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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Indische Zustände

ist freilich gering. Cenni ist, wie gesagt, tief gläubiger Katholik, ohne ultra¬
montan zu sein. Er glaubt an die Unfehlbarkeit der Kirche, aber er schweigt
von der Unfehlbarkeit des Papstes; er verehrt den heiligen Thomas als seinen
Lehrer, aber er ist überzeugt, daß der Aquinate, wenn er heute lebte, ebeu
weil er ein großer Geist war, ganz anders schreiben würde; er hofft mit Dante
ans die vollkommne Monarchie, das Reich des Friedens, aber es ist ihm gleich-
giltig, ob der internationale Schiedsrichter, der einst den Frieden aufrecht er¬
halten wird, ein Papst oder ein Kaiser oder eine von den Völkern erwählte
Körperschaft sein wird; mit flammender Beredsamkeit preist er die Kirche, aber
mit flammender Entrüstung geißelt er die von ihr verhängten Religionsverfol-
gungen und die Schlechtigkeit ihrer Diener, die unter andern "Übeln" auch
die Reformation verschuldet habe;") die Kirche bleibt ihm für alle Zeiten die
wahre Knltnrbringerin, aber eben darum protestirt er leidenschaftlich gegen
jeden Versuch, sie unlöslich mit vergänglichen Formen, mit vorübergehenden
Erscheinungen zu verketten und zum Werkzeuge des Absolutismus und andrer
reaktionären Mächte zu mißbrauche"; die ganz unevnngelische Verdoppelung
von Thron und Altar ist ihm ein Greuel. Ob diese Art Katholizismus, in
Italien oder sonstwo, noch eine Zukunft hat? Wer möchte es behaupten, wer
möchte es bestreiten?




Indische Zustände
3

le die Begründung, so erklärt sich auch die Erhaltung des anglo-
indischen Reiches ungezwungen aus deu ihm zu Grunde liegenden
Verhältnissen. Wohl ist es wahr, daß die englische Herrschaft
in Indien eine Fremdherrschaft ist; und nicht minder wahr ist
es, daß die Geschichte in tausend Fällen die UnHaltbarkeit von
Fremdherrschaften erwiesen hat. Aber die britischen Machthaber in Indien



Die Widmung ist so hübsch, daß wir sie im Urtext abdrucken müssen. Deutsch läßt sich so
was nnn einmal nicht so ausdrücken, wie im Lateinischen oder Italienischen. ^.Ua. varg, ulla
Lslvsto nomen'is, <ti sag. inoz>'Iio Lat^i'lini, (Ävalaanti, äolvs o AiÄnios-i g. tutti, saints, oolynuo,
all sus, o-i.su,, oporosa vol bons von, Hiiu,si virilo onoi-M^, posposto gi clovoro OAni "In-o
risxvtto, clnll" sono s äst ckolors tsmxsrata ". kortvsüi" invinoidilo, x-vsso suII" körr" eoms
solüotto rüj-^lo al solo, ölig si nasoondo in 801'suo iinmonw ullo sagn-mio dosidsroso bot
pvtlog'riiw.
ES ist das die einzige Stelle, wo er die Reformation erwähnt, die ihm wohl, als
Greniboteu IV 15
Indische Zustände

ist freilich gering. Cenni ist, wie gesagt, tief gläubiger Katholik, ohne ultra¬
montan zu sein. Er glaubt an die Unfehlbarkeit der Kirche, aber er schweigt
von der Unfehlbarkeit des Papstes; er verehrt den heiligen Thomas als seinen
Lehrer, aber er ist überzeugt, daß der Aquinate, wenn er heute lebte, ebeu
weil er ein großer Geist war, ganz anders schreiben würde; er hofft mit Dante
ans die vollkommne Monarchie, das Reich des Friedens, aber es ist ihm gleich-
giltig, ob der internationale Schiedsrichter, der einst den Frieden aufrecht er¬
halten wird, ein Papst oder ein Kaiser oder eine von den Völkern erwählte
Körperschaft sein wird; mit flammender Beredsamkeit preist er die Kirche, aber
mit flammender Entrüstung geißelt er die von ihr verhängten Religionsverfol-
gungen und die Schlechtigkeit ihrer Diener, die unter andern „Übeln" auch
die Reformation verschuldet habe;") die Kirche bleibt ihm für alle Zeiten die
wahre Knltnrbringerin, aber eben darum protestirt er leidenschaftlich gegen
jeden Versuch, sie unlöslich mit vergänglichen Formen, mit vorübergehenden
Erscheinungen zu verketten und zum Werkzeuge des Absolutismus und andrer
reaktionären Mächte zu mißbrauche»; die ganz unevnngelische Verdoppelung
von Thron und Altar ist ihm ein Greuel. Ob diese Art Katholizismus, in
Italien oder sonstwo, noch eine Zukunft hat? Wer möchte es behaupten, wer
möchte es bestreiten?




