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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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dingungen, unter welchen er in Anwendung zu bringen ist, nicht klar erkennt;
2, daß es demnach Völker, die unter einem den Manufakturen ungünstigen
Himmelsstrich leben, oder kleine oder unkultivirte Staaten und Völker fälschlich
zur Nachahmung des Schutzsystems verleitet ^insbesondre erkennt List an, daß
die Tropen nur Vodenerzeugnisse liefern können, und daß der Austausch dieser
tropischen Vodenerzeugnifse gegen die Waren der Jndustrievölker diesen zu
großem Vorteil gereicht; auch erklärt er überhaupt die internationale Arbeits¬
teilung für berechtigt, soweit sie in der Verschiedenheit der Anlagen der Völker
und ihrer Wohnplätze begründet W; 3. daß es den Schutz zum eignen Nachteil
der Agrikultur auch auf diese und auf die Rohstoffe überhaupt ausdehnen will,
während doch die Agrikultur durch die Natur der Dinge gegen die auswärtige
Konkurrenz zureichend beschützt ist; 4. daß es zum Nachteil der Agrikultur und
rechtswidrigerweise die Manufakturen durch Beschwerung der Ausfuhr von
Rohstoffen begünstigen will; 5. daß es die zur Manufaktur- und Haudels-
suprematie gelangte Nation nicht lehrt, durch Zulassung der freien Konkurrenz
auf ihren eignen Märkten ihre Manufakturisten und Kaufleute gegen Indolenz
zu schützen; 6. daß es in ausschließlicher Verfolgung des politischen Zwecks
die kosmopolitischen Verhältnisse aller Nationen, die Zwecke der gesamten
Menschheit verkennt und demnach die Regierungen verleitet, das Prohibitiv-
shstem in Anwendung zu bringen, wo das Schutzsystem ausreicht, oder Zölle,
die einem Verbot gleichkommen, aufzulegen, wo mäßige Schutzzölle dem Zweck
besser entsprächen; endlich 7. daß es überhaupt infolge der gänzlichen Ver-
kennung des kosmopolitischen Prinzips nicht in der künftigen Union aller
Nationen, in der Herstellung des ewigen Friedens und der allgemeinen Handels¬
freiheit das Ziel erkennt, nach welchem Nationen zu streben und dem sie mehr
und mehr sich zu nähern haben."

Seit 1841 ist die Welt ein gutes Stück fortgeschritten. Deutschland und
Nordamerika sind ebenbürtige Konkurrenten Englands geworden, oder vielmehr
sie waren es schon in deu sechziger Jahren, als sich Deutschland unter Preußens
Führung dem Freihandel zuwandte. Die Schwierigkeiten, mit denen dann in
den siebziger Jahren die Rückkehr zum Schutzzoll begründet wurde, haben
mit der Lage der Dinge, die Lifts System gezeitigt hat, nicht das geringste
zu schaffen. Diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstände, daß es die
bestehende Staats- und Rechtsordnung unmöglich macht, die von der un¬
geheuern Produktivkraft der modernen Nationen hervorgetriebnen Güter an
den Mann zu bringen. An dieser Schwierigkeit leidet das Hochschutzzöllnerische
Amerika nicht weniger als das freihändlerische England, und das deutsche
Reich leidet außerdem noch daran, daß zwei Grundlehren Lifts gänzlich un¬
beachtet bleiben: die beiden Lehren, daß zur nationalen Wirtschaftspolitik ein
angemessen großes Gebiet gehöre (die Angemessenheit ändert sich im Laufe der
Zeiten mit den Verhältnissen), und daß der Überfluß von Menschen und


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dingungen, unter welchen er in Anwendung zu bringen ist, nicht klar erkennt;
2, daß es demnach Völker, die unter einem den Manufakturen ungünstigen
Himmelsstrich leben, oder kleine oder unkultivirte Staaten und Völker fälschlich
zur Nachahmung des Schutzsystems verleitet ^insbesondre erkennt List an, daß
die Tropen nur Vodenerzeugnisse liefern können, und daß der Austausch dieser
tropischen Vodenerzeugnifse gegen die Waren der Jndustrievölker diesen zu
großem Vorteil gereicht; auch erklärt er überhaupt die internationale Arbeits¬
teilung für berechtigt, soweit sie in der Verschiedenheit der Anlagen der Völker
und ihrer Wohnplätze begründet W; 3. daß es den Schutz zum eignen Nachteil
der Agrikultur auch auf diese und auf die Rohstoffe überhaupt ausdehnen will,
während doch die Agrikultur durch die Natur der Dinge gegen die auswärtige
Konkurrenz zureichend beschützt ist; 4. daß es zum Nachteil der Agrikultur und
rechtswidrigerweise die Manufakturen durch Beschwerung der Ausfuhr von
Rohstoffen begünstigen will; 5. daß es die zur Manufaktur- und Haudels-
suprematie gelangte Nation nicht lehrt, durch Zulassung der freien Konkurrenz
auf ihren eignen Märkten ihre Manufakturisten und Kaufleute gegen Indolenz
zu schützen; 6. daß es in ausschließlicher Verfolgung des politischen Zwecks
die kosmopolitischen Verhältnisse aller Nationen, die Zwecke der gesamten
Menschheit verkennt und demnach die Regierungen verleitet, das Prohibitiv-
shstem in Anwendung zu bringen, wo das Schutzsystem ausreicht, oder Zölle,
die einem Verbot gleichkommen, aufzulegen, wo mäßige Schutzzölle dem Zweck
besser entsprächen; endlich 7. daß es überhaupt infolge der gänzlichen Ver-
kennung des kosmopolitischen Prinzips nicht in der künftigen Union aller
Nationen, in der Herstellung des ewigen Friedens und der allgemeinen Handels¬
freiheit das Ziel erkennt, nach welchem Nationen zu streben und dem sie mehr
und mehr sich zu nähern haben."

