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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Auf der Hohen Salzburg

Grauen und Todesnot. Aber gewiß wenigstens nicht ohne Schuld haben sie
gelitten; wenigstens ist es nur der verworfne Abschaum der Menschheit, den
hier sein überhartes, aber doch nicht ganz unverdientes Schicksal ereilt hat.

Im Jahre 1525 saß auf der Hohen Salzburg der Kardinal Mnthäus
Lang. Der war ein gelehrter und gescheiter Herr, wohlunterrichtet in huma¬
nistischer Wissenschaft und ein Gönner der schönen Künste. Er war freilich
ein Herr, der nicht gerade idealen Gütern nachjagte, sondern des Lebens höchstes
Ziel im Genusse sah. Aber diesen Lebensgenuß fand er nicht im gewöhnlichen,
nicht im grob materiellen. Er liebte freilich eine gute Tafel und feurige Weine,
aber auch schöne, edel geformte Geräte, und was sonst die Kunst im besten
Sinne hervorbrachte. Dazu war er ein kriegerischer Herr, der es liebte, in
prunkender Rüstung edle Rosse zu besteigen, die er wie nur ein Rittersmann
zu tummeln verstand. In diese feine Atmosphäre des guten Geschmacks durfte
natürlich die grobe Ausdünstung des gemeinen Volkes nicht eindringen; das
wäre Entweihung gewesen: veli xrotarmin, vulgus se g,r<z<zö! Der dickköpfige
Bauer, der in der schmutzigen Erde wühlt lind jedes Sinnes für etwas höheres
ermangelt, hatte gewiß kein Recht, sich zu beschweren, daß er in den Augen
des edeln Herrn unendlich tiefer stand als zum Beispiel ein guter Jagdhund.
In seinen Augen hatte die Bauernschaft nur einen Grund zur Berechtigung
ihres Daseins aufzuweisen: Geld und wieder Geld aus sich herausquetschen
zu lassen, damit der hochedle Kardinal seine fürstlichen Liebhabereien bezahlen
konnte. Es ließ sich dagegen auch nichts einwenden, denn es war die Sitte
der Zeit. Während in den Burgsälen der edeln Herren köstliche Speisen und
Weine im Überfluß genossen wurden, konnte ein junger Bauer, der in dieser
Zeit als Aufrührer mit dem Schwerte gerichtet wurde, deu entsetzlichen
Jammerruf ausstoßen: "Nun soll ich schon sterben und habe mich kaum zwei¬
mal satt Brot gegessen!" Diese Bauern hatten einmal als freie Männer auf
ihren Höfen gesessen. Aber im Laufe der letzten Jahrhunderte hatten Adel
und Geistlichkeit sie zu Hörigen herabgedrückt, wobei ihnen das römische Recht
treffliche Dienste geleistet hatte; denn wenn die Bauern Prozessiren wollten,
mußten sie erst sehr viel Geld bezahlen, und dann wurde ihnen an der Hand
des römischen Rechts klar gemacht, daß sie Unrecht hatten; waren sie auch
mit Gewalt und wider alles Recht in die Knechtschaft gezwungen, so war doch
zu bedenken, daß sie diese Knechtschaft hundert und mehr Jahre erduldet hatten.
Darum war dieser Zustand zu einem wohlerworbnen Rechte geworden --
natürlich sür die Herren. Das geschah ihnen recht, diesen widerspenstigen
Bauern! Warum wollten sie sich gegen die milde Herrschaft des Adels
sträuben, und gar gegen die väterliche Hand der Geistlichkeit? Schwer legte
sich diese väterliche Hand besonders in diesem entzückenden Lande auf die un¬
glücklichen Bauern. Steuern, und immer wieder Steuern wurden auf sie ge¬
legt, nicht zu gemeinem Wohle, sondern um den fürstlichen Glanz der edeln


Auf der Hohen Salzburg

Grauen und Todesnot. Aber gewiß wenigstens nicht ohne Schuld haben sie
gelitten; wenigstens ist es nur der verworfne Abschaum der Menschheit, den
hier sein überhartes, aber doch nicht ganz unverdientes Schicksal ereilt hat.

