Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Lemteilmlg der Bode"reforml>cstreb"ngeu

Ertrag ihrer Arbeit ganz; er wurde ihnen nicht einmal verkürzt durch irgend
welche Steuer, denn die Gesellschaft besäße in ihrem gesellschaftlich erzeugten
Nebenprodukt des steigenden Bodenwerts hinreichende Mittel, ihren Pflichten
gegen die Gesamtheit nachzukommen." Nun gut, das deutsche Reich hat augen¬
blicklich einen hauptsächlich auf indirekte Steuern gegründeten Ausgabcetat von
1259 Millionen Mark. Aber nicht nur diese wären von der steigenden Grund¬
rente zum größten Teile aufzubringen, sondern auch mancher ansehnliche Posten
im Haushalt der Bundesstaaten, z.B. in Preußen die 179 Millionen Mark
direkter und die 71 Millionen indirekter Steuern des heurigen Budgets. Rechnet
man die einschlägigen Summe" zusammen, so wird man die Hoffnung, daß
der jährliche Zuwachs der Grundrente jemals diese schwindelnde Höhe er¬
reichen werde, endgiltig begraben. Und zu alledem findet sich in der Rech¬
nung der Reformer noch ein großes Loch. Woher soll der Staat die hundert
und soviel Milliarden nehmen, die er nötig hat, um sich zum alleinigen Grund¬
besitzer zu machen? Woher?

Da sich aber die Anhänger der Reform über diese Frage nicht den Kopf
zerbrechen, sondern sich vermutlich in dem Gedanken trösten, daß die Reichs¬
druckerei das Geld beschaffen könne, folgern sie weiter, daß der Zins fallen
werde, weil das private Kapital nicht mehr in Grund und Boden angelegt
werden könne; daraus aber werde eine gesteigerte Nachfrage nach Arbeit und
eine neue Blüte produktiver Unternehmungen erwachsen. Auch hier fahren
die deutschen Bodenreformer im Kielwasser der amerikanischen Bewegung, ohne
zu bedenken, daß die Durchführung ihres Planes, infolge der Entschädigung
der gegenwärtigen Besitzer, mit unübersteigliche" finanziellen Schwierigkeiten
zu kämpfen hätte, die George leichter Hand und leichten Herzens hinweg¬
geräumt hat. Wir wollen jedoch die Behauptung, daß der fallende Zins eine
Nachfrage nach Arbeit und somit eine Erhöhung des Lohnes zur Folge haben
würde, einer Prüfung unterziehe", den" in diesem Satze steckt das Gewürz,
womit die Anhänger Flürscheims, die das amerikanische Gericht im Interesse
der heutigen Grundbesitzer verwässern müsse", den Appetit der Massen zu
reizen suchen.

Ich glaube den Gegner mit seine" eignen Waffe" schlagen zu können.
George sagt in dein Briefe, den er an Leo XIII. gerichtet hat, folgendes: "Die
Höhe des Lohnes schwankt zwischen dem vollen Ertrag der Arbeit, der ihr
dort verbleibt, wo noch freies Land zu haben ist, und dem niedrigsten Punkt,
bei dein der Mensch noch leben und arbeiten kann, nämlich dort, wo das Land
ganz monopolisirt ist. Deshalb sind dort, wo es leichter ist, Land zu bekommen,
z. B. in Australien und im Westen der Vereinigten Staaten, die Löhne höher
als in Europa." Was George hier vom Lohn sagt, muß er an einer andern
Stelle vom Zins zugeben, weil es über jeden Zweifel erhaben ist, daß im
Laufe der Jahrhunderte die fortschreitende Zivilisation auch diesen herunter-


Grenzl'vie" III 1.893 6g
Zur Lemteilmlg der Bode»reforml>cstreb»ngeu

Ertrag ihrer Arbeit ganz; er wurde ihnen nicht einmal verkürzt durch irgend
welche Steuer, denn die Gesellschaft besäße in ihrem gesellschaftlich erzeugten
Nebenprodukt des steigenden Bodenwerts hinreichende Mittel, ihren Pflichten
gegen die Gesamtheit nachzukommen." Nun gut, das deutsche Reich hat augen¬
blicklich einen hauptsächlich auf indirekte Steuern gegründeten Ausgabcetat von
1259 Millionen Mark. Aber nicht nur diese wären von der steigenden Grund¬
rente zum größten Teile aufzubringen, sondern auch mancher ansehnliche Posten
im Haushalt der Bundesstaaten, z.B. in Preußen die 179 Millionen Mark
direkter und die 71 Millionen indirekter Steuern des heurigen Budgets. Rechnet
man die einschlägigen Summe» zusammen, so wird man die Hoffnung, daß
der jährliche Zuwachs der Grundrente jemals diese schwindelnde Höhe er¬
reichen werde, endgiltig begraben. Und zu alledem findet sich in der Rech¬
nung der Reformer noch ein großes Loch. Woher soll der Staat die hundert
und soviel Milliarden nehmen, die er nötig hat, um sich zum alleinigen Grund¬
besitzer zu machen? Woher?

