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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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lassenen Gefangenen den Weg in die Kolonien. Die schlechten Subjekte gehen
dahin nicht, die bleiben im Lande, in der Nähe ihres Nestes; die bessern aber,
denen an ihrem Emporkommen etwas liegt, werden gern unter die Schwarzen
gehen, und viele werden darnach trachten, ihren Schild wieder blank zu machen.




Die deutsche Sprachinsel Gottschee

MH
M)er von Laibach aus, der Hauptstadt des österreichischen Kron¬
landes Krain, die nach Südosten laufende Fahrstraße verfolgt, ge¬
langt nach längerer Wanderung um Rande des tiefgrünen Lai¬
bacher Moores du res Mais- und Buch Weizenfelder, durch steil
emporsteigenden Laubwald, an dem von den schneebedeckten Felsen
der Julischen Alpen und der.Karawanken gekrönten Grafenschlosse Auersperg
vorüber in einen von Fichtenhochwald umschlossenen Thalgrund, in das Herzog¬
tum Gottschee, eine deutsche Sprachinsel, die mitten im slowenischen Krain fünf
Jahrhunderte hindurch mit standhafter Treue ihre alte deutsche Art und Sitte
bewahrt hat. Heute, wo wir nach glücklich wieder eroberter Einheit im Reiche
doppelten Grund hätten, mit stolzer Freude auch derer zu gedenken, die sich
mitten unter den anstürmenden feindlichen Gewalten fremder Nationalitüten den
Kern ihres Deutschtums nicht haben verkümmern lassen, sollten wir auch wohl
die Pflicht und die Kraft in uns spüren, diese versprengten deutschen Brüder
außerhalb der Reichsgrenze wenigstens an den geistigen Fäden, die sie bei aller
Not und Bedrängnis treu und fleißig weitergesponnen haben, mit aufmunternder
Teilnahme so nahe es geht an uns zu ziehen, und sollten aus diesem Grunde
jeden Versuch, der dem nationalen Gedanken der Zusammengehörigkeit dienen
möchte, mit Freuden begrüßen. Für die deutsche Sprachinsel Gottschee unter¬
nimmt dies ein vor kurzem von dem Privatdozenten der deutschen Sprache
und Litteratur an der Prager Universität, Dr. Adolf Hauffer, herausgegebnes
Buch, das die Geschichte der Gottscheer Ansiedlung, ihre Mundart, ihre Lebens¬
verhältnisse, ihre Sitten und ihre litterarischen Überlieferungen darstellt.*)

Die Sprachinsel Gottschee umfaßt heute 15 Geviertmeilen, auf denen
177 Ansiedlungen gezählt werden, mit 25000 nur deutschen Bewohnern, die
sich selbst als "Gottscheer" bezeichnen zum Unterschied von den "Krämern,"



*) Die deutsche Sprachinsel Gottschee. Geschichte und Mundart, Lebensverhält¬
nisse, Sitten und Gebräuche, Sage", Märchen und Lieder. Von Dr. Adolf Hauffer. Mit
vier Abbildungen und einer Sprachkarte. Graz, 189S.

lassenen Gefangenen den Weg in die Kolonien. Die schlechten Subjekte gehen
dahin nicht, die bleiben im Lande, in der Nähe ihres Nestes; die bessern aber,
denen an ihrem Emporkommen etwas liegt, werden gern unter die Schwarzen
gehen, und viele werden darnach trachten, ihren Schild wieder blank zu machen.




Die deutsche Sprachinsel Gottschee

MH
M)er von Laibach aus, der Hauptstadt des österreichischen Kron¬
landes Krain, die nach Südosten laufende Fahrstraße verfolgt, ge¬
langt nach längerer Wanderung um Rande des tiefgrünen Lai¬
bacher Moores du res Mais- und Buch Weizenfelder, durch steil
emporsteigenden Laubwald, an dem von den schneebedeckten Felsen
der Julischen Alpen und der.Karawanken gekrönten Grafenschlosse Auersperg
vorüber in einen von Fichtenhochwald umschlossenen Thalgrund, in das Herzog¬
tum Gottschee, eine deutsche Sprachinsel, die mitten im slowenischen Krain fünf
Jahrhunderte hindurch mit standhafter Treue ihre alte deutsche Art und Sitte
bewahrt hat. Heute, wo wir nach glücklich wieder eroberter Einheit im Reiche
doppelten Grund hätten, mit stolzer Freude auch derer zu gedenken, die sich
mitten unter den anstürmenden feindlichen Gewalten fremder Nationalitüten den
Kern ihres Deutschtums nicht haben verkümmern lassen, sollten wir auch wohl
die Pflicht und die Kraft in uns spüren, diese versprengten deutschen Brüder
außerhalb der Reichsgrenze wenigstens an den geistigen Fäden, die sie bei aller
Not und Bedrängnis treu und fleißig weitergesponnen haben, mit aufmunternder
Teilnahme so nahe es geht an uns zu ziehen, und sollten aus diesem Grunde
jeden Versuch, der dem nationalen Gedanken der Zusammengehörigkeit dienen
möchte, mit Freuden begrüßen. Für die deutsche Sprachinsel Gottschee unter¬
nimmt dies ein vor kurzem von dem Privatdozenten der deutschen Sprache
und Litteratur an der Prager Universität, Dr. Adolf Hauffer, herausgegebnes
Buch, das die Geschichte der Gottscheer Ansiedlung, ihre Mundart, ihre Lebens¬
verhältnisse, ihre Sitten und ihre litterarischen Überlieferungen darstellt.*)

