Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.INmiöverbelrachtungen eines Beteiligten Noch auf einem andern Gebiete sollten die Offiziere mehr darauf bedacht Meine Manöverbetrachtungen haben sich ziemlich weit von schwärmender INmiöverbelrachtungen eines Beteiligten Noch auf einem andern Gebiete sollten die Offiziere mehr darauf bedacht Meine Manöverbetrachtungen haben sich ziemlich weit von schwärmender <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215834"/> <fw type="header" place="top"> INmiöverbelrachtungen eines Beteiligten</fw><lb/> <p xml:id="ID_301"> Noch auf einem andern Gebiete sollten die Offiziere mehr darauf bedacht<lb/> sein, den Mannschaften ihre geistige und sittliche Überlegenheit durch Selbst¬<lb/> zucht, Einfachheit und Anspruchslosigkeit zu zeigen. Ich meine die Verpflegung<lb/> in den Biwaks. Was den Leuten geliefert wird, ist gut und reichlich. Aber<lb/> was wird da uoch alles an Leckerbissen für das Offizicrszelt mitgeschleppt!<lb/> Es giebt ja auch Offiziere, die sich einfach die Mannschaftsportionen mitliefern<lb/> lassen, aber sie sind sehr in der Minderheit. Durch solche Schlemmerei vor<lb/> den Augen der Soldaten wird natürlicherweise Unzufriedenheit und Begehr¬<lb/> lichkeit gezüchtet. Mag man sich bei den geselligen Wintervergnügungen mit<lb/> den kostbarsten Erzeugnissen der fernsten Zonen den Gaumen kitzeln, wenn man<lb/> die Mittel dazu hat, sie anzuschaffen, obwohl auch da ein gewisses Maßhalten<lb/> nicht bloß erwünscht wäre, sondern auch der ausdrücklichen Willensmeinung<lb/> des allerhöchsten Kriegsherrn entsprechen würde. Aber in der Zeit der Ma¬<lb/> növer, die den Offizier fast stündlich in die nächste Berührung mit seinen<lb/> Leuten bringt, da sollte denn doch deutlicher hervortreten, daß auch in Be¬<lb/> ziehung auf Essen und Trinken die Herbstübungen als eine Vorschule zum<lb/> Kriege anzusehen sind. Auch die Unmasse von Gepäck, die manche Herren<lb/> mitschleppen, ist so wenig kriegsgemäß wie möglich. Besonders die Herren<lb/> von der Kavallerie zeichnen sich darin unvorteilhaft aus. Wenn jemand einen<lb/> eignen Wagen und eigne Pferde zu diesem Zweck mitführe, so ist vielleicht<lb/> dienstlich dagegen nicht viel zu thun. Aber eine Erinnerung daran, daß an<lb/> allen großen Heerführern alter und neuer Zeit die Bedürfnislosigkeit einen<lb/> stehenden Zug gebildet hat, dürfte doch auch hier am Platze sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_302" next="#ID_303"> Meine Manöverbetrachtungen haben sich ziemlich weit von schwärmender<lb/> Verherrlichung unsers Heeres entfernt. Ich habe das und jenes auszusetzen<lb/> und zu wünschen gesunden. Und doch muß ich, wenn ich den Gesamteindruck<lb/> zusammenfassen will, den ich vom Übnngsfelde mit heimgenommen habe, mit<lb/> Stolz sagen: noch ist unser Heer gesund. Vor allem von einer Vergiftung<lb/> der Leute durch die sozialistischen Irrlehren in irgend erkennbaren oder gar<lb/> bcdenkenerrcgendem Maße kann gar leine Rede sein. Unter den Offizieren<lb/> herrscht ein höchst erfreuliches Streben, den immer mehr sich steigernden Dienst¬<lb/> anforderungen gerecht zu werden. Und wenn dieses Streben hie und da zu<lb/> toter Schematisirung, zu armseligem Buchstaben- und Formelkram, besonders<lb/> im Schriftwesen, cinSartet, so mag das wohl die unentrinnbare Folge einer<lb/> längern Friedensperiode sein. Wer aber wird es dem Berufssoldaten ver¬<lb/> argen, wenn manchmal in seinem Herzen der geheime Wunsch aufleimt, daß<lb/> hierin bald, recht bald ein Wandel eintreten möge? ,Wir aber wollen unserm<lb/> Volke wünschen, daß solch frevelhafte Gedanken uoch lange unverwirklicht bleiben<lb/> mögen und wollen trotz mancher betrübenden Wahrnehmungen den Glauben<lb/> festhalten: wenn einmal nach Gottes Ratschluß wieder ernste Tage für unser<lb/> Voll kommen sollten, dann wird sich, so Gott will, mit ihnen auch jener große</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
INmiöverbelrachtungen eines Beteiligten
Noch auf einem andern Gebiete sollten die Offiziere mehr darauf bedacht
sein, den Mannschaften ihre geistige und sittliche Überlegenheit durch Selbst¬
zucht, Einfachheit und Anspruchslosigkeit zu zeigen. Ich meine die Verpflegung
in den Biwaks. Was den Leuten geliefert wird, ist gut und reichlich. Aber
was wird da uoch alles an Leckerbissen für das Offizicrszelt mitgeschleppt!
