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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

Von den ersten ist die bedeutendste Arbeit die berühmte "Selbstkritik," die Baum-
garten als Liberaler nach den Ereignissen von 1866, die er von Süddeutschland
(Karlsruhe) aus mehr beobachtet als erlebt hatte, an dem deutschen Liberalismus
vollzog. Das kirchenpolitische Gebiet betritt er als geschworner Gegner des Ultra¬
montanismus in dem Aussatz "Römische Triumphe" von 1387. Unter den historischen
Aufsätzen sind von besonderm Interesse die aus seinen Studien zur Geschichte Karls V.
und die aus seiner Straßburger Professur unmittelbar herausgewachsenen Arbeiten:
"Rede auf Jakob Sturm," den großen Bürgermeister der Reichsstadt, 1876 ge¬
halten, und "Straßburg vor der Reformation," 1879. Seinen Studien zur
modernen spanischen Geschichte, die er auf Anregung von G. Gervinus begann und
in seinem ersten großen selbständigen Werke zusammenfaßte, verdankt die schöne
Biographie des Don Gaspar Melchior de Jovellcmos, eines der edelsten Führer
der spanischen Aufklärungsbewegung um die Wende des achtzehnten und neunzehnten
Jahrhunderts, ihren Ursprung. Zur deutschen Litteraturgeschichte liefert der Vor¬
trag über "Herder und Georg Müller" (1372) einen wertvollen Beitrag.

Vor allem als ein Denkmal unsrer innern Entwicklungsgeschichte wird das
Buch seine Bedeutung behaupten. Das beigegebue Bildnis in Heliogravüre giebt
den Verfasser offenbar sehr charakteristisch wieder.




Unsre Freundin, die Conservative Correspondenz, scheint sich regelmäßig
mit den Grenzboten zu beschäftigen, wenigstens werden uns öfter Nummern der
Zeitschrift zugesandt, die Ausfälle auf uns enthalten. Wir haben über diesen ehren¬
werten Waschzettel, der "im Auftrag des Wahlvereins der deutschen Konservativen"
herausgegeben wird, schon einmal unsre Meinung gesagt und haben es deshalb für
überflüssig gehalten, uns weiter um ihn zu kümmern, um so mehr, als wir nie
bemerkt haben, daß die konservative Presse von seinen Auslassungen über die Grenz¬
boten Notiz nähme. Die neueste Nummer der Conservativen Correspondenz ent¬
hält aber einige so nette Sätze, daß wir sie unsern Lesern nicht vorenthalten
möchten. Nach einigen Zitaten aus unserm Artikel über die Umsturzvorlage aus
Heft 51 sagt sie:

Nach solchen Leistungen wird man die Grenzboten fortan unter die sozial¬
demokratischen Organe zu rechnen haben. Die Haltung zu bestimmen, die die
Grenzboten beobachten wollen, ist natürlich deren "Privatsache"; allein der "deut¬
schen Ehrlichkeit," die das Blatt so gern im Munde führt, entspräche es doch,
offen sich zur Sozialdemokratie zu bekennen, anstatt unter patriotischer Maske bei
den "staatserhaltenden" im Trüben zu fischen.

Nein, Conservative Correspondenz, wir fischen nicht im Trüben bei den
staatserhaltenden, und wir bekennen uns auch nicht zur Sozialdemokratie! Ganz
ehrlich nicht!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Von den ersten ist die bedeutendste Arbeit die berühmte „Selbstkritik," die Baum-
garten als Liberaler nach den Ereignissen von 1866, die er von Süddeutschland
(Karlsruhe) aus mehr beobachtet als erlebt hatte, an dem deutschen Liberalismus
vollzog. Das kirchenpolitische Gebiet betritt er als geschworner Gegner des Ultra¬
montanismus in dem Aussatz „Römische Triumphe" von 1387. Unter den historischen
Aufsätzen sind von besonderm Interesse die aus seinen Studien zur Geschichte Karls V.
und die aus seiner Straßburger Professur unmittelbar herausgewachsenen Arbeiten:
„Rede auf Jakob Sturm," den großen Bürgermeister der Reichsstadt, 1876 ge¬
halten, und „Straßburg vor der Reformation," 1879. Seinen Studien zur
modernen spanischen Geschichte, die er auf Anregung von G. Gervinus begann und
in seinem ersten großen selbständigen Werke zusammenfaßte, verdankt die schöne
Biographie des Don Gaspar Melchior de Jovellcmos, eines der edelsten Führer
der spanischen Aufklärungsbewegung um die Wende des achtzehnten und neunzehnten
Jahrhunderts, ihren Ursprung. Zur deutschen Litteraturgeschichte liefert der Vor¬
trag über „Herder und Georg Müller" (1372) einen wertvollen Beitrag.

Vor allem als ein Denkmal unsrer innern Entwicklungsgeschichte wird das
Buch seine Bedeutung behaupten. Das beigegebue Bildnis in Heliogravüre giebt
den Verfasser offenbar sehr charakteristisch wieder.