Da sich aber die Anhänger der Reform über diese Frage nicht den Kopf
zerbrechen, sondern sich vermutlich in dem Gedanken trösten, daß die Reichs¬
druckerei das Geld beschaffen könne, folgern sie weiter, daß der Zins fallen
werde, weil das private Kapital nicht mehr in Grund und Boden angelegt
werden könne; daraus aber werde eine gesteigerte Nachfrage nach Arbeit und
eine neue Blüte produktiver Unternehmungen erwachsen. Auch hier fahren
die deutschen Bodenreformer im Kielwasser der amerikanischen Bewegung, ohne
zu bedenken, daß die Durchführung ihres Planes, infolge der Entschädigung
der gegenwärtigen Besitzer, mit unübersteigliche» finanziellen Schwierigkeiten
zu kämpfen hätte, die George leichter Hand und leichten Herzens hinweg¬
geräumt hat. Wir wollen jedoch die Behauptung, daß der fallende Zins eine
Nachfrage nach Arbeit und somit eine Erhöhung des Lohnes zur Folge haben
würde, einer Prüfung unterziehe», den» in diesem Satze steckt das Gewürz,
womit die Anhänger Flürscheims, die das amerikanische Gericht im Interesse
der heutigen Grundbesitzer verwässern müsse», den Appetit der Massen zu
reizen suchen.

Ich glaube den Gegner mit seine» eignen Waffe» schlagen zu können.
George sagt in dein Briefe, den er an Leo XIII. gerichtet hat, folgendes: „Die
Höhe des Lohnes schwankt zwischen dem vollen Ertrag der Arbeit, der ihr
dort verbleibt, wo noch freies Land zu haben ist, und dem niedrigsten Punkt,
bei dein der Mensch noch leben und arbeiten kann, nämlich dort, wo das Land
ganz monopolisirt ist. Deshalb sind dort, wo es leichter ist, Land zu bekommen,
z. B. in Australien und im Westen der Vereinigten Staaten, die Löhne höher
als in Europa." Was George hier vom Lohn sagt, muß er an einer andern
Stelle vom Zins zugeben, weil es über jeden Zweifel erhaben ist, daß im
Laufe der Jahrhunderte die fortschreitende Zivilisation auch diesen herunter-


