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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Wald und Waffer

dadurch in den Stand gesetzt oder veranlaßt, seine Grundstücke von Jahr zu
Jahr vernünftiger und gewinnbringender zu bearbeiten. Er macht alles urbar,
wo irgend Ackerkrume zu erzeugen ist. Die vermehrten Abfälle und Dünger¬
stätten ersetzen ihm die teuern künstlichen Düngemittel. Damit schreiten aber
zugleich stetig die Entwaldung und die Entwässerung fort, wie sich in neuerer
Zeit am auffallendsten in Gebirgslandschaften zeigt. Den Städten rückt der
Wald immer serner. Ortschaften, die früher reine Walddörfer waren, weisen
heute breite, wohlnngebante Ackerflächen auf.

Ist aber diese Entwicklung der Verhältnisse für den einzelnen von Nutzen,
so macht doch der Volkswirt, dem das Wohl des gesamten Vaterlandes am
Herzen liegt, ein um so bedenklicheres Gesicht. Mit der Ausrottung der
Wälder, Sümpfe und Landseen, sagt er, entwickeln sich ungünstige Feuchtig¬
keitsverhältnisse. Die Niederschläge erfolgen ungleichmäßig, ruckweise, die Ab¬
flüsse sturzweise. Die Quellen versiegen! die Flüsse sind monatelang wasser¬
arm. Oft halten beide Erscheinungen lange Zeit an, länger, als es für die
Landwirtschaft und die Wasserindustrie, teilweise auch für die Schiffahrt
wünschenswert ist.

Die Wälder steht man als Regulatoren der Wasserverhältnisse an. Die
Niederschlüge finden infolge der über den Wäldern aufsteigenden hemmenden
Luftschichten regelmäßiger statt. Die Verdunstung geht langsamer vor sich;
Quellen und Rinnsale bleiben dauernd gefüllt u. s. f. Alles dieses fehlt, wo
die Wälder fehlen. Gewitterschäden, Wolkenbrüche, Hagel, Überschwemmungen,
dann wieder dürre Zeiten mehren sich in dem Maße, als die Waldbestände
abnehmen.

Als klassische Beispiele pflegt man die gegenwärtige Wasferarmut des
einst so reich gesegneten Palästina, verursacht durch die Abholznng des Libanon,
sowie die landwirtschaftlichen Zustände Mittel- und Unteritaliens infolge der
planmäßigen Verwüstung der Appeninwälder anzuführen. Ob mit aus¬
reichender volkswirtschaftlicher, geologischer und meteorologischer Begründung,
lassen wir dahingestellt. Unleugbar bleibt der günstige Einfluß des Waldes
auf regelmäßige Bewässerung.

Fürsorgende Staatsmänner lassen es sich daher mit Recht angelegen sein,
möglichst viele Waldflächen, die im Besitze von Privaten dem Untergange ent¬
gegengehen würden, für den Staat anzukaufen, um sie für das Gesamtwohl
zu retten. So besitzt das Königreich Sachsen, besouders auf den Bergen an
seiner Südseite, einen ausgedehnten Waldbestand. Seine stetige Vermehrung
ist an sich gewiß lobenswert, und doch hat auch das Übergehen der Privat-
waldnngen in den Staatsbesitz seine bedenkliche Seite.

Ans Bauernwaldungen werden Staatsforsten. Der wesentliche Unterschied
zwischen beiden Arten fällt selbst dem Laien sofort in die Augen. Während
die Bauernwälder vielfach wild, fast ohne jegliche Pflege aufwachsen, ist in den


Wald und Waffer

dadurch in den Stand gesetzt oder veranlaßt, seine Grundstücke von Jahr zu
Jahr vernünftiger und gewinnbringender zu bearbeiten. Er macht alles urbar,
wo irgend Ackerkrume zu erzeugen ist. Die vermehrten Abfälle und Dünger¬
stätten ersetzen ihm die teuern künstlichen Düngemittel. Damit schreiten aber
zugleich stetig die Entwaldung und die Entwässerung fort, wie sich in neuerer
Zeit am auffallendsten in Gebirgslandschaften zeigt. Den Städten rückt der
Wald immer serner. Ortschaften, die früher reine Walddörfer waren, weisen
heute breite, wohlnngebante Ackerflächen auf.

Ist aber diese Entwicklung der Verhältnisse für den einzelnen von Nutzen,
so macht doch der Volkswirt, dem das Wohl des gesamten Vaterlandes am
Herzen liegt, ein um so bedenklicheres Gesicht. Mit der Ausrottung der
Wälder, Sümpfe und Landseen, sagt er, entwickeln sich ungünstige Feuchtig¬
keitsverhältnisse. Die Niederschläge erfolgen ungleichmäßig, ruckweise, die Ab¬
flüsse sturzweise. Die Quellen versiegen! die Flüsse sind monatelang wasser¬
arm. Oft halten beide Erscheinungen lange Zeit an, länger, als es für die
Landwirtschaft und die Wasserindustrie, teilweise auch für die Schiffahrt
wünschenswert ist.