Unsre Freundin, die Conservative Correspondenz, scheint sich regelmäßig
mit den Grenzboten zu beschäftigen, wenigstens werden uns öfter Nummern der
Zeitschrift zugesandt, die Ausfälle auf uns enthalten. Wir haben über diesen ehren¬
werten Waschzettel, der „im Auftrag des Wahlvereins der deutschen Konservativen"
herausgegeben wird, schon einmal unsre Meinung gesagt und haben es deshalb für
überflüssig gehalten, uns weiter um ihn zu kümmern, um so mehr, als wir nie
bemerkt haben, daß die konservative Presse von seinen Auslassungen über die Grenz¬
boten Notiz nähme. Die neueste Nummer der Conservativen Correspondenz ent¬
hält aber einige so nette Sätze, daß wir sie unsern Lesern nicht vorenthalten
möchten. Nach einigen Zitaten aus unserm Artikel über die Umsturzvorlage aus
Heft 51 sagt sie:

Nach solchen Leistungen wird man die Grenzboten fortan unter die sozial¬
demokratischen Organe zu rechnen haben. Die Haltung zu bestimmen, die die
Grenzboten beobachten wollen, ist natürlich deren „Privatsache"; allein der „deut¬
schen Ehrlichkeit," die das Blatt so gern im Munde führt, entspräche es doch,
offen sich zur Sozialdemokratie zu bekennen, anstatt unter patriotischer Maske bei
den „staatserhaltenden" im Trüben zu fischen.

Nein, Conservative Correspondenz, wir fischen nicht im Trüben bei den
staatserhaltenden, und wir bekennen uns auch nicht zur Sozialdemokratie! Ganz
ehrlich nicht!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0056] Litteratur Von den ersten ist die bedeutendste Arbeit die berühmte „Selbstkritik," die Baum- garten als Liberaler nach den Ereignissen von 1866, die er von Süddeutschland (Karlsruhe) aus mehr beobachtet als erlebt hatte, an dem deutschen Liberalismus vollzog. Das kirchenpolitische Gebiet betritt er als geschworner Gegner des Ultra¬ montanismus in dem Aussatz „Römische Triumphe" von 1387. Unter den historischen Aufsätzen sind von besonderm Interesse die aus seinen Studien zur Geschichte Karls V. und die aus seiner Straßburger Professur unmittelbar herausgewachsenen Arbeiten: „Rede auf Jakob Sturm," den großen Bürgermeister der Reichsstadt, 1876 ge¬ halten, und „Straßburg vor der Reformation," 1879. Seinen Studien zur modernen spanischen Geschichte, die er auf Anregung von G. Gervinus begann und in seinem ersten großen selbständigen Werke zusammenfaßte, verdankt die schöne Biographie des Don Gaspar Melchior de Jovellcmos, eines der edelsten Führer der spanischen Aufklärungsbewegung um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, ihren Ursprung. Zur deutschen Litteraturgeschichte liefert der Vor¬ trag über „Herder und Georg Müller" (1372) einen wertvollen Beitrag. Vor allem als ein Denkmal unsrer innern Entwicklungsgeschichte wird das Buch seine Bedeutung behaupten. Das beigegebue Bildnis in Heliogravüre giebt den Verfasser offenbar sehr charakteristisch wieder. Unsre Freundin, die Conservative Correspondenz, scheint sich regelmäßig mit den Grenzboten zu beschäftigen, wenigstens werden uns öfter Nummern der Zeitschrift zugesandt, die Ausfälle auf uns enthalten. Wir haben über diesen ehren¬ werten Waschzettel, der „im Auftrag des Wahlvereins der deutschen Konservativen" herausgegeben wird, schon einmal unsre Meinung gesagt und haben es deshalb für überflüssig gehalten, uns weiter um ihn zu kümmern, um so mehr, als wir nie bemerkt haben, daß die konservative Presse von seinen Auslassungen über die Grenz¬ boten Notiz nähme. Die neueste Nummer der Conservativen Correspondenz ent¬ hält aber einige so nette Sätze, daß wir sie unsern Lesern nicht vorenthalten möchten. Nach einigen Zitaten aus unserm Artikel über die Umsturzvorlage aus Heft 51 sagt sie: Nach solchen Leistungen wird man die Grenzboten fortan unter die sozial¬ demokratischen Organe zu rechnen haben. Die Haltung zu bestimmen, die die Grenzboten beobachten wollen, ist natürlich deren „Privatsache"; allein der „deut¬ schen Ehrlichkeit," die das Blatt so gern im Munde führt, entspräche es doch, offen sich zur Sozialdemokratie zu bekennen, anstatt unter patriotischer Maske bei den „staatserhaltenden" im Trüben zu fischen. Nein, Conservative Correspondenz, wir fischen nicht im Trüben bei den staatserhaltenden, und wir bekennen uns auch nicht zur Sozialdemokratie! Ganz ehrlich nicht! Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/56>, abgerufen am 22.07.2024.