Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Ostelbien residirenden^ großen Gntsbrenner und die Vernichtung der bairischen Oder besteht das Verbrechen des Reichstags vielleicht darin, daß es ihm an Maßgebliches und Unmaßgebliches Ostelbien residirenden^ großen Gntsbrenner und die Vernichtung der bairischen Oder besteht das Verbrechen des Reichstags vielleicht darin, daß es ihm an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220121"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1783" prev="#ID_1782"> Ostelbien residirenden^ großen Gntsbrenner und die Vernichtung der bairischen<lb/> Genossenschaftsbrennereien herbeiführen würde," und c>in 21., 22. und 24. hat<lb/> das Zentrum dieses Gesetz, das ihm einige bairische Mandate kosten kann, be¬<lb/> willigt. Freilich, den Tabak noch mehr bluten zu lassen, ist auch diesmal noch<lb/> nicht gelungen, aber nur Geduld! Kein Baum fällt auf den ersten Schlag, und<lb/> mancher auf den zehnten noch nicht. Tabak und Bier sind nun einmal dem<lb/> Deutschen aus Herz gewachsen, dem Deutschen ohne Unterschied der Konfession und<lb/> Pnrteistellnng, und kein wie immer zusammengesetzter Reichstag würde eine Auflage<lb/> auf diese seine teuersten Güter ohne langes und heftiges Sträuben bewilligen. Auch<lb/> die Umsturzvorlage ist gefallen, aber daran war doch nicht die vom besten Willen<lb/> beseelte Mehrheit, sondern nur die Ungeschicklichkeit der Regierung schuld. Auch<lb/> das Getreidemonopol haben wir noch nicht, aber es ist doch die Frage, ob, wenn<lb/> es keinen Reichstag gäbe, die Verbündeten Regierungen mit so rührender Geduld<lb/> acht Wochen lang über deu Antrag Kauitz beraten würden, wie die Reichstags-<lb/> kommission; der Staatsrat, dem das Haupt der Verbündeten Regierungen prä-<lb/> sidirte, hats kürzer gemacht. Ein Organ der Staatsstreichler fragt, was denn werden<lb/> folle, wenn dieser Reichstag die zum Fortbestande des Reichs erforderlichen Geld¬<lb/> mittel nicht mehr bewilligt? Ja, was wird wohl werden, wenn dereinst die<lb/> Sonnenwärme so weit wird abgenommen haben, daß ganz Enropa vergletschert?<lb/> Ein Vorwurf, den man dem Reichstage macht, ist freilich begründet; seine meisten<lb/> Mitglieder sind faul im Besuchen der Sitzungen. Nur muß auch hinzugefügt<lb/> werden, daß die konservative Seite die faulste ist. Von den Mitgliedern des<lb/> Reichstags, schrieb die Germania nach den viel getadelten Aufzählungen der dritten<lb/> Maiwoche, gehören 133 dem Bunde der Landwirte an. Von diesen 133 waren<lb/> am 16. nur 32 anwesend, am 17., wo das Zuckersteuergesetz beraten wurde, 53.</p><lb/> <p xml:id="ID_1784" next="#ID_1785"> Oder besteht das Verbrechen des Reichstags vielleicht darin, daß es ihm an<lb/> hervorragenden Männern, an großen Rednern fehlt, daß seine Sitzungen arm sind<lb/> an Geuieblitzeu und seine Beratungen ohne Schwung verlaufen? Ihm daraus einen<lb/> Vorwurf machen, das wäre denn doch mehr als lächerlich. Was hätten denn große<lb/> Männer in einem Steuerbewilligungsantomateu zu suchen? Wo soll denn in der<lb/> Beratung von Polizeigesetzen und von Steuerküustcleieu der Schwung herkommen?<lb/> Und wie konnten über kleine Gegeustände Reden im großen Stile gehalten werden?<lb/> Schuljuugen sagt man zwar manchmal, der richtige Redner müsse auch über einen<lb/> Besenstiel einen glänzenden Vortrag halten können. Allein das ist ein schlechter<lb/> und undeutscher Grundsatz; der echte Deutsche ist vor allem wahr und putzt uicht<lb/> einen kleinen Gegenstand mit großen Worten heraus. Die Zeiten, in denen die<lb/> großen Redner wachsen und das politische Leben in hohen Wogen einherbraust,<lb/> sind die Zeiten des nationalen Aufschwungs; und dieser Aufschwung vollzieht sich<lb/> stets in einer von drei Formen: entweder als Revolution, oder als Eroberungs¬<lb/> krieg , oder als Befreiungskrieg; die Weltgeschichte kennt keine vierte Form, denn<lb/> auch die Kolonialgrüuduugen und die Begründungen großer Haudelsmächte siud<lb/> stets Ketten von Eroberungskriegen gewesen. Heute ist die dritte Form glücklicher¬<lb/> weise nicht »ölig, und was die ersten beiden anlangt, so ist uns schon der Ge¬<lb/> danke daran verboten. Die Habsburger loben, den russischen Kaiser bei guter<lb/> Laune erhalten, damit er uus nichts thue, dabei aber trotzdem bis an die Zähne<lb/> gerüstet dastehn, weil die Gefahr eines Überfalls auch durch noch so große Liebens¬<lb/> würdigkeit und Dienstbereitschaft gegen unsre hohen Gönner nicht ausgeschlossen<lb/> wird, und gleichzeitig unsre Lohnarbeiter mit geladner Flinte bewachen, damit sie<lb/> uicht aufbegehren, das ist unsre Zukunft. Wir fügen uns ja in aller Demut der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0445]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ostelbien residirenden^ großen Gntsbrenner und die Vernichtung der bairischen
