Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Mehr Areuzer!

kreuzer vor dem Kanal thätig sind, um so geringer werden die Verluste unsrer
Handelsflotte sein. Freilich kostet ein Panzerkreuzer etwa sieben Millionen
Mark; aber man bedenke, daß dieses Geld im Lande bleibt und unserm Schiff¬
bau, der jetzt besonders ungünstige Zeiten durchzumachen hat, zu gute kommt.
Keine Eisenplatte, kein Nietbolzcn wird vom Auslande gekauft. Und noch etwas,
was doch wohl auch in die Wagschale füllt: jeder Panzerkreuzer, der nur zwei
Postdampfer oder etwa vier Frachtdampfer vor der Kaperung bewahrt, deckt
damit seine Anschaffungskosten! Der Verlust jener Dampfer würde nicht allein
den Reeber schädigen, sondern noch alle die, deren Lebenserwerb von der Be¬
arbeitung der überseeischen Einfuhr und Ausfuhr abhängt. Ganz Deutschland
würde schweren Schaden erleiden, wenn bei einem monatelangen Kriege der
Warenaustausch mit dem Auslande gehemmt würde. Ein Geschwader von
sechs Panzerkreuzern dagegen, denen noch etwa vier sehr schnelle kleine Tvrpedo-
kreuzer zum Knndschafterdienst beigegeben wären, würde vor dem englischen
Kanal unsern Handelsdampfern den freien Verkehr und den Seglern das Auf¬
suchen von Schutzhäfen ermöglichen. Um den Einbruch feindlicher Kreuzer in
die Nordsee zu verhindern, wo der Verkehr mit den englischen Häfen gesichert
werden muß, würden an der Nordostspitze Schottlands und der Südostküste
Englands Kreuzergeschwader wachen müssen, denen bei stärkern Angriffen die
Panzerflotte Hilfe zu leisten hätte. Acht bis zehn schnelle Kreuzer zweiter und
dritter Klasse sind für diesen Zweck erforderlich.

Eine dritte, sehr wichtige Ausgabe ist es, den Seeweg nach Nordamerika,
besonders den für die Newyortfahrcr, zu überwachen und feindliche Kreuzer,
die dort kapern wollen, zu vernichten. Hierzu ist ein Geschwader von etwa
sechs Kreuzern zweiter Klasse erforderlich, die schnell lausen können und großen
Kohlenvorrat haben. Ob man dabei besser thun wird, die Kauffahrteidampfer
in Flotten von je zwölf Dampfern über den atlantische" Ozean zu "konvohiren,"
oder ob man die Kreuzer paarweise die transatlantische Straße "abpatrouilliren"
lassen soll, darüber sind die Ansichten der Fachleute verschieden. Nur der Er¬
folg kann darüber entscheiden. Zum Schutz unsers lebhaften Dampferverkehrs
mit Westindien und mit dem Karaibischen Meere, wo Frankreich in Pointe 5 Piere
und Fort de France treffliche Flottenstationen hat, wird ein Krcuzergeschwader
von vier tüchtigen Kreuzern zweiter Klasse nur dann genügen, wenn es mit
großem Geschick gegen die dort zu erwartende Übermacht handelt. Über die
Azorengruppe führen die Wege der Westindienfahrer und der aus allen Welt-
gegenden heimwärts laufenden Segler. Hier, wie bei den Kapverdischen In¬
seln, über die die Dampferwege der Südamerikafahrer und die Kurse aller
südwärts nach dem Kap Horn oder nach dem Kap der guten Hoffnung lau¬
fenden Segler führen, würde je ein Kreuzergeschwader von neun guten Schiffen
am Platze sein. '

Zieht man die Summe, so zeigt sich, daß allein für den nordatlantischen
G


renzboten IV 18V3 72
Mehr Areuzer!

