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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-japanische Beziehungen

Sie haben am 16. Juli 1894 einen neuen Handels- und Schiffahrtsvertrag
abgeschlossen. Darin geben sie die Exterritorialität ihrer Landsleute kurzweg
auf, dafür erhalte" sie Zutritt in das ganze Land, müssen aber die Streitig¬
keiten den japanischen Gerichten unterbreiten. Die englischen Kaufleute, die sich
unter dem Schutze des alten Vertrags in den eröffneten Häfen niedergelassen
hatten und ein recht, einträgliches Geschäft betrieben, sind damit gar nicht ein¬
verstanden, weil der neue Vertrag ihre Lage verschlechtert. Bisher waren sie
ihre eignen Herren und frei von den Gesetzen des Landes, sie standen nur unter
der Gerichtsbarkeit der Konsuln, die sich so gut wie gar nicht bemerkbar machte;
nun werden sie unter die japanischen Gerichtshöfe gestellt.

Ebenso verurteilen die deutschen Kaufleute in den Vertragshäfen das neue
englische Abkommen. Sie haben, als sie von dem Beginn von Verhandlungen
zwischen Deutschland und Japan hörten, sofort eine Note an das Auswärtige
Amt in Berlin gesandt und laut dagegen Widerspruch erhoben. Trotzdem
wird wohl ein neuer Bertrag zwischen Deutschland und Japan zu stände kommen,
und zwar unter denselben Bedingungen wie der englische, denn das erfordert
die Gerechtigkeit. Daß unter dem Schutze der alten Verträge und zwar infolge
der Exterritorialität durch die fremden Kaufleute mancherlei Gesetzwidriges ge¬
schehen ist, beweist eine Schrift, die ein Hamburger veröffentlicht hat, der über
zwanzig Jahre in Japan als Kaufmann gelebt hat.") Er erzählt mit sicht¬
lichem Behagen von den großartigen Schmuggeleien, durch die der japanische
Staat jahrelang von den fremden Kaufleuten um die Zölle betrogen worden
ist, und von Ungehörigkeiten ähnlicher Art.

Wollte Deutschland den Abschluß eines neuen Vertrags Japan vorenthalten,
so würden die stolzen Japaner in uns Feinde sehen, die sie an der Ausübung
der Rechtspflege im eignen Lande verhindern wollen. Nichts würde sicherer
das Band, das zwischen Deutschland und Japan geknüpft ist, zerreißen, als
wenn unsre Regierung zu Gunsten der Kaufleute an dem alten Vertrage fest¬
halten wollte. Und nicht am wenigsten würde der deutsche Handel darunter
leiden, denn dessen könnte man gewiß sein, daß die Japaner dann einem deut¬
schen Kaufmanne nichts mehr abnehmen würden. Sie würden ihr ganzes
Wohlwollen den Engländern zuwenden, die zuerst auf ihren Wunsch ein¬
gegangen sind.

Was endlich den deutschen Handel anlangt, so ist dieser von Jahr zu
Jahr mehr gestiegen. Ungefähr zweihundert deutsche Kaufleute werden jetzt in
den verschiednen Vertragshäfen sitzen. Von den mit Japan handeltreibenden
Mächten steht Deutschland an dritter Stelle, und zwar kommt es nach Gro߬
britannien und den Vereinigten Staaten. Im Jahre 1392 belief sich der Wert



*) Arwed Solano, Kontorrock und Konsulatsmütze. Zweite Auflage. Hamburg,
O. Meißner, 1890.
Deutsch-japanische Beziehungen

Sie haben am 16. Juli 1894 einen neuen Handels- und Schiffahrtsvertrag
abgeschlossen. Darin geben sie die Exterritorialität ihrer Landsleute kurzweg
auf, dafür erhalte» sie Zutritt in das ganze Land, müssen aber die Streitig¬
keiten den japanischen Gerichten unterbreiten. Die englischen Kaufleute, die sich
unter dem Schutze des alten Vertrags in den eröffneten Häfen niedergelassen
hatten und ein recht, einträgliches Geschäft betrieben, sind damit gar nicht ein¬
verstanden, weil der neue Vertrag ihre Lage verschlechtert. Bisher waren sie
ihre eignen Herren und frei von den Gesetzen des Landes, sie standen nur unter
der Gerichtsbarkeit der Konsuln, die sich so gut wie gar nicht bemerkbar machte;
nun werden sie unter die japanischen Gerichtshöfe gestellt.

Ebenso verurteilen die deutschen Kaufleute in den Vertragshäfen das neue
englische Abkommen. Sie haben, als sie von dem Beginn von Verhandlungen
zwischen Deutschland und Japan hörten, sofort eine Note an das Auswärtige
Amt in Berlin gesandt und laut dagegen Widerspruch erhoben. Trotzdem
wird wohl ein neuer Bertrag zwischen Deutschland und Japan zu stände kommen,
und zwar unter denselben Bedingungen wie der englische, denn das erfordert
die Gerechtigkeit. Daß unter dem Schutze der alten Verträge und zwar infolge
der Exterritorialität durch die fremden Kaufleute mancherlei Gesetzwidriges ge¬
schehen ist, beweist eine Schrift, die ein Hamburger veröffentlicht hat, der über
zwanzig Jahre in Japan als Kaufmann gelebt hat.") Er erzählt mit sicht¬
lichem Behagen von den großartigen Schmuggeleien, durch die der japanische
Staat jahrelang von den fremden Kaufleuten um die Zölle betrogen worden
ist, und von Ungehörigkeiten ähnlicher Art.