Es giebt ja auch Offiziere, die sich einfach die Mannschaftsportionen mitliefern
lassen, aber sie sind sehr in der Minderheit. Durch solche Schlemmerei vor
den Augen der Soldaten wird natürlicherweise Unzufriedenheit und Begehr¬
lichkeit gezüchtet. Mag man sich bei den geselligen Wintervergnügungen mit
den kostbarsten Erzeugnissen der fernsten Zonen den Gaumen kitzeln, wenn man
die Mittel dazu hat, sie anzuschaffen, obwohl auch da ein gewisses Maßhalten
nicht bloß erwünscht wäre, sondern auch der ausdrücklichen Willensmeinung
des allerhöchsten Kriegsherrn entsprechen würde. Aber in der Zeit der Ma¬
növer, die den Offizier fast stündlich in die nächste Berührung mit seinen
Leuten bringt, da sollte denn doch deutlicher hervortreten, daß auch in Be¬
ziehung auf Essen und Trinken die Herbstübungen als eine Vorschule zum
Kriege anzusehen sind. Auch die Unmasse von Gepäck, die manche Herren
mitschleppen, ist so wenig kriegsgemäß wie möglich. Besonders die Herren
von der Kavallerie zeichnen sich darin unvorteilhaft aus. Wenn jemand einen
eignen Wagen und eigne Pferde zu diesem Zweck mitführe, so ist vielleicht
dienstlich dagegen nicht viel zu thun. Aber eine Erinnerung daran, daß an
allen großen Heerführern alter und neuer Zeit die Bedürfnislosigkeit einen
stehenden Zug gebildet hat, dürfte doch auch hier am Platze sein.
Meine Manöverbetrachtungen haben sich ziemlich weit von schwärmender
Verherrlichung unsers Heeres entfernt. Ich habe das und jenes auszusetzen
und zu wünschen gesunden. Und doch muß ich, wenn ich den Gesamteindruck
zusammenfassen will, den ich vom Übnngsfelde mit heimgenommen habe, mit
Stolz sagen: noch ist unser Heer gesund. Vor allem von einer Vergiftung
der Leute durch die sozialistischen Irrlehren in irgend erkennbaren oder gar
bcdenkenerrcgendem Maße kann gar leine Rede sein. Unter den Offizieren
herrscht ein höchst erfreuliches Streben, den immer mehr sich steigernden Dienst¬
anforderungen gerecht zu werden. Und wenn dieses Streben hie und da zu
toter Schematisirung, zu armseligem Buchstaben- und Formelkram, besonders
im Schriftwesen, cinSartet, so mag das wohl die unentrinnbare Folge einer
längern Friedensperiode sein. Wer aber wird es dem Berufssoldaten ver¬
argen, wenn manchmal in seinem Herzen der geheime Wunsch aufleimt, daß
hierin bald, recht bald ein Wandel eintreten möge? ,Wir aber wollen unserm
Volke wünschen, daß solch frevelhafte Gedanken uoch lange unverwirklicht bleiben
mögen und wollen trotz mancher betrübenden Wahrnehmungen den Glauben
festhalten: wenn einmal nach Gottes Ratschluß wieder ernste Tage für unser
Voll kommen sollten, dann wird sich, so Gott will, mit ihnen auch jener große
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