Grenzl'vie» III 1.893 6g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215635"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Lemteilmlg der Bode»reforml&gt;cstreb»ngeu</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1885" prev="#ID_1884"> Ertrag ihrer Arbeit ganz; er wurde ihnen nicht einmal verkürzt durch irgend<lb/>
welche Steuer, denn die Gesellschaft besäße in ihrem gesellschaftlich erzeugten<lb/>
Nebenprodukt des steigenden Bodenwerts hinreichende Mittel, ihren Pflichten<lb/>
gegen die Gesamtheit nachzukommen." Nun gut, das deutsche Reich hat augen¬<lb/>
blicklich einen hauptsächlich auf indirekte Steuern gegründeten Ausgabcetat von<lb/>
1259 Millionen Mark. Aber nicht nur diese wären von der steigenden Grund¬<lb/>
rente zum größten Teile aufzubringen, sondern auch mancher ansehnliche Posten<lb/>
im Haushalt der Bundesstaaten, z.B. in Preußen die 179 Millionen Mark<lb/>
direkter und die 71 Millionen indirekter Steuern des heurigen Budgets. Rechnet<lb/>
man die einschlägigen Summe» zusammen, so wird man die Hoffnung, daß<lb/>
der jährliche Zuwachs der Grundrente jemals diese schwindelnde Höhe er¬<lb/>
reichen werde, endgiltig begraben. Und zu alledem findet sich in der Rech¬<lb/>
nung der Reformer noch ein großes Loch. Woher soll der Staat die hundert<lb/>
und soviel Milliarden nehmen, die er nötig hat, um sich zum alleinigen Grund¬<lb/>
besitzer zu machen? Woher?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1886"> Da sich aber die Anhänger der Reform über diese Frage nicht den Kopf<lb/>
zerbrechen, sondern sich vermutlich in dem Gedanken trösten, daß die Reichs¬<lb/>
druckerei das Geld beschaffen könne, folgern sie weiter, daß der Zins fallen<lb/>
werde, weil das private Kapital nicht mehr in Grund und Boden angelegt<lb/>
werden könne; daraus aber werde eine gesteigerte Nachfrage nach Arbeit und<lb/>
eine neue Blüte produktiver Unternehmungen erwachsen. Auch hier fahren<lb/>
die deutschen Bodenreformer im Kielwasser der amerikanischen Bewegung, ohne<lb/>
zu bedenken, daß die Durchführung ihres Planes, infolge der Entschädigung<lb/>
der gegenwärtigen Besitzer, mit unübersteigliche» finanziellen Schwierigkeiten<lb/>
zu kämpfen hätte, die George leichter Hand und leichten Herzens hinweg¬<lb/>
geräumt hat. Wir wollen jedoch die Behauptung, daß der fallende Zins eine<lb/>
Nachfrage nach Arbeit und somit eine Erhöhung des Lohnes zur Folge haben<lb/>
würde, einer Prüfung unterziehe», den» in diesem Satze steckt das Gewürz,<lb/>
womit die Anhänger Flürscheims, die das amerikanische Gericht im Interesse<lb/>
der heutigen Grundbesitzer verwässern müsse», den Appetit der Massen zu<lb/>
reizen suchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1887" next="#ID_1888"> Ich glaube den Gegner mit seine» eignen Waffe» schlagen zu können.<lb/>
George sagt in dein Briefe, den er an Leo XIII. gerichtet hat, folgendes: &#x201E;Die<lb/>
Höhe des Lohnes schwankt zwischen dem vollen Ertrag der Arbeit, der ihr<lb/>
dort verbleibt, wo noch freies Land zu haben ist, und dem niedrigsten Punkt,<lb/>
bei dein der Mensch noch leben und arbeiten kann, nämlich dort, wo das Land<lb/>
ganz monopolisirt ist. Deshalb sind dort, wo es leichter ist, Land zu bekommen,<lb/>
z. B. in Australien und im Westen der Vereinigten Staaten, die Löhne höher<lb/>
als in Europa." Was George hier vom Lohn sagt, muß er an einer andern<lb/>
Stelle vom Zins zugeben, weil es über jeden Zweifel erhaben ist, daß im<lb/>
Laufe der Jahrhunderte die fortschreitende Zivilisation auch diesen herunter-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzl'vie» III 1.893 6g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0545] Zur Lemteilmlg der Bode»reforml>cstreb»ngeu Ertrag ihrer Arbeit ganz; er wurde ihnen nicht einmal verkürzt durch irgend welche Steuer, denn die Gesellschaft besäße in ihrem gesellschaftlich erzeugten Nebenprodukt des steigenden Bodenwerts hinreichende Mittel, ihren Pflichten gegen die Gesamtheit nachzukommen." Nun gut, das deutsche Reich hat augen¬ blicklich einen hauptsächlich auf indirekte Steuern gegründeten Ausgabcetat von 1259 Millionen Mark. Aber nicht nur diese wären von der steigenden Grund¬ rente zum größten Teile aufzubringen, sondern auch mancher ansehnliche Posten im Haushalt der Bundesstaaten, z.B. in Preußen die 179 Millionen Mark direkter und die 71 Millionen indirekter Steuern des heurigen Budgets. Rechnet man die einschlägigen Summe» zusammen, so wird man die Hoffnung, daß der jährliche Zuwachs der Grundrente jemals diese schwindelnde Höhe er¬ reichen werde, endgiltig begraben. Und zu alledem findet sich in der Rech¬ nung der Reformer noch ein großes Loch. Woher soll der Staat die hundert und soviel Milliarden nehmen, die er nötig hat, um sich zum alleinigen Grund¬ besitzer zu machen? Woher? Da sich aber die Anhänger der Reform über diese Frage nicht den Kopf zerbrechen, sondern sich vermutlich in dem Gedanken trösten, daß die Reichs¬ druckerei das Geld beschaffen könne, folgern sie weiter, daß der Zins fallen werde, weil das private Kapital nicht mehr in Grund und Boden angelegt werden könne; daraus aber werde eine gesteigerte Nachfrage nach Arbeit und eine neue Blüte produktiver Unternehmungen erwachsen. Auch hier fahren die deutschen Bodenreformer im Kielwasser der amerikanischen Bewegung, ohne zu bedenken, daß die Durchführung ihres Planes, infolge der Entschädigung der gegenwärtigen Besitzer, mit unübersteigliche» finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte, die George leichter Hand und leichten Herzens hinweg¬ geräumt hat. Wir wollen jedoch die Behauptung, daß der fallende Zins eine Nachfrage nach Arbeit und somit eine Erhöhung des Lohnes zur Folge haben würde, einer Prüfung unterziehe», den» in diesem Satze steckt das Gewürz, womit die Anhänger Flürscheims, die das amerikanische Gericht im Interesse der heutigen Grundbesitzer verwässern müsse», den Appetit der Massen zu reizen suchen. Ich glaube den Gegner mit seine» eignen Waffe» schlagen zu können. George sagt in dein Briefe, den er an Leo XIII. gerichtet hat, folgendes: „Die Höhe des Lohnes schwankt zwischen dem vollen Ertrag der Arbeit, der ihr dort verbleibt, wo noch freies Land zu haben ist, und dem niedrigsten Punkt, bei dein der Mensch noch leben und arbeiten kann, nämlich dort, wo das Land ganz monopolisirt ist. Deshalb sind dort, wo es leichter ist, Land zu bekommen, z. B. in Australien und im Westen der Vereinigten Staaten, die Löhne höher als in Europa." Was George hier vom Lohn sagt, muß er an einer andern Stelle vom Zins zugeben, weil es über jeden Zweifel erhaben ist, daß im Laufe der Jahrhunderte die fortschreitende Zivilisation auch diesen herunter- Grenzl'vie» III 1.893 6g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/545
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/545>, abgerufen am 28.07.2024.