kreuzer vor dem Kanal thätig sind, um so geringer werden die Verluste unsrer
Handelsflotte sein. Freilich kostet ein Panzerkreuzer etwa sieben Millionen
Mark; aber man bedenke, daß dieses Geld im Lande bleibt und unserm Schiff¬
bau, der jetzt besonders ungünstige Zeiten durchzumachen hat, zu gute kommt.
Keine Eisenplatte, kein Nietbolzcn wird vom Auslande gekauft. Und noch etwas,
was doch wohl auch in die Wagschale füllt: jeder Panzerkreuzer, der nur zwei
Postdampfer oder etwa vier Frachtdampfer vor der Kaperung bewahrt, deckt
damit seine Anschaffungskosten! Der Verlust jener Dampfer würde nicht allein
den Reeber schädigen, sondern noch alle die, deren Lebenserwerb von der Be¬
arbeitung der überseeischen Einfuhr und Ausfuhr abhängt. Ganz Deutschland
würde schweren Schaden erleiden, wenn bei einem monatelangen Kriege der
Warenaustausch mit dem Auslande gehemmt würde. Ein Geschwader von
sechs Panzerkreuzern dagegen, denen noch etwa vier sehr schnelle kleine Tvrpedo-
kreuzer zum Knndschafterdienst beigegeben wären, würde vor dem englischen
Kanal unsern Handelsdampfern den freien Verkehr und den Seglern das Auf¬
suchen von Schutzhäfen ermöglichen. Um den Einbruch feindlicher Kreuzer in
die Nordsee zu verhindern, wo der Verkehr mit den englischen Häfen gesichert
werden muß, würden an der Nordostspitze Schottlands und der Südostküste
Englands Kreuzergeschwader wachen müssen, denen bei stärkern Angriffen die
Panzerflotte Hilfe zu leisten hätte. Acht bis zehn schnelle Kreuzer zweiter und
dritter Klasse sind für diesen Zweck erforderlich.

Eine dritte, sehr wichtige Ausgabe ist es, den Seeweg nach Nordamerika,
besonders den für die Newyortfahrcr, zu überwachen und feindliche Kreuzer,
die dort kapern wollen, zu vernichten. Hierzu ist ein Geschwader von etwa
sechs Kreuzern zweiter Klasse erforderlich, die schnell lausen können und großen
Kohlenvorrat haben. Ob man dabei besser thun wird, die Kauffahrteidampfer
in Flotten von je zwölf Dampfern über den atlantische» Ozean zu „konvohiren,"
oder ob man die Kreuzer paarweise die transatlantische Straße „abpatrouilliren"
lassen soll, darüber sind die Ansichten der Fachleute verschieden. Nur der Er¬
folg kann darüber entscheiden. Zum Schutz unsers lebhaften Dampferverkehrs
mit Westindien und mit dem Karaibischen Meere, wo Frankreich in Pointe 5 Piere
und Fort de France treffliche Flottenstationen hat, wird ein Krcuzergeschwader
von vier tüchtigen Kreuzern zweiter Klasse nur dann genügen, wenn es mit
großem Geschick gegen die dort zu erwartende Übermacht handelt. Über die
Azorengruppe führen die Wege der Westindienfahrer und der aus allen Welt-
gegenden heimwärts laufenden Segler. Hier, wie bei den Kapverdischen In¬
seln, über die die Dampferwege der Südamerikafahrer und die Kurse aller
südwärts nach dem Kap Horn oder nach dem Kap der guten Hoffnung lau¬
fenden Segler führen, würde je ein Kreuzergeschwader von neun guten Schiffen
am Platze sein. '

