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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

und behält man ihm nur die großen und wichtigen Dinge vor (minims, mein em's,t
xrg.<ztoi'), dann kann man jeden Widerstand gegen seine Anordnungen und schon
die Aufforderung dazu aufs härteste strafen, und man wird des Erfolgs gewiß
sein. Steckt aber der Staat in jedem Uniformrock, ist er es, der von den Händen
eines ungeberdig um sich schlagenden Betrunknen getroffen wird, ist er es, der
über jeden Kehrichthaufen räsonnirt, die schwatzenden vom Bürgersteige jagt, den
Philister um elf Uhr aus der Kneipe fortweist und den Bauern das Tanzvergnügen
verdirbt, so ist sein Nimbus dahin; ein solcher Staat macht sich bald lächerliche
bald verhaßt.


Berichtigung.

Im 25. Hefte des vorigen Jahrgangs der Grenzboten wurde
ein in Graz erschienenes Buch "Geadelte jüdische Familien" besprochen, aus dem
eine Reihe von Namen mitgeteilt wurde, darunter der der Familie Benecke von
Gröditzberg. Wir werden daraus aufmerksam gemacht, daß diese Angabe unrichtig
ist. Die bis auf das Jahr 1734 zurückreichenden Taufzeugnisse und andre Nach¬
weise ergeben die christliche Herkunft des als Benecke von Gröditzberg geadelten
Bankiers W. Chr. von Gröditzberg.




Litteratur
Die soziale Praxis betreffende Schriften.

Der unermüdliche Land¬
gerichtsrat W. Knlemann hat in einer im vorigen Jahre bei Duncker und Humblot
erschienenen Schrift, die wir doch nachträglich noch erwähnen müssen, einen Plan
für Die Reform unsrer Sozial(?)versicheruug entwickelt, dessen Kern darin
besteht, daß zu gemeinsamen Trägern aller drei Versicherungen Ortskassen und
Bezirkskassen gemacht werden; jene sollen die Krankengelder und zehn Prozent der
Invalidenrente, sowie der Rente bei solchen Unfällen, die nicht den Tod zur Folge
haben, diese neunzig Prozent der genannten beiden Arten von Rente und die Alters¬
rente, sowie die Unfallentschttdignng bei Todesfällen ganz zahlen. Den Vorwurf,
der gegen die Altersversicherung erhoben zu werden Pflegt, daß sie jugendliche Per¬
sonen zu Beiträgen nötige für eine Rente, die sie erst mit siebzig Jahren, d. h.
also in den meisten Fällen gar nicht erhalten, weist der Verfasser als unbe¬
gründet, ja als böswillige Entstellung zurück, da ja die Rente in den meisten
Fällen in der Form von Invalidenrente bezogen werde. Man wird, meinen wir,
mit dem Urteil über diesen Punkt zu warten haben, bis sich übersehen läßt, wie
viel Prozent der Versicherten vor dem siebzigsten Jahre sterben, ohne Unfall- oder
Invalidenrente zu beziehen. -- Die Novelle zur Gewerbeordnung, die dem un-
lautern Wettbewerb den Garaus machen soll, ist ja nun heraus, aber da es noch
ein Weilchen dauern wird, ehe sie "zur Verabschiedung gelangt," so sind die Vor¬
arbeiten der Handelskammern für sie noch nicht als Makulatur zu behandeln. Im
Auftrage von elf mitteldeutschen Handelskammern (Braunschweig. Hannover, Kassel
N. f. w.) hat Dr. Stegemann, der Syndikus der Handelskammer für das Herzogtum
Braunschweig, unter dem Titel: Unlauteres Geschttftsgebahren (Braunschweig,
Albert Limbach, 1894) zwei Bändchen herausgegeben, deren erstes eine anmutige
Bltttenlese "typischer Fälle" enthält, während im zweiten Berichte, Anträge und
Verhandlungen jener Korporationen über den Gegenstand zusammengestellt werden.
Man ersieht daraus -- und das dürfte das wichtigste sein --, daß sich nicht allein