Die Sprachinsel Gottschee umfaßt heute 15 Geviertmeilen, auf denen
177 Ansiedlungen gezählt werden, mit 25000 nur deutschen Bewohnern, die
sich selbst als „Gottscheer" bezeichnen zum Unterschied von den „Krämern,"



*) Die deutsche Sprachinsel Gottschee. Geschichte und Mundart, Lebensverhält¬
nisse, Sitten und Gebräuche, Sage», Märchen und Lieder. Von Dr. Adolf Hauffer. Mit
vier Abbildungen und einer Sprachkarte. Graz, 189S.
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[0131] lassenen Gefangenen den Weg in die Kolonien. Die schlechten Subjekte gehen dahin nicht, die bleiben im Lande, in der Nähe ihres Nestes; die bessern aber, denen an ihrem Emporkommen etwas liegt, werden gern unter die Schwarzen gehen, und viele werden darnach trachten, ihren Schild wieder blank zu machen. Die deutsche Sprachinsel Gottschee MH M)er von Laibach aus, der Hauptstadt des österreichischen Kron¬ landes Krain, die nach Südosten laufende Fahrstraße verfolgt, ge¬ langt nach längerer Wanderung um Rande des tiefgrünen Lai¬ bacher Moores du res Mais- und Buch Weizenfelder, durch steil emporsteigenden Laubwald, an dem von den schneebedeckten Felsen der Julischen Alpen und der.Karawanken gekrönten Grafenschlosse Auersperg vorüber in einen von Fichtenhochwald umschlossenen Thalgrund, in das Herzog¬ tum Gottschee, eine deutsche Sprachinsel, die mitten im slowenischen Krain fünf Jahrhunderte hindurch mit standhafter Treue ihre alte deutsche Art und Sitte bewahrt hat. Heute, wo wir nach glücklich wieder eroberter Einheit im Reiche doppelten Grund hätten, mit stolzer Freude auch derer zu gedenken, die sich mitten unter den anstürmenden feindlichen Gewalten fremder Nationalitüten den Kern ihres Deutschtums nicht haben verkümmern lassen, sollten wir auch wohl die Pflicht und die Kraft in uns spüren, diese versprengten deutschen Brüder außerhalb der Reichsgrenze wenigstens an den geistigen Fäden, die sie bei aller Not und Bedrängnis treu und fleißig weitergesponnen haben, mit aufmunternder Teilnahme so nahe es geht an uns zu ziehen, und sollten aus diesem Grunde jeden Versuch, der dem nationalen Gedanken der Zusammengehörigkeit dienen möchte, mit Freuden begrüßen. Für die deutsche Sprachinsel Gottschee unter¬ nimmt dies ein vor kurzem von dem Privatdozenten der deutschen Sprache und Litteratur an der Prager Universität, Dr. Adolf Hauffer, herausgegebnes Buch, das die Geschichte der Gottscheer Ansiedlung, ihre Mundart, ihre Lebens¬ verhältnisse, ihre Sitten und ihre litterarischen Überlieferungen darstellt.*) Die Sprachinsel Gottschee umfaßt heute 15 Geviertmeilen, auf denen 177 Ansiedlungen gezählt werden, mit 25000 nur deutschen Bewohnern, die sich selbst als „Gottscheer" bezeichnen zum Unterschied von den „Krämern," *) Die deutsche Sprachinsel Gottschee. Geschichte und Mundart, Lebensverhält¬ nisse, Sitten und Gebräuche, Sage», Märchen und Lieder. Von Dr. Adolf Hauffer. Mit vier Abbildungen und einer Sprachkarte. Graz, 189S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/131>, abgerufen am 22.12.2024.