Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Eiserne Brücken

Es wurde daher auf den Pfeilern, die von Anfang an für zwei Geleise ein¬
gerichtet waren, eine neue Brücke aufgeführt und der Betrieb der alten Brücke
aufgegeben. Ein Joch der letztern wurde auch hier auf besondre Landpfeiler
geschoben, und außerdem wurden zu beiden Seiten feste, von der Brücke un¬
abhängige Gerüste errichtet, von denen aus die Bewegungen der Brücke wieder
durch ein Registririnstrument und sogar durch photographische Apparate fest¬
gestellt werden konnten. Während die Brückenbahn wieder mit Schienen und
Sand belastet wurde, hatte sich bei einer Last von 11000 Zentnern ein Ober¬
gurt nach außen, der andre nach innen ausgebaucht, und die Hauptträger hatten
sich bis 5 Centimeter gebogen. Bei weiterer Belastung sollen sich die Träger
um weitere 2,6 Centimeter gebogen haben, wonach die Brücke eingestürzt ist.
Nach Zeitungsberichten soll die Beanspruchung des Gurtquerschnittes zur Zeit
des Einsturzes 2800 Kilogramm für den Quadratcentimeter betragen haben,
wonach die Brücke immer noch eine fast vierfache Sicherheit gehabt hätte, ein
Ergebnis, das in Anbetracht des schlechten Materials außerordentlich günstig ist.

Zur Beurteilung der Dauer versteifter Bogenbrücken fehlt jeglicher An¬
halt, da derartige Brücken bisher weder im Betriebe eingestürzt, noch zu Ein-
stnrzversuchen verwendet worden zu sein scheinen. Selbstverständlich wird die
Dauer dieser Brücken weit größer sein als die der nicht versteiften Brücken.
Dabei wird es außer auf gutes Material und richtige Abmessung hauptsächlich
noch darauf ankommen, daß die Bogen nicht zu flach, d.h. nicht über das
Verhältnis von ungefähr 1:25 hinaus konstruirt werden,'d. h. daß sie auf je 25
Meter Spannweite mindestens einen Meter Bogen- oder Pfeilhöhe erhalten, und
daß bei zweigleisigen Eisenbahnen jede Fahrbahn -- wenn irgend möglich --
ihre eigne Brücke erhält, damit Seitenschwankungen vermieden werden, die beim
Darüberfahren der Züge entstehen müssen, wenn zwei Gleise auf einundder-
selben Brücke liegen. Dies gilt natürlich und ganz besonders auch für gerade
Brücken.

Eine andre Frage ist die: Wie sollen eiserne Brücken geprüft werden?
Wenn die Brücke fertig dasteht, ist eine Prüfung ihrer einzelnen Teile auf
Festigkeit durch Biegung, Zerreißung und Zerdrückung nicht mehr möglich.
Diese Prüfung muß vorher an Probestücken vorgenommen werden, und man
muß sich mit der Schlußfolgerung aus dem Verhalten der Probestücke be¬
gnügen. Ob das Eisen auch chemisch untersucht wird, und wäre es auch nur
aus die schädlichen Beimengungen von Schwefel und Phosphor, oder ob man
sich hinsichtlich der Güte des Eisens auf den Ruf und die Bürgschaft des Lie¬
feranten verläßt, ist mir unbekannt; überflüssig wäre eine solche Untersuchung
jedenfalls nicht. Allerdings würde sie für die quantitative Bestimmung jener
schädlichen Bestandteile ziemlich umständlich und kostspielig sein; doch ließe sich
eine Vereinfachung herbeiführen dadurch, daß von den Probestücken mit der
Feile kleine Proben genommen und diese zu einer Durchschnittsprobe ver-


Grenzboten III 1895 16
Eiserne Brücken

Es wurde daher auf den Pfeilern, die von Anfang an für zwei Geleise ein¬
gerichtet waren, eine neue Brücke aufgeführt und der Betrieb der alten Brücke
aufgegeben. Ein Joch der letztern wurde auch hier auf besondre Landpfeiler
geschoben, und außerdem wurden zu beiden Seiten feste, von der Brücke un¬
abhängige Gerüste errichtet, von denen aus die Bewegungen der Brücke wieder
durch ein Registririnstrument und sogar durch photographische Apparate fest¬
gestellt werden konnten. Während die Brückenbahn wieder mit Schienen und
Sand belastet wurde, hatte sich bei einer Last von 11000 Zentnern ein Ober¬
gurt nach außen, der andre nach innen ausgebaucht, und die Hauptträger hatten
sich bis 5 Centimeter gebogen. Bei weiterer Belastung sollen sich die Träger
um weitere 2,6 Centimeter gebogen haben, wonach die Brücke eingestürzt ist.
Nach Zeitungsberichten soll die Beanspruchung des Gurtquerschnittes zur Zeit
des Einsturzes 2800 Kilogramm für den Quadratcentimeter betragen haben,
wonach die Brücke immer noch eine fast vierfache Sicherheit gehabt hätte, ein
Ergebnis, das in Anbetracht des schlechten Materials außerordentlich günstig ist.