Zieht man die Summe, so zeigt sich, daß allein für den nordatlantischen
G


renzboten IV 18V3 72
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0577" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216301"/>
          <fw type="header" place="top"> Mehr Areuzer!</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2202" prev="#ID_2201"> kreuzer vor dem Kanal thätig sind, um so geringer werden die Verluste unsrer<lb/>
Handelsflotte sein. Freilich kostet ein Panzerkreuzer etwa sieben Millionen<lb/>
Mark; aber man bedenke, daß dieses Geld im Lande bleibt und unserm Schiff¬<lb/>
bau, der jetzt besonders ungünstige Zeiten durchzumachen hat, zu gute kommt.<lb/>
Keine Eisenplatte, kein Nietbolzcn wird vom Auslande gekauft. Und noch etwas,<lb/>
was doch wohl auch in die Wagschale füllt: jeder Panzerkreuzer, der nur zwei<lb/>
Postdampfer oder etwa vier Frachtdampfer vor der Kaperung bewahrt, deckt<lb/>
damit seine Anschaffungskosten! Der Verlust jener Dampfer würde nicht allein<lb/>
den Reeber schädigen, sondern noch alle die, deren Lebenserwerb von der Be¬<lb/>
arbeitung der überseeischen Einfuhr und Ausfuhr abhängt. Ganz Deutschland<lb/>
würde schweren Schaden erleiden, wenn bei einem monatelangen Kriege der<lb/>
Warenaustausch mit dem Auslande gehemmt würde. Ein Geschwader von<lb/>
sechs Panzerkreuzern dagegen, denen noch etwa vier sehr schnelle kleine Tvrpedo-<lb/>
kreuzer zum Knndschafterdienst beigegeben wären, würde vor dem englischen<lb/>
Kanal unsern Handelsdampfern den freien Verkehr und den Seglern das Auf¬<lb/>
suchen von Schutzhäfen ermöglichen. Um den Einbruch feindlicher Kreuzer in<lb/>
die Nordsee zu verhindern, wo der Verkehr mit den englischen Häfen gesichert<lb/>
werden muß, würden an der Nordostspitze Schottlands und der Südostküste<lb/>
Englands Kreuzergeschwader wachen müssen, denen bei stärkern Angriffen die<lb/>
Panzerflotte Hilfe zu leisten hätte. Acht bis zehn schnelle Kreuzer zweiter und<lb/>
dritter Klasse sind für diesen Zweck erforderlich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2203"> Eine dritte, sehr wichtige Ausgabe ist es, den Seeweg nach Nordamerika,<lb/>
besonders den für die Newyortfahrcr, zu überwachen und feindliche Kreuzer,<lb/>
die dort kapern wollen, zu vernichten. Hierzu ist ein Geschwader von etwa<lb/>
sechs Kreuzern zweiter Klasse erforderlich, die schnell lausen können und großen<lb/>
Kohlenvorrat haben. Ob man dabei besser thun wird, die Kauffahrteidampfer<lb/>
in Flotten von je zwölf Dampfern über den atlantische» Ozean zu &#x201E;konvohiren,"<lb/>
oder ob man die Kreuzer paarweise die transatlantische Straße &#x201E;abpatrouilliren"<lb/>
lassen soll, darüber sind die Ansichten der Fachleute verschieden. Nur der Er¬<lb/>
folg kann darüber entscheiden. Zum Schutz unsers lebhaften Dampferverkehrs<lb/>
mit Westindien und mit dem Karaibischen Meere, wo Frankreich in Pointe 5 Piere<lb/>
und Fort de France treffliche Flottenstationen hat, wird ein Krcuzergeschwader<lb/>
von vier tüchtigen Kreuzern zweiter Klasse nur dann genügen, wenn es mit<lb/>
großem Geschick gegen die dort zu erwartende Übermacht handelt. Über die<lb/>
Azorengruppe führen die Wege der Westindienfahrer und der aus allen Welt-<lb/>
gegenden heimwärts laufenden Segler. Hier, wie bei den Kapverdischen In¬<lb/>
seln, über die die Dampferwege der Südamerikafahrer und die Kurse aller<lb/>
südwärts nach dem Kap Horn oder nach dem Kap der guten Hoffnung lau¬<lb/>
fenden Segler führen, würde je ein Kreuzergeschwader von neun guten Schiffen<lb/>