Indische Zustände
3

le die Begründung, so erklärt sich auch die Erhaltung des anglo-
indischen Reiches ungezwungen aus deu ihm zu Grunde liegenden
Verhältnissen. Wohl ist es wahr, daß die englische Herrschaft
in Indien eine Fremdherrschaft ist; und nicht minder wahr ist
es, daß die Geschichte in tausend Fällen die UnHaltbarkeit von
Fremdherrschaften erwiesen hat. Aber die britischen Machthaber in Indien



Die Widmung ist so hübsch, daß wir sie im Urtext abdrucken müssen. Deutsch läßt sich so
was nnn einmal nicht so ausdrücken, wie im Lateinischen oder Italienischen. ^.Ua. varg, ulla
Lslvsto nomen'is, <ti sag. inoz>'Iio Lat^i'lini, (Ävalaanti, äolvs o AiÄnios-i g. tutti, saints, oolynuo,
all sus, o-i.su,, oporosa vol bons von, Hiiu,si virilo onoi-M^, posposto gi clovoro OAni »In-o
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solüotto rüj-^lo al solo, ölig si nasoondo in 801'suo iinmonw ullo sagn-mio dosidsroso bot
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[0121] Indische Zustände ist freilich gering. Cenni ist, wie gesagt, tief gläubiger Katholik, ohne ultra¬ montan zu sein. Er glaubt an die Unfehlbarkeit der Kirche, aber er schweigt von der Unfehlbarkeit des Papstes; er verehrt den heiligen Thomas als seinen Lehrer, aber er ist überzeugt, daß der Aquinate, wenn er heute lebte, ebeu weil er ein großer Geist war, ganz anders schreiben würde; er hofft mit Dante ans die vollkommne Monarchie, das Reich des Friedens, aber es ist ihm gleich- giltig, ob der internationale Schiedsrichter, der einst den Frieden aufrecht er¬ halten wird, ein Papst oder ein Kaiser oder eine von den Völkern erwählte Körperschaft sein wird; mit flammender Beredsamkeit preist er die Kirche, aber mit flammender Entrüstung geißelt er die von ihr verhängten Religionsverfol- gungen und die Schlechtigkeit ihrer Diener, die unter andern „Übeln" auch die Reformation verschuldet habe;") die Kirche bleibt ihm für alle Zeiten die wahre Knltnrbringerin, aber eben darum protestirt er leidenschaftlich gegen jeden Versuch, sie unlöslich mit vergänglichen Formen, mit vorübergehenden Erscheinungen zu verketten und zum Werkzeuge des Absolutismus und andrer reaktionären Mächte zu mißbrauche»; die ganz unevnngelische Verdoppelung von Thron und Altar ist ihm ein Greuel. Ob diese Art Katholizismus, in Italien oder sonstwo, noch eine Zukunft hat? Wer möchte es behaupten, wer möchte es bestreiten? Indische Zustände 3 le die Begründung, so erklärt sich auch die Erhaltung des anglo- indischen Reiches ungezwungen aus deu ihm zu Grunde liegenden Verhältnissen. Wohl ist es wahr, daß die englische Herrschaft in Indien eine Fremdherrschaft ist; und nicht minder wahr ist es, daß die Geschichte in tausend Fällen die UnHaltbarkeit von Fremdherrschaften erwiesen hat. Aber die britischen Machthaber in Indien Die Widmung ist so hübsch, daß wir sie im Urtext abdrucken müssen. Deutsch läßt sich so was nnn einmal nicht so ausdrücken, wie im Lateinischen oder Italienischen. ^.Ua. varg, ulla Lslvsto nomen'is, <ti sag. inoz>'Iio Lat^i'lini, (Ävalaanti, äolvs o AiÄnios-i g. tutti, saints, oolynuo, all sus, o-i.su,, oporosa vol bons von, Hiiu,si virilo onoi-M^, posposto gi clovoro OAni »In-o risxvtto, clnll» sono s äst ckolors tsmxsrata ». kortvsüi» invinoidilo, x-vsso suII» körr» eoms solüotto rüj-^lo al solo, ölig si nasoondo in 801'suo iinmonw ullo sagn-mio dosidsroso bot pvtlog'riiw. ES ist das die einzige Stelle, wo er die Reformation erwähnt, die ihm wohl, als Greniboteu IV 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/121>, abgerufen am 22.07.2024.