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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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wie eine der selbständigen Kolonien gestellt gewesen. Gladstone konnte aber
unmöglich die notwendige Folgerung dieses Planes ziehn und nun auch Ir¬
land gegenüber ans jede Bestenenmg zu Neichszweckcu verzichten. Sein Plan
war also nichts andres, als eine Verletzung des obersten konstitutionellen
Grundsatzes: Keine Besteuerung ohne Vertretung. Er hätte Irland zu der
Stellung eines tributzahlenden Staates herabgewürdigt. Die Opposition, ins¬
besondre Chamberlnin und die liberalen Nnionisten, richteten denn anch ihre
schärfsten Pfeile gegen diesen Punkt, und bei den Wahlen von 1880 sprach
sich das Land entschieden gegen diesen "Ansplan," wie er gewöhnlich genannt
wird, ans. Gladstone blieb nur die Wahl zwischen dein "Jnplan" und dein
"In- und Ausplau." Die ursprüngliche Bill von t8!^! enthielt den "Ju-
uud Ausplan." Die Iren sollten nach wie vor nach Westminster kommen,
aber nnr über Reichsangelegenheiten und uicht über rein britische mitberaten
und mitabstimmeu dürfen. Der Plan war offenbar nicht ernst gemeint.
Gladstone hatte ihn nur aufgenommen, um sei" Übergehu zum reinen "Jn-
plnn" zu verhüllen. Zwischen Reichs- und rein britischen Angelegenheiten z"
unterscheiden, übersteigt nach seinen eignen Worten "Meuschenwitz." Der
Plan hätte praktisch im Unterhause zwei verschiedne Mehrheiten geschaffen und
damit die Grundlage des britischen Shstems der Kabinetsregieruug, die ver¬
hältnismässige Dauerhaftigkeit der jeweiligen Mehrheit zerstört. Gladstone
lies; ihn den" auch im letzten Augenblick fallen und nahm den reinen "Jn-
Plan" an. Die Bill giebt also jetzt Irland ein eignes Parlament zur unabhän¬
gigen Besorgung seiner eignen Angelegenheiten, erlaubt ihm aber zugleich,
Vertreter nach Westminster zu schicken und in rein schottischen und englischen
Angelegenheiten eine entscheidende Stimme zu haben. Wer künftig in Irland
regieren soll, wird einzig und allein von den Ire" abhängen, und England
wird in der Bildung der irischen Exekutive schlechterdings leine Stimme
haben. Ob aber in Großbritannien Gladstone oder Snlisburh Premier sein
soll, darüber wird nicht Großbritannien, sondern darüber werden achtzig irische
Abgeordnete entscheiden. Die Ungerechtigkeit dieses Planes wird auch der schwer¬
fälligste Wähler herausfühlen. Dazu kommt noch, daß es osfeubcir im Inter¬
esse dieser irischen Abgeordneten liegen wird, daß die jeweilige britische Re-
gierung so schwach als möglich ist; denn um so willfähriger wird sie gegen
ihre Wünsche sein. Sie werden daher immer die Partei unterstützen, die
die britische Minderheit darstellt, was die seltsame Folge haben wird, daß in
Großbritannien immer die Partei am Ruder sei" wird, die uicht das Ver¬
trauen der Mehrheit der britischen Wähler genießt.

Die einzige Lösung dieser ganzen Schwierigkeit wäre Nouv L>u1v all
rann!, d. h. ein vollständiger Umbau des Vereinigten Königreichs auf föde¬
rativer Grundlage, mit einem obersten Neichsvarlament -- entsprechend unserm
Reichstage --, streng beschränkt ans Reichsangelegenheiten, und vier oder


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wie eine der selbständigen Kolonien gestellt gewesen. Gladstone konnte aber
unmöglich die notwendige Folgerung dieses Planes ziehn und nun auch Ir¬
land gegenüber ans jede Bestenenmg zu Neichszweckcu verzichten. Sein Plan
war also nichts andres, als eine Verletzung des obersten konstitutionellen
Grundsatzes: Keine Besteuerung ohne Vertretung. Er hätte Irland zu der
Stellung eines tributzahlenden Staates herabgewürdigt. Die Opposition, ins¬
besondre Chamberlnin und die liberalen Nnionisten, richteten denn anch ihre
schärfsten Pfeile gegen diesen Punkt, und bei den Wahlen von 1880 sprach
sich das Land entschieden gegen diesen „Ansplan," wie er gewöhnlich genannt
wird, ans. Gladstone blieb nur die Wahl zwischen dein „Jnplan" und dein
„In- und Ausplau." Die ursprüngliche Bill von t8!^! enthielt den „Ju-
uud Ausplan." Die Iren sollten nach wie vor nach Westminster kommen,
aber nnr über Reichsangelegenheiten und uicht über rein britische mitberaten
und mitabstimmeu dürfen. Der Plan war offenbar nicht ernst gemeint.
Gladstone hatte ihn nur aufgenommen, um sei» Übergehu zum reinen „Jn-
plnn" zu verhüllen. Zwischen Reichs- und rein britischen Angelegenheiten z»
unterscheiden, übersteigt nach seinen eignen Worten „Meuschenwitz." Der
Plan hätte praktisch im Unterhause zwei verschiedne Mehrheiten geschaffen und
damit die Grundlage des britischen Shstems der Kabinetsregieruug, die ver¬
hältnismässige Dauerhaftigkeit der jeweiligen Mehrheit zerstört. Gladstone
lies; ihn den» auch im letzten Augenblick fallen und nahm den reinen „Jn-
Plan" an. Die Bill giebt also jetzt Irland ein eignes Parlament zur unabhän¬
gigen Besorgung seiner eignen Angelegenheiten, erlaubt ihm aber zugleich,
Vertreter nach Westminster zu schicken und in rein schottischen und englischen
Angelegenheiten eine entscheidende Stimme zu haben. Wer künftig in Irland
regieren soll, wird einzig und allein von den Ire» abhängen, und England
wird in der Bildung der irischen Exekutive schlechterdings leine Stimme
haben. Ob aber in Großbritannien Gladstone oder Snlisburh Premier sein
soll, darüber wird nicht Großbritannien, sondern darüber werden achtzig irische
Abgeordnete entscheiden. Die Ungerechtigkeit dieses Planes wird auch der schwer¬
fälligste Wähler herausfühlen. Dazu kommt noch, daß es osfeubcir im Inter¬
esse dieser irischen Abgeordneten liegen wird, daß die jeweilige britische Re-
gierung so schwach als möglich ist; denn um so willfähriger wird sie gegen
ihre Wünsche sein. Sie werden daher immer die Partei unterstützen, die
die britische Minderheit darstellt, was die seltsame Folge haben wird, daß in
Großbritannien immer die Partei am Ruder sei» wird, die uicht das Ver¬
trauen der Mehrheit der britischen Wähler genießt.

Die einzige Lösung dieser ganzen Schwierigkeit wäre Nouv L>u1v all
rann!, d. h. ein vollständiger Umbau des Vereinigten Königreichs auf föde¬
rativer Grundlage, mit einem obersten Neichsvarlament — entsprechend unserm
Reichstage —, streng beschränkt ans Reichsangelegenheiten, und vier oder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/16>, abgerufen am 04.07.2024.