am Platze sein. '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2204" next="#ID_2205"> Zieht man die Summe, so zeigt sich, daß allein für den nordatlantischen<lb/>
G</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> renzboten IV 18V3 72</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0577] Mehr Areuzer! kreuzer vor dem Kanal thätig sind, um so geringer werden die Verluste unsrer Handelsflotte sein. Freilich kostet ein Panzerkreuzer etwa sieben Millionen Mark; aber man bedenke, daß dieses Geld im Lande bleibt und unserm Schiff¬ bau, der jetzt besonders ungünstige Zeiten durchzumachen hat, zu gute kommt. Keine Eisenplatte, kein Nietbolzcn wird vom Auslande gekauft. Und noch etwas, was doch wohl auch in die Wagschale füllt: jeder Panzerkreuzer, der nur zwei Postdampfer oder etwa vier Frachtdampfer vor der Kaperung bewahrt, deckt damit seine Anschaffungskosten! Der Verlust jener Dampfer würde nicht allein den Reeber schädigen, sondern noch alle die, deren Lebenserwerb von der Be¬ arbeitung der überseeischen Einfuhr und Ausfuhr abhängt. Ganz Deutschland würde schweren Schaden erleiden, wenn bei einem monatelangen Kriege der Warenaustausch mit dem Auslande gehemmt würde. Ein Geschwader von sechs Panzerkreuzern dagegen, denen noch etwa vier sehr schnelle kleine Tvrpedo- kreuzer zum Knndschafterdienst beigegeben wären, würde vor dem englischen Kanal unsern Handelsdampfern den freien Verkehr und den Seglern das Auf¬ suchen von Schutzhäfen ermöglichen. Um den Einbruch feindlicher Kreuzer in die Nordsee zu verhindern, wo der Verkehr mit den englischen Häfen gesichert werden muß, würden an der Nordostspitze Schottlands und der Südostküste Englands Kreuzergeschwader wachen müssen, denen bei stärkern Angriffen die Panzerflotte Hilfe zu leisten hätte. Acht bis zehn schnelle Kreuzer zweiter und dritter Klasse sind für diesen Zweck erforderlich. Eine dritte, sehr wichtige Ausgabe ist es, den Seeweg nach Nordamerika, besonders den für die Newyortfahrcr, zu überwachen und feindliche Kreuzer, die dort kapern wollen, zu vernichten. Hierzu ist ein Geschwader von etwa sechs Kreuzern zweiter Klasse erforderlich, die schnell lausen können und großen Kohlenvorrat haben. Ob man dabei besser thun wird, die Kauffahrteidampfer in Flotten von je zwölf Dampfern über den atlantische» Ozean zu „konvohiren," oder ob man die Kreuzer paarweise die transatlantische Straße „abpatrouilliren" lassen soll, darüber sind die Ansichten der Fachleute verschieden. Nur der Er¬ folg kann darüber entscheiden. Zum Schutz unsers lebhaften Dampferverkehrs mit Westindien und mit dem Karaibischen Meere, wo Frankreich in Pointe 5 Piere und Fort de France treffliche Flottenstationen hat, wird ein Krcuzergeschwader von vier tüchtigen Kreuzern zweiter Klasse nur dann genügen, wenn es mit großem Geschick gegen die dort zu erwartende Übermacht handelt. Über die Azorengruppe führen die Wege der Westindienfahrer und der aus allen Welt- gegenden heimwärts laufenden Segler. Hier, wie bei den Kapverdischen In¬ seln, über die die Dampferwege der Südamerikafahrer und die Kurse aller südwärts nach dem Kap Horn oder nach dem Kap der guten Hoffnung lau¬ fenden Segler führen, würde je ein Kreuzergeschwader von neun guten Schiffen am Platze sein. ' Zieht man die Summe, so zeigt sich, daß allein für den nordatlantischen G renzboten IV 18V3 72

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/577
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/577>, abgerufen am 22.07.2024.