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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die Gerichtsferien

le Einrichtung der Gerichtsferien hat ihre" Ursprung im römischen
Recht, und zwar in der Zeit, wo die eigentliche Urteilsfällung
den Volksgerichten zustand. Als torus galt damals die Zeit
während der Ernte und Weinlese. Während dieser Zeit, sowie
während der Zeit der öffentlichen Spiele Gerichtssitzungen ab¬
zuhalten, verbot sich aus der Bedeutung beider für den römischen Bürger.

Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz dauern die Gerichtsferien vom 15. Juli
bis zum 15. September. Während dieser Zeit sind die richterlichen Geschäfte
eingeschränkt; Termine finden nur in "Feriensachen" und solchen Sachen statt,
die, weil sie besondrer Beschleunigung bedürfen, auf Antrag des Gerichts oder
des Vorsitzenden für Feriensachen erklärt worden sind. Auch die Bearbeitung
der Vormundschaftssachen, Nachlaßsachen, Lehrs-, Familienfideikommiß- und
Stiftungssachen kann unterbleiben, wenn kein Bedürfnis einer Beschleunigung
vorhanden ist. Die Präsidenten sind ermächtigt, den ihnen untergebnen Be¬
amten während der Gerichtsferien Urlaub zu erteilen, ohne daß dieser Urlaub
einer besondern Begründung bedarf.

Nach den Motiven zum Gerichtsverfafsungsgesetz find die Gerichtsferien
zunächst dazu bestimmt, die Beurlaubung der gerichtlichen Beamten zu er¬
leichtern. In wie weit das Interesse der Justizverwaltung in dieser Be¬
ziehung die Einrichtung von Gerichtsferien erfordert, ist nicht abzusehen,
da auch die Beamten andrer Verwaltungszweige ihren regelmäßigen Urlaub
erhalten und sich in keinem eine den Gerichtsferien ähnliche Einrichtung findet,
abgesehen von der Schulverwaltung, für die besondre Gesichtspunkte ma߬
gebend sind. Im Gegensatz zu der altrömischen Einrichtung sollen es die
heutigen Gerichtsferien dem Richter nicht etwa ermöglichen, einem Erwerbs¬
geschäfte nachzugeben; ihr Zweck ist ausschließlich die Erholung des Richters


Grenzboten II 1895 74


Die Gerichtsferien

le Einrichtung der Gerichtsferien hat ihre» Ursprung im römischen
Recht, und zwar in der Zeit, wo die eigentliche Urteilsfällung
den Volksgerichten zustand. Als torus galt damals die Zeit
während der Ernte und Weinlese. Während dieser Zeit, sowie
während der Zeit der öffentlichen Spiele Gerichtssitzungen ab¬
zuhalten, verbot sich aus der Bedeutung beider für den römischen Bürger.

Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz dauern die Gerichtsferien vom 15. Juli
bis zum 15. September. Während dieser Zeit sind die richterlichen Geschäfte
eingeschränkt; Termine finden nur in „Feriensachen" und solchen Sachen statt,
die, weil sie besondrer Beschleunigung bedürfen, auf Antrag des Gerichts oder
des Vorsitzenden für Feriensachen erklärt worden sind. Auch die Bearbeitung
der Vormundschaftssachen, Nachlaßsachen, Lehrs-, Familienfideikommiß- und
Stiftungssachen kann unterbleiben, wenn kein Bedürfnis einer Beschleunigung
vorhanden ist. Die Präsidenten sind ermächtigt, den ihnen untergebnen Be¬
amten während der Gerichtsferien Urlaub zu erteilen, ohne daß dieser Urlaub
einer besondern Begründung bedarf.

Nach den Motiven zum Gerichtsverfafsungsgesetz find die Gerichtsferien
zunächst dazu bestimmt, die Beurlaubung der gerichtlichen Beamten zu er¬
leichtern. In wie weit das Interesse der Justizverwaltung in dieser Be¬
ziehung die Einrichtung von Gerichtsferien erfordert, ist nicht abzusehen,
da auch die Beamten andrer Verwaltungszweige ihren regelmäßigen Urlaub
erhalten und sich in keinem eine den Gerichtsferien ähnliche Einrichtung findet,
abgesehen von der Schulverwaltung, für die besondre Gesichtspunkte ma߬
gebend sind. Im Gegensatz zu der altrömischen Einrichtung sollen es die
heutigen Gerichtsferien dem Richter nicht etwa ermöglichen, einem Erwerbs¬
geschäfte nachzugeben; ihr Zweck ist ausschließlich die Erholung des Richters


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[0593] [Abbildung] Die Gerichtsferien le Einrichtung der Gerichtsferien hat ihre» Ursprung im römischen Recht, und zwar in der Zeit, wo die eigentliche Urteilsfällung den Volksgerichten zustand. Als torus galt damals die Zeit während der Ernte und Weinlese. Während dieser Zeit, sowie während der Zeit der öffentlichen Spiele Gerichtssitzungen ab¬ zuhalten, verbot sich aus der Bedeutung beider für den römischen Bürger. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz dauern die Gerichtsferien vom 15. Juli bis zum 15. September. Während dieser Zeit sind die richterlichen Geschäfte eingeschränkt; Termine finden nur in „Feriensachen" und solchen Sachen statt, die, weil sie besondrer Beschleunigung bedürfen, auf Antrag des Gerichts oder des Vorsitzenden für Feriensachen erklärt worden sind. Auch die Bearbeitung der Vormundschaftssachen, Nachlaßsachen, Lehrs-, Familienfideikommiß- und Stiftungssachen kann unterbleiben, wenn kein Bedürfnis einer Beschleunigung vorhanden ist. Die Präsidenten sind ermächtigt, den ihnen untergebnen Be¬ amten während der Gerichtsferien Urlaub zu erteilen, ohne daß dieser Urlaub einer besondern Begründung bedarf. Nach den Motiven zum Gerichtsverfafsungsgesetz find die Gerichtsferien zunächst dazu bestimmt, die Beurlaubung der gerichtlichen Beamten zu er¬ leichtern. In wie weit das Interesse der Justizverwaltung in dieser Be¬ ziehung die Einrichtung von Gerichtsferien erfordert, ist nicht abzusehen, da auch die Beamten andrer Verwaltungszweige ihren regelmäßigen Urlaub erhalten und sich in keinem eine den Gerichtsferien ähnliche Einrichtung findet, abgesehen von der Schulverwaltung, für die besondre Gesichtspunkte ma߬ gebend sind. Im Gegensatz zu der altrömischen Einrichtung sollen es die heutigen Gerichtsferien dem Richter nicht etwa ermöglichen, einem Erwerbs¬ geschäfte nachzugeben; ihr Zweck ist ausschließlich die Erholung des Richters Grenzboten II 1895 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/593>, abgerufen am 22.12.2024.