sich in der Kapkolonie die allgemein überraschende Nachricht, daß der beliebte Gouverneur und High Commissioner, Sir Henry Brougham Loch, um seine Entlassung gebeten habe. Nach wenigen Tagen bereits wurde der Name seines Nachfolgers bekannt. Es war Sir Hercules Robinson, der seine jetzige Stellung schon als unmittelbarer Vor¬ gänger Sir Henrys von 1880 bis 1889 innehatte. Betrachten wir kurz die Bedeutung der beiden in einer Person vereinigten Ämter eines Gouverneurs der Kapkolonie und eines englischen High Com¬ missioners für Südafrika. Das High Commissioneramt ist bei weitem das wichtigere. Der Gouverneur ist der verfassungsmäßige Vertreter der eng¬ lischen Krone, oder eigentlich der Regierung des Mutterlandes, und hat auch hier denselben geringen Einfluß auf die innere Politik, wie in jeder andern englischen Kolonie mit verantwortlicher Selbstverwaltung. Viel bedeutender ist der Einfluß, den er in seiner gleichzeitigen Stellung als britischer General¬ bevollmächtigter (High Commissioner) für Südafrika hat. Ju dieser Eigen¬ schaft hat er nicht nur die diplomatischen Beziehungen zu den beiden Buren¬ staaten zu leiten, sondern er verwaltet auch oder beaufsichtigt die Verwaltung sämtlicher britischen Besitzungen in Südafrika außerhalb der Kapkolonie und Natals. Der Posten des High Commissioners ist somit der einflußreichste, über dessen Besetzung die Londoner Regierung in Südafrika verfügt, und nicht nur für die in den hiesigen englischen Besitzungen lebenden Deutschen, sondern auch für unsre Stellung als Mitglied des südafrikanischen Staatenaufbaus und unsre freundschaftlichen Beziehungen zu seinen andern Kolonien und Frei¬ staaten ist es von hoher Bedeutung, die Persönlichkeiten zu kennen, die dieses Amt bekleiden. Ihre Ansichten über die in Südafrika zu verfolgende englische Politik werden auch meist die maßgebenden im Londoner Kolonialamt sein. Wenn der jetzige Wechsel für die Kolonie sehr überraschend kam, so war das doch wohl nicht für den Premierminister Rhodes und dessen nähere poli¬ tische Freunde der Fall. Sir Henry Loch ist sicher einer der tüchtigsten und ehrenwertesten höhern Beamten, die die britische Krone hat. Der Gipfelpunkt seiner hiesigen staatsmännischen Thätigkeit ist ohne Zweifel die glückliche Losung der Swasilandfrage. Dieser kleine Eingebornenstaat, der, wie ein Blick auf die Karte zeigt, vollständig in den Einslußkreis der südafrikanischen Republik fällt, war viele Jahre der Zankapfel zwischen dieser und den englischen Be¬ hörden. Die britischen Ansprüche ans Swasiland gründeten sich eigentlich nur darauf, daß der Hauptteil des schwarzen Volkes, wenn einmal eine Schntzherr- schaft der Weißen unvermeidlich war, mehr der lockern Oberherrschaft der Eng¬ länder geneigt war als der straffen Zucht der Buren, die mit widerspenstigen Kaffern gewöhnlich schnell fertig zu werden verstehen. Sir Henry Loch hielt es in Anbetracht dieser Lage für das angemessenste,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/162>, abgerufen am 27.07.2024.