Die Wälder steht man als Regulatoren der Wasserverhältnisse an. Die
Niederschlüge finden infolge der über den Wäldern aufsteigenden hemmenden
Luftschichten regelmäßiger statt. Die Verdunstung geht langsamer vor sich;
Quellen und Rinnsale bleiben dauernd gefüllt u. s. f. Alles dieses fehlt, wo
die Wälder fehlen. Gewitterschäden, Wolkenbrüche, Hagel, Überschwemmungen,
dann wieder dürre Zeiten mehren sich in dem Maße, als die Waldbestände
abnehmen.

Als klassische Beispiele pflegt man die gegenwärtige Wasferarmut des
einst so reich gesegneten Palästina, verursacht durch die Abholznng des Libanon,
sowie die landwirtschaftlichen Zustände Mittel- und Unteritaliens infolge der
planmäßigen Verwüstung der Appeninwälder anzuführen. Ob mit aus¬
reichender volkswirtschaftlicher, geologischer und meteorologischer Begründung,
lassen wir dahingestellt. Unleugbar bleibt der günstige Einfluß des Waldes
auf regelmäßige Bewässerung.

Fürsorgende Staatsmänner lassen es sich daher mit Recht angelegen sein,
möglichst viele Waldflächen, die im Besitze von Privaten dem Untergange ent¬
gegengehen würden, für den Staat anzukaufen, um sie für das Gesamtwohl
zu retten. So besitzt das Königreich Sachsen, besouders auf den Bergen an
seiner Südseite, einen ausgedehnten Waldbestand. Seine stetige Vermehrung
ist an sich gewiß lobenswert, und doch hat auch das Übergehen der Privat-
waldnngen in den Staatsbesitz seine bedenkliche Seite.

Ans Bauernwaldungen werden Staatsforsten. Der wesentliche Unterschied
zwischen beiden Arten fällt selbst dem Laien sofort in die Augen. Während
die Bauernwälder vielfach wild, fast ohne jegliche Pflege aufwachsen, ist in den


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[0521] Wald und Waffer dadurch in den Stand gesetzt oder veranlaßt, seine Grundstücke von Jahr zu Jahr vernünftiger und gewinnbringender zu bearbeiten. Er macht alles urbar, wo irgend Ackerkrume zu erzeugen ist. Die vermehrten Abfälle und Dünger¬ stätten ersetzen ihm die teuern künstlichen Düngemittel. Damit schreiten aber zugleich stetig die Entwaldung und die Entwässerung fort, wie sich in neuerer Zeit am auffallendsten in Gebirgslandschaften zeigt. Den Städten rückt der Wald immer serner. Ortschaften, die früher reine Walddörfer waren, weisen heute breite, wohlnngebante Ackerflächen auf. Ist aber diese Entwicklung der Verhältnisse für den einzelnen von Nutzen, so macht doch der Volkswirt, dem das Wohl des gesamten Vaterlandes am Herzen liegt, ein um so bedenklicheres Gesicht. Mit der Ausrottung der Wälder, Sümpfe und Landseen, sagt er, entwickeln sich ungünstige Feuchtig¬ keitsverhältnisse. Die Niederschläge erfolgen ungleichmäßig, ruckweise, die Ab¬ flüsse sturzweise. Die Quellen versiegen! die Flüsse sind monatelang wasser¬ arm. Oft halten beide Erscheinungen lange Zeit an, länger, als es für die Landwirtschaft und die Wasserindustrie, teilweise auch für die Schiffahrt wünschenswert ist. Die Wälder steht man als Regulatoren der Wasserverhältnisse an. Die Niederschlüge finden infolge der über den Wäldern aufsteigenden hemmenden Luftschichten regelmäßiger statt. Die Verdunstung geht langsamer vor sich; Quellen und Rinnsale bleiben dauernd gefüllt u. s. f. Alles dieses fehlt, wo die Wälder fehlen. Gewitterschäden, Wolkenbrüche, Hagel, Überschwemmungen, dann wieder dürre Zeiten mehren sich in dem Maße, als die Waldbestände abnehmen. Als klassische Beispiele pflegt man die gegenwärtige Wasferarmut des einst so reich gesegneten Palästina, verursacht durch die Abholznng des Libanon, sowie die landwirtschaftlichen Zustände Mittel- und Unteritaliens infolge der planmäßigen Verwüstung der Appeninwälder anzuführen. Ob mit aus¬ reichender volkswirtschaftlicher, geologischer und meteorologischer Begründung, lassen wir dahingestellt. Unleugbar bleibt der günstige Einfluß des Waldes auf regelmäßige Bewässerung. Fürsorgende Staatsmänner lassen es sich daher mit Recht angelegen sein, möglichst viele Waldflächen, die im Besitze von Privaten dem Untergange ent¬ gegengehen würden, für den Staat anzukaufen, um sie für das Gesamtwohl zu retten. So besitzt das Königreich Sachsen, besouders auf den Bergen an seiner Südseite, einen ausgedehnten Waldbestand. Seine stetige Vermehrung ist an sich gewiß lobenswert, und doch hat auch das Übergehen der Privat- waldnngen in den Staatsbesitz seine bedenkliche Seite. Ans Bauernwaldungen werden Staatsforsten. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Arten fällt selbst dem Laien sofort in die Augen. Während die Bauernwälder vielfach wild, fast ohne jegliche Pflege aufwachsen, ist in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/521>, abgerufen am 23.07.2024.