Genossenschaftsbrennereien herbeiführen würde," und c>in 21., 22. und 24. hat
das Zentrum dieses Gesetz, das ihm einige bairische Mandate kosten kann, be¬
willigt. Freilich, den Tabak noch mehr bluten zu lassen, ist auch diesmal noch
nicht gelungen, aber nur Geduld! Kein Baum fällt auf den ersten Schlag, und
mancher auf den zehnten noch nicht. Tabak und Bier sind nun einmal dem
Deutschen aus Herz gewachsen, dem Deutschen ohne Unterschied der Konfession und
Pnrteistellnng, und kein wie immer zusammengesetzter Reichstag würde eine Auflage
auf diese seine teuersten Güter ohne langes und heftiges Sträuben bewilligen. Auch
die Umsturzvorlage ist gefallen, aber daran war doch nicht die vom besten Willen
beseelte Mehrheit, sondern nur die Ungeschicklichkeit der Regierung schuld. Auch
das Getreidemonopol haben wir noch nicht, aber es ist doch die Frage, ob, wenn
es keinen Reichstag gäbe, die Verbündeten Regierungen mit so rührender Geduld
acht Wochen lang über deu Antrag Kauitz beraten würden, wie die Reichstags-
kommission; der Staatsrat, dem das Haupt der Verbündeten Regierungen prä-
sidirte, hats kürzer gemacht. Ein Organ der Staatsstreichler fragt, was denn werden
folle, wenn dieser Reichstag die zum Fortbestande des Reichs erforderlichen Geld¬
mittel nicht mehr bewilligt? Ja, was wird wohl werden, wenn dereinst die
Sonnenwärme so weit wird abgenommen haben, daß ganz Enropa vergletschert?
Ein Vorwurf, den man dem Reichstage macht, ist freilich begründet; seine meisten
Mitglieder sind faul im Besuchen der Sitzungen. Nur muß auch hinzugefügt
werden, daß die konservative Seite die faulste ist. Von den Mitgliedern des
Reichstags, schrieb die Germania nach den viel getadelten Aufzählungen der dritten
Maiwoche, gehören 133 dem Bunde der Landwirte an. Von diesen 133 waren
am 16. nur 32 anwesend, am 17., wo das Zuckersteuergesetz beraten wurde, 53.
Oder besteht das Verbrechen des Reichstags vielleicht darin, daß es ihm an
hervorragenden Männern, an großen Rednern fehlt, daß seine Sitzungen arm sind
an Geuieblitzeu und seine Beratungen ohne Schwung verlaufen? Ihm daraus einen
Vorwurf machen, das wäre denn doch mehr als lächerlich. Was hätten denn große
Männer in einem Steuerbewilligungsantomateu zu suchen? Wo soll denn in der
Beratung von Polizeigesetzen und von Steuerküustcleieu der Schwung herkommen?
Und wie konnten über kleine Gegeustände Reden im großen Stile gehalten werden?
Schuljuugen sagt man zwar manchmal, der richtige Redner müsse auch über einen
Besenstiel einen glänzenden Vortrag halten können. Allein das ist ein schlechter
und undeutscher Grundsatz; der echte Deutsche ist vor allem wahr und putzt uicht
einen kleinen Gegenstand mit großen Worten heraus. Die Zeiten, in denen die
großen Redner wachsen und das politische Leben in hohen Wogen einherbraust,
sind die Zeiten des nationalen Aufschwungs; und dieser Aufschwung vollzieht sich
stets in einer von drei Formen: entweder als Revolution, oder als Eroberungs¬
krieg , oder als Befreiungskrieg; die Weltgeschichte kennt keine vierte Form, denn
auch die Kolonialgrüuduugen und die Begründungen großer Haudelsmächte siud
stets Ketten von Eroberungskriegen gewesen. Heute ist die dritte Form glücklicher¬
weise nicht »ölig, und was die ersten beiden anlangt, so ist uns schon der Ge¬
danke daran verboten. Die Habsburger loben, den russischen Kaiser bei guter
Laune erhalten, damit er uus nichts thue, dabei aber trotzdem bis an die Zähne
gerüstet dastehn, weil die Gefahr eines Überfalls auch durch noch so große Liebens¬
würdigkeit und Dienstbereitschaft gegen unsre hohen Gönner nicht ausgeschlossen
wird, und gleichzeitig unsre Lohnarbeiter mit geladner Flinte bewachen, damit sie
uicht aufbegehren, das ist unsre Zukunft. Wir fügen uns ja in aller Demut der
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