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und behält man ihm nur die großen und wichtigen Dinge vor (minims, mein em's,t
xrg.<ztoi'), dann kann man jeden Widerstand gegen seine Anordnungen und schon
die Aufforderung dazu aufs härteste strafen, und man wird des Erfolgs gewiß
sein. Steckt aber der Staat in jedem Uniformrock, ist er es, der von den Händen
eines ungeberdig um sich schlagenden Betrunknen getroffen wird, ist er es, der
über jeden Kehrichthaufen räsonnirt, die schwatzenden vom Bürgersteige jagt, den
Philister um elf Uhr aus der Kneipe fortweist und den Bauern das Tanzvergnügen
verdirbt, so ist sein Nimbus dahin; ein solcher Staat macht sich bald lächerliche
bald verhaßt.


Berichtigung.

Im 25. Hefte des vorigen Jahrgangs der Grenzboten wurde
ein in Graz erschienenes Buch „Geadelte jüdische Familien" besprochen, aus dem
eine Reihe von Namen mitgeteilt wurde, darunter der der Familie Benecke von
Gröditzberg. Wir werden daraus aufmerksam gemacht, daß diese Angabe unrichtig
ist. Die bis auf das Jahr 1734 zurückreichenden Taufzeugnisse und andre Nach¬
weise ergeben die christliche Herkunft des als Benecke von Gröditzberg geadelten
Bankiers W. Chr. von Gröditzberg.




Litteratur
Die soziale Praxis betreffende Schriften.

Der unermüdliche Land¬
gerichtsrat W. Knlemann hat in einer im vorigen Jahre bei Duncker und Humblot
erschienenen Schrift, die wir doch nachträglich noch erwähnen müssen, einen Plan
für Die Reform unsrer Sozial(?)versicheruug entwickelt, dessen Kern darin
besteht, daß zu gemeinsamen Trägern aller drei Versicherungen Ortskassen und
Bezirkskassen gemacht werden; jene sollen die Krankengelder und zehn Prozent der
Invalidenrente, sowie der Rente bei solchen Unfällen, die nicht den Tod zur Folge
haben, diese neunzig Prozent der genannten beiden Arten von Rente und die Alters¬
rente, sowie die Unfallentschttdignng bei Todesfällen ganz zahlen. Den Vorwurf,
der gegen die Altersversicherung erhoben zu werden Pflegt, daß sie jugendliche Per¬
sonen zu Beiträgen nötige für eine Rente, die sie erst mit siebzig Jahren, d. h.
also in den meisten Fällen gar nicht erhalten, weist der Verfasser als unbe¬
gründet, ja als böswillige Entstellung zurück, da ja die Rente in den meisten
Fällen in der Form von Invalidenrente bezogen werde. Man wird, meinen wir,
mit dem Urteil über diesen Punkt zu warten haben, bis sich übersehen läßt, wie
viel Prozent der Versicherten vor dem siebzigsten Jahre sterben, ohne Unfall- oder
Invalidenrente zu beziehen. — Die Novelle zur Gewerbeordnung, die dem un-
lautern Wettbewerb den Garaus machen soll, ist ja nun heraus, aber da es noch
ein Weilchen dauern wird, ehe sie „zur Verabschiedung gelangt," so sind die Vor¬
arbeiten der Handelskammern für sie noch nicht als Makulatur zu behandeln. Im
Auftrage von elf mitteldeutschen Handelskammern (Braunschweig. Hannover, Kassel
N. f. w.) hat Dr. Stegemann, der Syndikus der Handelskammer für das Herzogtum
Braunschweig, unter dem Titel: Unlauteres Geschttftsgebahren (Braunschweig,
Albert Limbach, 1894) zwei Bändchen herausgegeben, deren erstes eine anmutige
Bltttenlese „typischer Fälle" enthält, während im zweiten Berichte, Anträge und
Verhandlungen jener Korporationen über den Gegenstand zusammengestellt werden.
Man ersieht daraus — und das dürfte das wichtigste sein —, daß sich nicht allein