Im Jahre 1525 saß auf der Hohen Salzburg der Kardinal Mnthäus
Lang. Der war ein gelehrter und gescheiter Herr, wohlunterrichtet in huma¬
nistischer Wissenschaft und ein Gönner der schönen Künste. Er war freilich
ein Herr, der nicht gerade idealen Gütern nachjagte, sondern des Lebens höchstes
Ziel im Genusse sah. Aber diesen Lebensgenuß fand er nicht im gewöhnlichen,
nicht im grob materiellen. Er liebte freilich eine gute Tafel und feurige Weine,
aber auch schöne, edel geformte Geräte, und was sonst die Kunst im besten
Sinne hervorbrachte. Dazu war er ein kriegerischer Herr, der es liebte, in
prunkender Rüstung edle Rosse zu besteigen, die er wie nur ein Rittersmann
zu tummeln verstand. In diese feine Atmosphäre des guten Geschmacks durfte
natürlich die grobe Ausdünstung des gemeinen Volkes nicht eindringen; das
wäre Entweihung gewesen: veli xrotarmin, vulgus se g,r<z<zö! Der dickköpfige
Bauer, der in der schmutzigen Erde wühlt lind jedes Sinnes für etwas höheres
ermangelt, hatte gewiß kein Recht, sich zu beschweren, daß er in den Augen
des edeln Herrn unendlich tiefer stand als zum Beispiel ein guter Jagdhund.
In seinen Augen hatte die Bauernschaft nur einen Grund zur Berechtigung
ihres Daseins aufzuweisen: Geld und wieder Geld aus sich herausquetschen
zu lassen, damit der hochedle Kardinal seine fürstlichen Liebhabereien bezahlen
konnte. Es ließ sich dagegen auch nichts einwenden, denn es war die Sitte
der Zeit. Während in den Burgsälen der edeln Herren köstliche Speisen und
Weine im Überfluß genossen wurden, konnte ein junger Bauer, der in dieser
Zeit als Aufrührer mit dem Schwerte gerichtet wurde, deu entsetzlichen
Jammerruf ausstoßen: „Nun soll ich schon sterben und habe mich kaum zwei¬
mal satt Brot gegessen!" Diese Bauern hatten einmal als freie Männer auf
ihren Höfen gesessen. Aber im Laufe der letzten Jahrhunderte hatten Adel
und Geistlichkeit sie zu Hörigen herabgedrückt, wobei ihnen das römische Recht
treffliche Dienste geleistet hatte; denn wenn die Bauern Prozessiren wollten,
mußten sie erst sehr viel Geld bezahlen, und dann wurde ihnen an der Hand
des römischen Rechts klar gemacht, daß sie Unrecht hatten; waren sie auch
mit Gewalt und wider alles Recht in die Knechtschaft gezwungen, so war doch
zu bedenken, daß sie diese Knechtschaft hundert und mehr Jahre erduldet hatten.
Darum war dieser Zustand zu einem wohlerworbnen Rechte geworden —
natürlich sür die Herren. Das geschah ihnen recht, diesen widerspenstigen
Bauern! Warum wollten sie sich gegen die milde Herrschaft des Adels
sträuben, und gar gegen die väterliche Hand der Geistlichkeit? Schwer legte
sich diese väterliche Hand besonders in diesem entzückenden Lande auf die un¬
glücklichen Bauern. Steuern, und immer wieder Steuern wurden auf sie ge¬
legt, nicht zu gemeinem Wohle, sondern um den fürstlichen Glanz der edeln


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[0470] Auf der Hohen Salzburg Grauen und Todesnot. Aber gewiß wenigstens nicht ohne Schuld haben sie gelitten; wenigstens ist es nur der verworfne Abschaum der Menschheit, den hier sein überhartes, aber doch nicht ganz unverdientes Schicksal ereilt hat. Im Jahre 1525 saß auf der Hohen Salzburg der Kardinal Mnthäus Lang. Der war ein gelehrter und gescheiter Herr, wohlunterrichtet in huma¬ nistischer Wissenschaft und ein Gönner der schönen Künste. Er war freilich ein Herr, der nicht gerade idealen Gütern nachjagte, sondern des Lebens höchstes Ziel im Genusse sah. Aber diesen Lebensgenuß fand er nicht im gewöhnlichen, nicht im grob materiellen. Er liebte freilich eine gute Tafel und feurige Weine, aber auch schöne, edel geformte Geräte, und was sonst die Kunst im besten Sinne hervorbrachte. Dazu war er ein kriegerischer Herr, der es liebte, in prunkender Rüstung edle Rosse zu besteigen, die er wie nur ein Rittersmann zu tummeln verstand. In diese feine Atmosphäre des guten Geschmacks durfte natürlich die grobe Ausdünstung des gemeinen Volkes nicht eindringen; das wäre Entweihung gewesen: veli xrotarmin, vulgus se g,r<z<zö! Der dickköpfige Bauer, der in der schmutzigen Erde wühlt lind jedes Sinnes für etwas höheres ermangelt, hatte gewiß kein Recht, sich zu beschweren, daß er in den Augen des edeln Herrn unendlich tiefer stand als zum Beispiel ein guter Jagdhund. In seinen Augen hatte die Bauernschaft nur einen Grund zur Berechtigung ihres Daseins aufzuweisen: Geld und wieder Geld aus sich herausquetschen zu lassen, damit der hochedle Kardinal seine fürstlichen Liebhabereien bezahlen konnte. Es ließ sich dagegen auch nichts einwenden, denn es war die Sitte der Zeit. Während in den Burgsälen der edeln Herren köstliche Speisen und Weine im Überfluß genossen wurden, konnte ein junger Bauer, der in dieser Zeit als Aufrührer mit dem Schwerte gerichtet wurde, deu entsetzlichen Jammerruf ausstoßen: „Nun soll ich schon sterben und habe mich kaum zwei¬ mal satt Brot gegessen!" Diese Bauern hatten einmal als freie Männer auf ihren Höfen gesessen. Aber im Laufe der letzten Jahrhunderte hatten Adel und Geistlichkeit sie zu Hörigen herabgedrückt, wobei ihnen das römische Recht treffliche Dienste geleistet hatte; denn wenn die Bauern Prozessiren wollten, mußten sie erst sehr viel Geld bezahlen, und dann wurde ihnen an der Hand des römischen Rechts klar gemacht, daß sie Unrecht hatten; waren sie auch mit Gewalt und wider alles Recht in die Knechtschaft gezwungen, so war doch zu bedenken, daß sie diese Knechtschaft hundert und mehr Jahre erduldet hatten. Darum war dieser Zustand zu einem wohlerworbnen Rechte geworden — natürlich sür die Herren. Das geschah ihnen recht, diesen widerspenstigen Bauern! Warum wollten sie sich gegen die milde Herrschaft des Adels sträuben, und gar gegen die väterliche Hand der Geistlichkeit? Schwer legte sich diese väterliche Hand besonders in diesem entzückenden Lande auf die un¬ glücklichen Bauern. Steuern, und immer wieder Steuern wurden auf sie ge¬ legt, nicht zu gemeinem Wohle, sondern um den fürstlichen Glanz der edeln

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/470>, abgerufen am 24.08.2024.