Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Die neueste Auflage der Geflügelten Worte beiden mythologischen und historischen Metaphern, denen ich die Berechtigung, Daß Büchmann von vornherein die Sprichwörter ausgeschlossen hat, war Doch genug der Ausstellungen, die den Wert des trefflichen Buches nicht Y- Blümner Die neueste Auflage der Geflügelten Worte beiden mythologischen und historischen Metaphern, denen ich die Berechtigung, Daß Büchmann von vornherein die Sprichwörter ausgeschlossen hat, war Doch genug der Ausstellungen, die den Wert des trefflichen Buches nicht Y- Blümner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219328"/> <fw type="header" place="top"> Die neueste Auflage der Geflügelten Worte</fw><lb/> <p xml:id="ID_954" prev="#ID_953"> beiden mythologischen und historischen Metaphern, denen ich die Berechtigung,<lb/> in diesem Buche zu stehen, entschieden bestreite. Sie stehen bei BüchMann<lb/> namentlich im neunten Kapitel: Zitate aus griechischen Schriftstellern, im elften<lb/> Kapitel: Geschichtliche Zitate und im zwölften Kapitel: Zitate aus Sagen und<lb/> Volksmärchen; das letzte Kapitel enthält auf 22 Seiten kaum ein paar wirk¬<lb/> liche Zitate. Meiner Meinung nach thäte der Herausgeber am besten, all<lb/> diese nicht hierher gehörigen Dinge herauszuheben und entweder als Anhang<lb/> (dann aber auch im Zusammenhang, nicht, wie jetzt, in einzelnen Kapiteln<lb/> getrennt) oder noch besser als besondres Büchlein herauszugeben. Dann wird<lb/> sich die Zahl dieser aus Bibel und Sage, Märchen und Fabeln, Geschichte<lb/> und Litteratur entnommnen Typen noch ganz bedeutend vermehren lassen.<lb/> Denn konsequent in der Aufnahme derartiger Wörter ist der gegenwärtige<lb/> Büchmann keineswegs; so fehlen z. B- in den mythologischen Metaphern Chaos,<lb/> Titan (titanisch), Prometheusfunken, phaethontischer Flug, Odyssee, eyklopisch,<lb/> Harpyie und viele andre; ebenso wenig sieht man ein, weshalb, wenn Othello<lb/> als Typus der Eifersucht, Tartüffe als der der Heuchelei zugelassen werden,<lb/> Hamlet, Harpagvn, Mephisto, Werther u. s. w. fehlen sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_955"> Daß Büchmann von vornherein die Sprichwörter ausgeschlossen hat, war<lb/> richtig und selbstverständlich; aber völlig konsequent ist das Buch auch darin<lb/> nicht. Es ist wohl so gut wie sicher, daß der Freidank „Neue Besen kehren<lb/> gut," Herbert von Fritzlar das „fünfte Rad am Wagen," Gottfried von<lb/> Straßburg „den Mantel nach dem Winde tragen" nicht erfunden, sondern<lb/> aus dem Sprichwörterschatze ihrer Zeit entnommen haben. Dasselbe gilt von<lb/> vielen lateinischen Zitaten, wie z. B. luniexl. xroxior pAUso, Impns w tadulg,<lb/> Affe-lo quick vssxer ssius volat u. dergl. in. Denn natürlich begegnen uns<lb/> diese Sprichwörter bei irgend einem Schriftsteller zum erstenmal, aber dieser<lb/> hat sie nicht geprägt, sondern selbst nur benutzt; es sind also auch keine Zitate<lb/> im strengen Wortsinn.</p><lb/> <p xml:id="ID_956"> Doch genug der Ausstellungen, die den Wert des trefflichen Buches nicht<lb/> herabsetzen können noch sollen. Im allgemeinen ist das, was man noch vermißt,<lb/> verhältnismäßig sehr wenig gegenüber der Fülle des Gebvtnen, und das, was<lb/> zu viel ist, wird trotzdem manchem Leser willkommen sein. Soll ich am Schluß<lb/> noch einen Wunsch für künftige Ausgaben aussprechen, so wäre es der, daß<lb/> der Herausgeber noch etwas mehr Berücksichtigung zu teil werden lasse dem<lb/> Kommersbuch, der modernen Oper und — dem gottbegnadeter Schöpfer ge¬<lb/> flügelter Worte, dem Fürsten Bismarck.</p><lb/> <note type="byline"> Y- Blümner</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0326]
Die neueste Auflage der Geflügelten Worte
beiden mythologischen und historischen Metaphern, denen ich die Berechtigung,
in diesem Buche zu stehen, entschieden bestreite. Sie stehen bei BüchMann
namentlich im neunten Kapitel: Zitate aus griechischen Schriftstellern, im elften
Kapitel: Geschichtliche Zitate und im zwölften Kapitel: Zitate aus Sagen und
Volksmärchen; das letzte Kapitel enthält auf 22 Seiten kaum ein paar wirk¬
liche Zitate. Meiner Meinung nach thäte der Herausgeber am besten, all
diese nicht hierher gehörigen Dinge herauszuheben und entweder als Anhang
(dann aber auch im Zusammenhang, nicht, wie jetzt, in einzelnen Kapiteln
getrennt) oder noch besser als besondres Büchlein herauszugeben. Dann wird
sich die Zahl dieser aus Bibel und Sage, Märchen und Fabeln, Geschichte
und Litteratur entnommnen Typen noch ganz bedeutend vermehren lassen.
Denn konsequent in der Aufnahme derartiger Wörter ist der gegenwärtige
Büchmann keineswegs; so fehlen z. B- in den mythologischen Metaphern Chaos,
Titan (titanisch), Prometheusfunken, phaethontischer Flug, Odyssee, eyklopisch,
Harpyie und viele andre; ebenso wenig sieht man ein, weshalb, wenn Othello
als Typus der Eifersucht, Tartüffe als der der Heuchelei zugelassen werden,
Hamlet, Harpagvn, Mephisto, Werther u. s. w. fehlen sollen.
Daß Büchmann von vornherein die Sprichwörter ausgeschlossen hat, war
richtig und selbstverständlich; aber völlig konsequent ist das Buch auch darin
nicht. Es ist wohl so gut wie sicher, daß der Freidank „Neue Besen kehren
gut," Herbert von Fritzlar das „fünfte Rad am Wagen," Gottfried von
Straßburg „den Mantel nach dem Winde tragen" nicht erfunden, sondern
aus dem Sprichwörterschatze ihrer Zeit entnommen haben. Dasselbe gilt von
vielen lateinischen Zitaten, wie z. B. luniexl. xroxior pAUso, Impns w tadulg,
Affe-lo quick vssxer ssius volat u. dergl. in. Denn natürlich begegnen uns
diese Sprichwörter bei irgend einem Schriftsteller zum erstenmal, aber dieser
hat sie nicht geprägt, sondern selbst nur benutzt; es sind also auch keine Zitate
im strengen Wortsinn.
Doch genug der Ausstellungen, die den Wert des trefflichen Buches nicht
herabsetzen können noch sollen. Im allgemeinen ist das, was man noch vermißt,
verhältnismäßig sehr wenig gegenüber der Fülle des Gebvtnen, und das, was
zu viel ist, wird trotzdem manchem Leser willkommen sein. Soll ich am Schluß
noch einen Wunsch für künftige Ausgaben aussprechen, so wäre es der, daß
der Herausgeber noch etwas mehr Berücksichtigung zu teil werden lasse dem
Kommersbuch, der modernen Oper und — dem gottbegnadeter Schöpfer ge¬
flügelter Worte, dem Fürsten Bismarck.
Y- Blümner
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