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[0348] Litteratur und behält man ihm nur die großen und wichtigen Dinge vor (minims, mein em's,t xrg.<ztoi'), dann kann man jeden Widerstand gegen seine Anordnungen und schon die Aufforderung dazu aufs härteste strafen, und man wird des Erfolgs gewiß sein. Steckt aber der Staat in jedem Uniformrock, ist er es, der von den Händen eines ungeberdig um sich schlagenden Betrunknen getroffen wird, ist er es, der über jeden Kehrichthaufen räsonnirt, die schwatzenden vom Bürgersteige jagt, den Philister um elf Uhr aus der Kneipe fortweist und den Bauern das Tanzvergnügen verdirbt, so ist sein Nimbus dahin; ein solcher Staat macht sich bald lächerliche bald verhaßt. Berichtigung. Im 25. Hefte des vorigen Jahrgangs der Grenzboten wurde ein in Graz erschienenes Buch „Geadelte jüdische Familien" besprochen, aus dem eine Reihe von Namen mitgeteilt wurde, darunter der der Familie Benecke von Gröditzberg. Wir werden daraus aufmerksam gemacht, daß diese Angabe unrichtig ist. Die bis auf das Jahr 1734 zurückreichenden Taufzeugnisse und andre Nach¬ weise ergeben die christliche Herkunft des als Benecke von Gröditzberg geadelten Bankiers W. Chr. von Gröditzberg. Litteratur Die soziale Praxis betreffende Schriften. Der unermüdliche Land¬ gerichtsrat W. Knlemann hat in einer im vorigen Jahre bei Duncker und Humblot erschienenen Schrift, die wir doch nachträglich noch erwähnen müssen, einen Plan für Die Reform unsrer Sozial(?)versicheruug entwickelt, dessen Kern darin besteht, daß zu gemeinsamen Trägern aller drei Versicherungen Ortskassen und Bezirkskassen gemacht werden; jene sollen die Krankengelder und zehn Prozent der Invalidenrente, sowie der Rente bei solchen Unfällen, die nicht den Tod zur Folge haben, diese neunzig Prozent der genannten beiden Arten von Rente und die Alters¬ rente, sowie die Unfallentschttdignng bei Todesfällen ganz zahlen. Den Vorwurf, der gegen die Altersversicherung erhoben zu werden Pflegt, daß sie jugendliche Per¬ sonen zu Beiträgen nötige für eine Rente, die sie erst mit siebzig Jahren, d. h. also in den meisten Fällen gar nicht erhalten, weist der Verfasser als unbe¬ gründet, ja als böswillige Entstellung zurück, da ja die Rente in den meisten Fällen in der Form von Invalidenrente bezogen werde. Man wird, meinen wir, mit dem Urteil über diesen Punkt zu warten haben, bis sich übersehen läßt, wie viel Prozent der Versicherten vor dem siebzigsten Jahre sterben, ohne Unfall- oder Invalidenrente zu beziehen. — Die Novelle zur Gewerbeordnung, die dem un- lautern Wettbewerb den Garaus machen soll, ist ja nun heraus, aber da es noch ein Weilchen dauern wird, ehe sie „zur Verabschiedung gelangt," so sind die Vor¬ arbeiten der Handelskammern für sie noch nicht als Makulatur zu behandeln. Im Auftrage von elf mitteldeutschen Handelskammern (Braunschweig. Hannover, Kassel N. f. w.) hat Dr. Stegemann, der Syndikus der Handelskammer für das Herzogtum Braunschweig, unter dem Titel: Unlauteres Geschttftsgebahren (Braunschweig, Albert Limbach, 1894) zwei Bändchen herausgegeben, deren erstes eine anmutige Bltttenlese „typischer Fälle" enthält, während im zweiten Berichte, Anträge und Verhandlungen jener Korporationen über den Gegenstand zusammengestellt werden. Man ersieht daraus — und das dürfte das wichtigste sein —, daß sich nicht allein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/348>, abgerufen am 22.12.2024.