Zur Beurteilung der Dauer versteifter Bogenbrücken fehlt jeglicher An¬
halt, da derartige Brücken bisher weder im Betriebe eingestürzt, noch zu Ein-
stnrzversuchen verwendet worden zu sein scheinen. Selbstverständlich wird die
Dauer dieser Brücken weit größer sein als die der nicht versteiften Brücken.
Dabei wird es außer auf gutes Material und richtige Abmessung hauptsächlich
noch darauf ankommen, daß die Bogen nicht zu flach, d.h. nicht über das
Verhältnis von ungefähr 1:25 hinaus konstruirt werden,'d. h. daß sie auf je 25
Meter Spannweite mindestens einen Meter Bogen- oder Pfeilhöhe erhalten, und
daß bei zweigleisigen Eisenbahnen jede Fahrbahn — wenn irgend möglich —
ihre eigne Brücke erhält, damit Seitenschwankungen vermieden werden, die beim
Darüberfahren der Züge entstehen müssen, wenn zwei Gleise auf einundder-
selben Brücke liegen. Dies gilt natürlich und ganz besonders auch für gerade
Brücken.

Eine andre Frage ist die: Wie sollen eiserne Brücken geprüft werden?
Wenn die Brücke fertig dasteht, ist eine Prüfung ihrer einzelnen Teile auf
Festigkeit durch Biegung, Zerreißung und Zerdrückung nicht mehr möglich.
Diese Prüfung muß vorher an Probestücken vorgenommen werden, und man
muß sich mit der Schlußfolgerung aus dem Verhalten der Probestücke be¬
gnügen. Ob das Eisen auch chemisch untersucht wird, und wäre es auch nur
aus die schädlichen Beimengungen von Schwefel und Phosphor, oder ob man
sich hinsichtlich der Güte des Eisens auf den Ruf und die Bürgschaft des Lie¬
feranten verläßt, ist mir unbekannt; überflüssig wäre eine solche Untersuchung
jedenfalls nicht. Allerdings würde sie für die quantitative Bestimmung jener
schädlichen Bestandteile ziemlich umständlich und kostspielig sein; doch ließe sich
eine Vereinfachung herbeiführen dadurch, daß von den Probestücken mit der
Feile kleine Proben genommen und diese zu einer Durchschnittsprobe ver-


