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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Vollkampf, nicht Scheinkampf

aber, wo dieser Staatsmann -- Bismarck -- fehlt, wo die Revolution und
der Partikularismus frecher und frecher ihr Haupt erheben, tritt der Mangel
eines Oberhauses immer schroffer hervor. Das aristokratische, das mäßigende
Element muß vertreten sein. Das Oberhaus ist um so notwendiger, je weniger
man daran denken kann, das allgemeine Stimmrecht den Massen wieder zu
nehmen. Allerdings würde mit der Errichtung eines solchen die ganze, leider
schon zu komplizirte Maschinerie des deutschen Reichs nicht einfacher, aber der
Vorzug, daß man einen Maschinenteil einsetzt, der die Maschine in ruhigem
Gang hält und ihrer Bewegung größere Sicherheit verleiht, muß den Aus¬
schlag geben. Ein aus der historischen Entwicklung herausgewachsenes Oberhaus,
wie das englische, läßt sich freilich nicht schaffen, aber eine andre Schöpfung,
etwa eine Wahl der Abgeordneten durch die Landtage der einzelnen Staaten
unter Zustimmung der Regierung wäre wohl denkbar. Wie in Frankreich und
England, kommt es wesentlich darauf an, eine Versammlung von reichen, ge¬
bildeten und sozial hochstehenden Männern zu haben, die ihr Veto und das
Gewicht ihres Daseins einem Reichstag wie dem jetzigen entgegensetzen können."
Wir waren bisher der Meinung, daß es im deutschen Reich eine Versammlung
gebe, die den Namen Bundesrat trügt, und der dnrch Artikel 7 der Reichs-
verfassung das Veto und noch einige andre Befugnisse zugewiesen sind, sür
die Herr von Boguslawski in die leider schon zu komplizirte Maschinerie noch
einen neuen Maschinenteil einsetzen will!

In dem folgenden Abschnitt, überschrieben "Adel und Bürgertum," steht
mancher beherzigenswerte Satz, der, wenn auch nicht gerade neu, so doch an
dieser Stelle besonders wirkungsvoll ist. Auch Herr von Boguslawski hält
jede Bevorzugung des Adels auf Kosten bürgerlicher Talente für verwerflich,
in der Armee sogar das Zusammendrängen des Adels in einzelnen Korps und
Regimentern sür schädlich. Die gesellschaftliche Stellung des Adels bestehe
heute nur darin, daß er einen Teil der gebildeten Welt ausmache. Hier müsse
es seine Aufgabe sein, durch Feinheit der Formen, Reinheit der Sitten, Würde
- im äußern Auftreten und durch Gegnerschaft gegen einen protzenhaften Luxus
ein gutes Element der Gesellschaft zu bilden. Wenn aber Herr von Bogus¬
lawski darauf Wert legt, daß der Adel nicht aussterbe, sondern durch frisches
Blut aus dem Bürgerstande verjüngt werden müsse, so gestehen wir. für den
darin ausgesprochnen Gegensatz zwischen Adel und Bürgertum nur geringes
Verständnis zu haben. Wir bekennen uns vielmehr in dieser Frage durchaus
mit dem einverstanden, was ein nationalliberales Blatt im Hinblick auf den
eben erwähnten Vorschlag ausführt: Die Verleihung des Adels an bürgerliche
Familien sei natürlich wie jede andre vom Herrscher verliehene Auszeichnung
mit der gebührenden Achtung zu behandeln, aber auf größere Hochachtung
und Anerkennung dürfte der rechnen, der auf ein ihm angebotenes Adels-
prüdikat verzichte.


Vollkampf, nicht Scheinkampf

aber, wo dieser Staatsmann — Bismarck — fehlt, wo die Revolution und
der Partikularismus frecher und frecher ihr Haupt erheben, tritt der Mangel
eines Oberhauses immer schroffer hervor. Das aristokratische, das mäßigende
Element muß vertreten sein. Das Oberhaus ist um so notwendiger, je weniger
man daran denken kann, das allgemeine Stimmrecht den Massen wieder zu
nehmen. Allerdings würde mit der Errichtung eines solchen die ganze, leider
schon zu komplizirte Maschinerie des deutschen Reichs nicht einfacher, aber der
Vorzug, daß man einen Maschinenteil einsetzt, der die Maschine in ruhigem
Gang hält und ihrer Bewegung größere Sicherheit verleiht, muß den Aus¬
schlag geben. Ein aus der historischen Entwicklung herausgewachsenes Oberhaus,
wie das englische, läßt sich freilich nicht schaffen, aber eine andre Schöpfung,
etwa eine Wahl der Abgeordneten durch die Landtage der einzelnen Staaten
unter Zustimmung der Regierung wäre wohl denkbar. Wie in Frankreich und
England, kommt es wesentlich darauf an, eine Versammlung von reichen, ge¬
bildeten und sozial hochstehenden Männern zu haben, die ihr Veto und das
Gewicht ihres Daseins einem Reichstag wie dem jetzigen entgegensetzen können."
Wir waren bisher der Meinung, daß es im deutschen Reich eine Versammlung
gebe, die den Namen Bundesrat trügt, und der dnrch Artikel 7 der Reichs-
verfassung das Veto und noch einige andre Befugnisse zugewiesen sind, sür
die Herr von Boguslawski in die leider schon zu komplizirte Maschinerie noch
einen neuen Maschinenteil einsetzen will!

In dem folgenden Abschnitt, überschrieben „Adel und Bürgertum," steht
mancher beherzigenswerte Satz, der, wenn auch nicht gerade neu, so doch an
dieser Stelle besonders wirkungsvoll ist. Auch Herr von Boguslawski hält
jede Bevorzugung des Adels auf Kosten bürgerlicher Talente für verwerflich,
in der Armee sogar das Zusammendrängen des Adels in einzelnen Korps und
Regimentern sür schädlich. Die gesellschaftliche Stellung des Adels bestehe
heute nur darin, daß er einen Teil der gebildeten Welt ausmache. Hier müsse
es seine Aufgabe sein, durch Feinheit der Formen, Reinheit der Sitten, Würde
- im äußern Auftreten und durch Gegnerschaft gegen einen protzenhaften Luxus
ein gutes Element der Gesellschaft zu bilden. Wenn aber Herr von Bogus¬
lawski darauf Wert legt, daß der Adel nicht aussterbe, sondern durch frisches
Blut aus dem Bürgerstande verjüngt werden müsse, so gestehen wir. für den
darin ausgesprochnen Gegensatz zwischen Adel und Bürgertum nur geringes
Verständnis zu haben. Wir bekennen uns vielmehr in dieser Frage durchaus
mit dem einverstanden, was ein nationalliberales Blatt im Hinblick auf den
eben erwähnten Vorschlag ausführt: Die Verleihung des Adels an bürgerliche
Familien sei natürlich wie jede andre vom Herrscher verliehene Auszeichnung
mit der gebührenden Achtung zu behandeln, aber auf größere Hochachtung
und Anerkennung dürfte der rechnen, der auf ein ihm angebotenes Adels-
prüdikat verzichte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/14>, abgerufen am 24.08.2024.