Wollte Deutschland den Abschluß eines neuen Vertrags Japan vorenthalten,
so würden die stolzen Japaner in uns Feinde sehen, die sie an der Ausübung
der Rechtspflege im eignen Lande verhindern wollen. Nichts würde sicherer
das Band, das zwischen Deutschland und Japan geknüpft ist, zerreißen, als
wenn unsre Regierung zu Gunsten der Kaufleute an dem alten Vertrage fest¬
halten wollte. Und nicht am wenigsten würde der deutsche Handel darunter
leiden, denn dessen könnte man gewiß sein, daß die Japaner dann einem deut¬
schen Kaufmanne nichts mehr abnehmen würden. Sie würden ihr ganzes
Wohlwollen den Engländern zuwenden, die zuerst auf ihren Wunsch ein¬
gegangen sind.

Was endlich den deutschen Handel anlangt, so ist dieser von Jahr zu
Jahr mehr gestiegen. Ungefähr zweihundert deutsche Kaufleute werden jetzt in
den verschiednen Vertragshäfen sitzen. Von den mit Japan handeltreibenden
Mächten steht Deutschland an dritter Stelle, und zwar kommt es nach Gro߬
britannien und den Vereinigten Staaten. Im Jahre 1392 belief sich der Wert



*) Arwed Solano, Kontorrock und Konsulatsmütze. Zweite Auflage. Hamburg,
O. Meißner, 1890.
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[0354] Deutsch-japanische Beziehungen Sie haben am 16. Juli 1894 einen neuen Handels- und Schiffahrtsvertrag abgeschlossen. Darin geben sie die Exterritorialität ihrer Landsleute kurzweg auf, dafür erhalte» sie Zutritt in das ganze Land, müssen aber die Streitig¬ keiten den japanischen Gerichten unterbreiten. Die englischen Kaufleute, die sich unter dem Schutze des alten Vertrags in den eröffneten Häfen niedergelassen hatten und ein recht, einträgliches Geschäft betrieben, sind damit gar nicht ein¬ verstanden, weil der neue Vertrag ihre Lage verschlechtert. Bisher waren sie ihre eignen Herren und frei von den Gesetzen des Landes, sie standen nur unter der Gerichtsbarkeit der Konsuln, die sich so gut wie gar nicht bemerkbar machte; nun werden sie unter die japanischen Gerichtshöfe gestellt. Ebenso verurteilen die deutschen Kaufleute in den Vertragshäfen das neue englische Abkommen. Sie haben, als sie von dem Beginn von Verhandlungen zwischen Deutschland und Japan hörten, sofort eine Note an das Auswärtige Amt in Berlin gesandt und laut dagegen Widerspruch erhoben. Trotzdem wird wohl ein neuer Bertrag zwischen Deutschland und Japan zu stände kommen, und zwar unter denselben Bedingungen wie der englische, denn das erfordert die Gerechtigkeit. Daß unter dem Schutze der alten Verträge und zwar infolge der Exterritorialität durch die fremden Kaufleute mancherlei Gesetzwidriges ge¬ schehen ist, beweist eine Schrift, die ein Hamburger veröffentlicht hat, der über zwanzig Jahre in Japan als Kaufmann gelebt hat.") Er erzählt mit sicht¬ lichem Behagen von den großartigen Schmuggeleien, durch die der japanische Staat jahrelang von den fremden Kaufleuten um die Zölle betrogen worden ist, und von Ungehörigkeiten ähnlicher Art. Wollte Deutschland den Abschluß eines neuen Vertrags Japan vorenthalten, so würden die stolzen Japaner in uns Feinde sehen, die sie an der Ausübung der Rechtspflege im eignen Lande verhindern wollen. Nichts würde sicherer das Band, das zwischen Deutschland und Japan geknüpft ist, zerreißen, als wenn unsre Regierung zu Gunsten der Kaufleute an dem alten Vertrage fest¬ halten wollte. Und nicht am wenigsten würde der deutsche Handel darunter leiden, denn dessen könnte man gewiß sein, daß die Japaner dann einem deut¬ schen Kaufmanne nichts mehr abnehmen würden. Sie würden ihr ganzes Wohlwollen den Engländern zuwenden, die zuerst auf ihren Wunsch ein¬ gegangen sind. Was endlich den deutschen Handel anlangt, so ist dieser von Jahr zu Jahr mehr gestiegen. Ungefähr zweihundert deutsche Kaufleute werden jetzt in den verschiednen Vertragshäfen sitzen. Von den mit Japan handeltreibenden Mächten steht Deutschland an dritter Stelle, und zwar kommt es nach Gro߬ britannien und den Vereinigten Staaten. Im Jahre 1392 belief sich der Wert *) Arwed Solano, Kontorrock und Konsulatsmütze. Zweite Auflage. Hamburg, O. Meißner, 1890.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/354>, abgerufen am 22.07.2024.