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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die neueste Auflage der Geflügelten Vorke

Frau mochte befürchten, das; sich der Vortragende eine Taktlosigkeit könnte zu
schulden kommen lassen, was durchaus nicht der Fall war. Aber weder die
Königin noch der schlichte Oberlehrer hatten damals eine Ahnung davon, in
welch erschütternder Weise das Wort des Staatsmanns dereinst zur That und
Wahrheit werden sollte.

Noch in demselben Jahre gab Büchmann sein Buch: "Geflügelte Worte.
Der Zitatenschatz des deutschen Volkes" heraus, das in seiner praktischen
Anlage und weil es in der That einem Bedürfnis entgegenkam, überall freudige
Aufnahme fand, einen wahren Triumphzug durch die deutschen Lande antrat
und Auflage aus Auflage erlebte. Als Büchmann 1884 starb, war die drei¬
zehnte erschienen; jetzt liegt uns die achtzehnte vor (Berlin, Hände und Spener,
1895), nach des Verfassers Tode fortgesetzt von Walter Robert-tornow.
Nicht weniger als 100000 Exemplare sind mit diesen achtzehn Auflagen in
die Hände des Publikums gelangt. Unzähligen ist der "Büchmann" ein un¬
entbehrliches Hilfs- und Nachschlagebuch geworden, bei dem man selten ver¬
gebens um Rat fragt, bei Tausenden von Wetten hat seine Autorität den
Ausschlag gegeben, und es giebt nicht wenig Redner, die, ehe sie eine An¬
sprache halten oder einen Trinkspruch ausbringen, sich erst durch einige Seiten
Büchmann hinreichend mit Zitaten versehen. Die Bedeutung des Buches ist
aber damit nicht erschöpft: es ist nicht nur ein bequemes Nachschlagebuch,
sondern in der That eine wertvolle wissenschaftliche Leistung. Welche um¬
fassende Lektüre, welch zeitraubendes Suchen und Forschen war in zahlreichen
Fällen nötig, um manchen Zitaten bis auf ihre erste Quelle nachzugehen, die
richtige Form festzustellen, Entstellungen nachzuweisen, Parallelen herbei¬
zuschaffen! Bleibt auch in dieser Hinsicht noch immer Arbeit genug für die
Zukunft übrig, so können doch eine ganze Anzahl Fragen der Art, für die
mau vorher nirgends eine befriedigende Antwort fand, als endgiltig erledigt
angesehen werden.

, Die erste Auflage vom Jahre 1864 enthielt auf 220 Seiten etwa 750 Zitate;
die zwölfte von 1880 zählte schon 482 Seiten (ohne die Register) mit etwa
1800 Zitaten, und die vorliegende achtzehnte bietet 2636 Zitate auf 514 Seiten
Text, nebst 185 Seiten sorgfältig angelegter Register, bei denen namentlich
zu rühmen ist, daß die Zitate darin nicht bloß nach ihren Anfangsworten,
die ja der Suchende oft gar nicht sicher im Gedächtnis hat, sondern auch nach
Stichworten aufgenommen sind, sodaß man z. B. das Wort: "Den Dank, Dame,
begehr ich nicht," finden kann unter Begehr, Dame, Dank und Den, eine Ein¬
richtung, die den bedeutenden Umfang der Register erklärlich macht. Die starke
Vermehrung des Textes wird natürlich in erster Linie durch die so bedeutende
Bermehrnng der aufgenommnen Zitate (fast um das Vierfache!) hervorgebracht,
ohne daß man sagen kann, daß der Verfasser oder Herausgeber, wo es sich
um Aufnahme von Aussprüchen oder Ausdrücken handelt, darin zu weit ge-


Grenzboten 1 1895 40
Die neueste Auflage der Geflügelten Vorke

Frau mochte befürchten, das; sich der Vortragende eine Taktlosigkeit könnte zu
schulden kommen lassen, was durchaus nicht der Fall war. Aber weder die
Königin noch der schlichte Oberlehrer hatten damals eine Ahnung davon, in
welch erschütternder Weise das Wort des Staatsmanns dereinst zur That und
Wahrheit werden sollte.

Noch in demselben Jahre gab Büchmann sein Buch: „Geflügelte Worte.
Der Zitatenschatz des deutschen Volkes" heraus, das in seiner praktischen
Anlage und weil es in der That einem Bedürfnis entgegenkam, überall freudige
Aufnahme fand, einen wahren Triumphzug durch die deutschen Lande antrat
und Auflage aus Auflage erlebte. Als Büchmann 1884 starb, war die drei¬
zehnte erschienen; jetzt liegt uns die achtzehnte vor (Berlin, Hände und Spener,
1895), nach des Verfassers Tode fortgesetzt von Walter Robert-tornow.
Nicht weniger als 100000 Exemplare sind mit diesen achtzehn Auflagen in
die Hände des Publikums gelangt. Unzähligen ist der „Büchmann" ein un¬
entbehrliches Hilfs- und Nachschlagebuch geworden, bei dem man selten ver¬
gebens um Rat fragt, bei Tausenden von Wetten hat seine Autorität den
Ausschlag gegeben, und es giebt nicht wenig Redner, die, ehe sie eine An¬
sprache halten oder einen Trinkspruch ausbringen, sich erst durch einige Seiten
Büchmann hinreichend mit Zitaten versehen. Die Bedeutung des Buches ist
aber damit nicht erschöpft: es ist nicht nur ein bequemes Nachschlagebuch,
sondern in der That eine wertvolle wissenschaftliche Leistung. Welche um¬
fassende Lektüre, welch zeitraubendes Suchen und Forschen war in zahlreichen
Fällen nötig, um manchen Zitaten bis auf ihre erste Quelle nachzugehen, die
richtige Form festzustellen, Entstellungen nachzuweisen, Parallelen herbei¬
zuschaffen! Bleibt auch in dieser Hinsicht noch immer Arbeit genug für die
Zukunft übrig, so können doch eine ganze Anzahl Fragen der Art, für die
mau vorher nirgends eine befriedigende Antwort fand, als endgiltig erledigt
angesehen werden.

, Die erste Auflage vom Jahre 1864 enthielt auf 220 Seiten etwa 750 Zitate;
die zwölfte von 1880 zählte schon 482 Seiten (ohne die Register) mit etwa
1800 Zitaten, und die vorliegende achtzehnte bietet 2636 Zitate auf 514 Seiten
Text, nebst 185 Seiten sorgfältig angelegter Register, bei denen namentlich
zu rühmen ist, daß die Zitate darin nicht bloß nach ihren Anfangsworten,
die ja der Suchende oft gar nicht sicher im Gedächtnis hat, sondern auch nach
Stichworten aufgenommen sind, sodaß man z. B. das Wort: „Den Dank, Dame,
begehr ich nicht," finden kann unter Begehr, Dame, Dank und Den, eine Ein¬
richtung, die den bedeutenden Umfang der Register erklärlich macht. Die starke
Vermehrung des Textes wird natürlich in erster Linie durch die so bedeutende
Bermehrnng der aufgenommnen Zitate (fast um das Vierfache!) hervorgebracht,
ohne daß man sagen kann, daß der Verfasser oder Herausgeber, wo es sich
um Aufnahme von Aussprüchen oder Ausdrücken handelt, darin zu weit ge-


Grenzboten 1 1895 40
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/323>, abgerufen am 26.06.2024.