Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Alassenbewegung und Nationalitätenpolitik in Bsteireich schaffen sei, während sie doch sehen mußten, daß sie sich selbst in den Alassenbewegung und Nationalitätenpolitik in Bsteireich schaffen sei, während sie doch sehen mußten, daß sie sich selbst in den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215599"/> <fw type="header" place="top"> Alassenbewegung und Nationalitätenpolitik in Bsteireich</fw><lb/> <p xml:id="ID_1778" prev="#ID_1777"> schaffen sei, während sie doch sehen mußten, daß sie sich selbst in den<lb/> deutschen Erbländer nur mühsani des feindlichen Andranges erwehrten.<lb/> Dieser Doktrinarismus war so hartnäckig, daß sich die zentralistische und<lb/> liberale Partei noch im Jahre 1885 nicht entschließen konnte, das Be¬<lb/> kenntnis des Deutschtums in ihren Namen aufzunehmen. Ehe die Führer ge¬<lb/> statteten, daß sich die Partei den Fraktionsnamen „Deutscher Klub" beilege,<lb/> ließen sie es eher auf eine Spaltung ankommen: sie stießen dadurch viele<lb/> rührige und eifrige Elemente von sich, und das war, wenigstens zum Teil, die<lb/> Veranlassung, daß es an ihrem linken Flügel zu der beklagenswerten Zersplitte¬<lb/> rung kam, durch die das Deutschtum in Osterreich noch jetzt gelähmt wird.<lb/> Und wie notwendig wäre für die Deutschen der Bestand eines entschlossenen<lb/> radikalen Flügels, der in der Weise der äußersten Linken in Ungarn die Macht¬<lb/> haber zurückschreckte vor der Ausnutzung der Regierungsgewalt gegen den<lb/> deutschen Bolksstamm! Die Wirkungskraft der Deutschen ist dadurch gesunken,<lb/> daß sich ihre rührigsten, thatenfrendigften Elemente in zünftlerische und anti¬<lb/> semitische Schrullen verbissen und darüber ihre natürlichen nationalen<lb/> Pflichten hintangesetzt haben. Stark sein ist alles! Das Soldatensprüch¬<lb/> lein aus dem frommen Heere Cromwells: „Vertrat! auf Gott, mein Sohn,<lb/> und halte dein Pulver trocken!" gilt heute wie damals. Gunst des Schicksals,<lb/> allgemeine Weltverhültnisse, das Walten einer gütigen Vorsehung, wirtschaft¬<lb/> liche Glücksbedingungen — wann hätten sie je für sich ausgereicht, wenn nicht<lb/> die Kraft des Mannes angespannt war? Vieles hat sich vereinigt, um die<lb/> Deutschen Österreichs in die Ecke zu drängen. Aber so steht die Sache doch<lb/> nicht, daß sie mit einem unabwendbaren Schicksale rängen. Die Dentschbohmen<lb/> und die siebenbürgischen Sachsen liefern den Beweis, wie wenig ihnen der<lb/> Fremde an ihrem eignen Herde beizukommen vermag. Wären alle Deutschen<lb/> Österreichs so, so hätte es mit der zaghaften Defensive des Achtmillionen-<lb/> vvlks bald ein Ende, und dem Vordringen der Gegner wären überall feste<lb/> Schranken gezogen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
Alassenbewegung und Nationalitätenpolitik in Bsteireich
schaffen sei, während sie doch sehen mußten, daß sie sich selbst in den
deutschen Erbländer nur mühsani des feindlichen Andranges erwehrten.
Dieser Doktrinarismus war so hartnäckig, daß sich die zentralistische und
liberale Partei noch im Jahre 1885 nicht entschließen konnte, das Be¬
kenntnis des Deutschtums in ihren Namen aufzunehmen. Ehe die Führer ge¬
statteten, daß sich die Partei den Fraktionsnamen „Deutscher Klub" beilege,
ließen sie es eher auf eine Spaltung ankommen: sie stießen dadurch viele
rührige und eifrige Elemente von sich, und das war, wenigstens zum Teil, die
Veranlassung, daß es an ihrem linken Flügel zu der beklagenswerten Zersplitte¬
rung kam, durch die das Deutschtum in Osterreich noch jetzt gelähmt wird.
Und wie notwendig wäre für die Deutschen der Bestand eines entschlossenen
radikalen Flügels, der in der Weise der äußersten Linken in Ungarn die Macht¬
haber zurückschreckte vor der Ausnutzung der Regierungsgewalt gegen den
deutschen Bolksstamm! Die Wirkungskraft der Deutschen ist dadurch gesunken,
daß sich ihre rührigsten, thatenfrendigften Elemente in zünftlerische und anti¬
semitische Schrullen verbissen und darüber ihre natürlichen nationalen
Pflichten hintangesetzt haben. Stark sein ist alles! Das Soldatensprüch¬
lein aus dem frommen Heere Cromwells: „Vertrat! auf Gott, mein Sohn,
und halte dein Pulver trocken!" gilt heute wie damals. Gunst des Schicksals,
allgemeine Weltverhültnisse, das Walten einer gütigen Vorsehung, wirtschaft¬
liche Glücksbedingungen — wann hätten sie je für sich ausgereicht, wenn nicht
die Kraft des Mannes angespannt war? Vieles hat sich vereinigt, um die
Deutschen Österreichs in die Ecke zu drängen. Aber so steht die Sache doch
nicht, daß sie mit einem unabwendbaren Schicksale rängen. Die Dentschbohmen
und die siebenbürgischen Sachsen liefern den Beweis, wie wenig ihnen der
Fremde an ihrem eignen Herde beizukommen vermag. Wären alle Deutschen
Österreichs so, so hätte es mit der zaghaften Defensive des Achtmillionen-
vvlks bald ein Ende, und dem Vordringen der Gegner wären überall feste
Schranken gezogen.
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