Seit 1841 ist die Welt ein gutes Stück fortgeschritten. Deutschland und
Nordamerika sind ebenbürtige Konkurrenten Englands geworden, oder vielmehr
sie waren es schon in deu sechziger Jahren, als sich Deutschland unter Preußens
Führung dem Freihandel zuwandte. Die Schwierigkeiten, mit denen dann in
den siebziger Jahren die Rückkehr zum Schutzzoll begründet wurde, haben
mit der Lage der Dinge, die Lifts System gezeitigt hat, nicht das geringste
zu schaffen. Diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstände, daß es die
bestehende Staats- und Rechtsordnung unmöglich macht, die von der un¬
geheuern Produktivkraft der modernen Nationen hervorgetriebnen Güter an
den Mann zu bringen. An dieser Schwierigkeit leidet das Hochschutzzöllnerische
Amerika nicht weniger als das freihändlerische England, und das deutsche
Reich leidet außerdem noch daran, daß zwei Grundlehren Lifts gänzlich un¬
beachtet bleiben: die beiden Lehren, daß zur nationalen Wirtschaftspolitik ein
angemessen großes Gebiet gehöre (die Angemessenheit ändert sich im Laufe der
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[0266] List und Larey dingungen, unter welchen er in Anwendung zu bringen ist, nicht klar erkennt; 2, daß es demnach Völker, die unter einem den Manufakturen ungünstigen Himmelsstrich leben, oder kleine oder unkultivirte Staaten und Völker fälschlich zur Nachahmung des Schutzsystems verleitet ^insbesondre erkennt List an, daß die Tropen nur Vodenerzeugnisse liefern können, und daß der Austausch dieser tropischen Vodenerzeugnifse gegen die Waren der Jndustrievölker diesen zu großem Vorteil gereicht; auch erklärt er überhaupt die internationale Arbeits¬ teilung für berechtigt, soweit sie in der Verschiedenheit der Anlagen der Völker und ihrer Wohnplätze begründet W; 3. daß es den Schutz zum eignen Nachteil der Agrikultur auch auf diese und auf die Rohstoffe überhaupt ausdehnen will, während doch die Agrikultur durch die Natur der Dinge gegen die auswärtige Konkurrenz zureichend beschützt ist; 4. daß es zum Nachteil der Agrikultur und rechtswidrigerweise die Manufakturen durch Beschwerung der Ausfuhr von Rohstoffen begünstigen will; 5. daß es die zur Manufaktur- und Haudels- suprematie gelangte Nation nicht lehrt, durch Zulassung der freien Konkurrenz auf ihren eignen Märkten ihre Manufakturisten und Kaufleute gegen Indolenz zu schützen; 6. daß es in ausschließlicher Verfolgung des politischen Zwecks die kosmopolitischen Verhältnisse aller Nationen, die Zwecke der gesamten Menschheit verkennt und demnach die Regierungen verleitet, das Prohibitiv- shstem in Anwendung zu bringen, wo das Schutzsystem ausreicht, oder Zölle, die einem Verbot gleichkommen, aufzulegen, wo mäßige Schutzzölle dem Zweck besser entsprächen; endlich 7. daß es überhaupt infolge der gänzlichen Ver- kennung des kosmopolitischen Prinzips nicht in der künftigen Union aller Nationen, in der Herstellung des ewigen Friedens und der allgemeinen Handels¬ freiheit das Ziel erkennt, nach welchem Nationen zu streben und dem sie mehr und mehr sich zu nähern haben." Seit 1841 ist die Welt ein gutes Stück fortgeschritten. Deutschland und Nordamerika sind ebenbürtige Konkurrenten Englands geworden, oder vielmehr sie waren es schon in deu sechziger Jahren, als sich Deutschland unter Preußens Führung dem Freihandel zuwandte. Die Schwierigkeiten, mit denen dann in den siebziger Jahren die Rückkehr zum Schutzzoll begründet wurde, haben mit der Lage der Dinge, die Lifts System gezeitigt hat, nicht das geringste zu schaffen. Diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstände, daß es die bestehende Staats- und Rechtsordnung unmöglich macht, die von der un¬ geheuern Produktivkraft der modernen Nationen hervorgetriebnen Güter an den Mann zu bringen. An dieser Schwierigkeit leidet das Hochschutzzöllnerische Amerika nicht weniger als das freihändlerische England, und das deutsche Reich leidet außerdem noch daran, daß zwei Grundlehren Lifts gänzlich un¬ beachtet bleiben: die beiden Lehren, daß zur nationalen Wirtschaftspolitik ein angemessen großes Gebiet gehöre (die Angemessenheit ändert sich im Laufe der Zeiten mit den Verhältnissen), und daß der Überfluß von Menschen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/266>, abgerufen am 27.08.2024.