Grenzboten III 1895 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220455"/>
          <fw type="header" place="top"> Eiserne Brücken</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_499" prev="#ID_498"> Es wurde daher auf den Pfeilern, die von Anfang an für zwei Geleise ein¬<lb/>
gerichtet waren, eine neue Brücke aufgeführt und der Betrieb der alten Brücke<lb/>
aufgegeben. Ein Joch der letztern wurde auch hier auf besondre Landpfeiler<lb/>
geschoben, und außerdem wurden zu beiden Seiten feste, von der Brücke un¬<lb/>
abhängige Gerüste errichtet, von denen aus die Bewegungen der Brücke wieder<lb/>
durch ein Registririnstrument und sogar durch photographische Apparate fest¬<lb/>
gestellt werden konnten. Während die Brückenbahn wieder mit Schienen und<lb/>
Sand belastet wurde, hatte sich bei einer Last von 11000 Zentnern ein Ober¬<lb/>
gurt nach außen, der andre nach innen ausgebaucht, und die Hauptträger hatten<lb/>
sich bis 5 Centimeter gebogen. Bei weiterer Belastung sollen sich die Träger<lb/>
um weitere 2,6 Centimeter gebogen haben, wonach die Brücke eingestürzt ist.<lb/>
Nach Zeitungsberichten soll die Beanspruchung des Gurtquerschnittes zur Zeit<lb/>
des Einsturzes 2800 Kilogramm für den Quadratcentimeter betragen haben,<lb/>
wonach die Brücke immer noch eine fast vierfache Sicherheit gehabt hätte, ein<lb/>
Ergebnis, das in Anbetracht des schlechten Materials außerordentlich günstig ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_500"> Zur Beurteilung der Dauer versteifter Bogenbrücken fehlt jeglicher An¬<lb/>
halt, da derartige Brücken bisher weder im Betriebe eingestürzt, noch zu Ein-<lb/>
stnrzversuchen verwendet worden zu sein scheinen. Selbstverständlich wird die<lb/>
Dauer dieser Brücken weit größer sein als die der nicht versteiften Brücken.<lb/>
Dabei wird es außer auf gutes Material und richtige Abmessung hauptsächlich<lb/>
noch darauf ankommen, daß die Bogen nicht zu flach, d.h. nicht über das<lb/>
Verhältnis von ungefähr 1:25 hinaus konstruirt werden,'d. h. daß sie auf je 25<lb/>
Meter Spannweite mindestens einen Meter Bogen- oder Pfeilhöhe erhalten, und<lb/>
daß bei zweigleisigen Eisenbahnen jede Fahrbahn &#x2014; wenn irgend möglich &#x2014;<lb/>
ihre eigne Brücke erhält, damit Seitenschwankungen vermieden werden, die beim<lb/>
Darüberfahren der Züge entstehen müssen, wenn zwei Gleise auf einundder-<lb/>
selben Brücke liegen. Dies gilt natürlich und ganz besonders auch für gerade<lb/>
Brücken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_501" next="#ID_502"> Eine andre Frage ist die: Wie sollen eiserne Brücken geprüft werden?<lb/>
Wenn die Brücke fertig dasteht, ist eine Prüfung ihrer einzelnen Teile auf<lb/>
Festigkeit durch Biegung, Zerreißung und Zerdrückung nicht mehr möglich.<lb/>
Diese Prüfung muß vorher an Probestücken vorgenommen werden, und man<lb/>
muß sich mit der Schlußfolgerung aus dem Verhalten der Probestücke be¬<lb/>
gnügen. Ob das Eisen auch chemisch untersucht wird, und wäre es auch nur<lb/>
aus die schädlichen Beimengungen von Schwefel und Phosphor, oder ob man<lb/>
sich hinsichtlich der Güte des Eisens auf den Ruf und die Bürgschaft des Lie¬<lb/>
feranten verläßt, ist mir unbekannt; überflüssig wäre eine solche Untersuchung<lb/>
jedenfalls nicht. Allerdings würde sie für die quantitative Bestimmung jener<lb/>
schädlichen Bestandteile ziemlich umständlich und kostspielig sein; doch ließe sich<lb/>
eine Vereinfachung herbeiführen dadurch, daß von den Probestücken mit der<lb/>
Feile kleine Proben genommen und diese zu einer Durchschnittsprobe ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1895 16</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0129] Eiserne Brücken Es wurde daher auf den Pfeilern, die von Anfang an für zwei Geleise ein¬ gerichtet waren, eine neue Brücke aufgeführt und der Betrieb der alten Brücke aufgegeben. Ein Joch der letztern wurde auch hier auf besondre Landpfeiler geschoben, und außerdem wurden zu beiden Seiten feste, von der Brücke un¬ abhängige Gerüste errichtet, von denen aus die Bewegungen der Brücke wieder durch ein Registririnstrument und sogar durch photographische Apparate fest¬ gestellt werden konnten. Während die Brückenbahn wieder mit Schienen und Sand belastet wurde, hatte sich bei einer Last von 11000 Zentnern ein Ober¬ gurt nach außen, der andre nach innen ausgebaucht, und die Hauptträger hatten sich bis 5 Centimeter gebogen. Bei weiterer Belastung sollen sich die Träger um weitere 2,6 Centimeter gebogen haben, wonach die Brücke eingestürzt ist. Nach Zeitungsberichten soll die Beanspruchung des Gurtquerschnittes zur Zeit des Einsturzes 2800 Kilogramm für den Quadratcentimeter betragen haben, wonach die Brücke immer noch eine fast vierfache Sicherheit gehabt hätte, ein Ergebnis, das in Anbetracht des schlechten Materials außerordentlich günstig ist. Zur Beurteilung der Dauer versteifter Bogenbrücken fehlt jeglicher An¬ halt, da derartige Brücken bisher weder im Betriebe eingestürzt, noch zu Ein- stnrzversuchen verwendet worden zu sein scheinen. Selbstverständlich wird die Dauer dieser Brücken weit größer sein als die der nicht versteiften Brücken. Dabei wird es außer auf gutes Material und richtige Abmessung hauptsächlich noch darauf ankommen, daß die Bogen nicht zu flach, d.h. nicht über das Verhältnis von ungefähr 1:25 hinaus konstruirt werden,'d. h. daß sie auf je 25 Meter Spannweite mindestens einen Meter Bogen- oder Pfeilhöhe erhalten, und daß bei zweigleisigen Eisenbahnen jede Fahrbahn — wenn irgend möglich — ihre eigne Brücke erhält, damit Seitenschwankungen vermieden werden, die beim Darüberfahren der Züge entstehen müssen, wenn zwei Gleise auf einundder- selben Brücke liegen. Dies gilt natürlich und ganz besonders auch für gerade Brücken. Eine andre Frage ist die: Wie sollen eiserne Brücken geprüft werden? Wenn die Brücke fertig dasteht, ist eine Prüfung ihrer einzelnen Teile auf Festigkeit durch Biegung, Zerreißung und Zerdrückung nicht mehr möglich. Diese Prüfung muß vorher an Probestücken vorgenommen werden, und man muß sich mit der Schlußfolgerung aus dem Verhalten der Probestücke be¬ gnügen. Ob das Eisen auch chemisch untersucht wird, und wäre es auch nur aus die schädlichen Beimengungen von Schwefel und Phosphor, oder ob man sich hinsichtlich der Güte des Eisens auf den Ruf und die Bürgschaft des Lie¬ feranten verläßt, ist mir unbekannt; überflüssig wäre eine solche Untersuchung jedenfalls nicht. Allerdings würde sie für die quantitative Bestimmung jener schädlichen Bestandteile ziemlich umständlich und kostspielig sein; doch ließe sich eine Vereinfachung herbeiführen dadurch, daß von den Probestücken mit der Feile kleine Proben genommen und diese zu einer Durchschnittsprobe ver- Grenzboten III 1895 16

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/129
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/129>, abgerufen am 01.09.2024.