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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Zur Wohnungsfrage

sich in einem Hanse wohnte", nun ein großes Haus gemeinsam bewohnen
müssen. Das sind große Übelstände, die aber freilich nicht zu ändern sind,
dn hier das Geld sein hartes, unerbittliches Wort mitzureden hat.

Wollte man den Stimmen der Presse Glauben scheuten, so wäre eine
eigentliche Wohnungsfrage nnr für den Arbeiter, und hier vor allem wieder
für den Fabrikarbeiter vorhanden. Es ist ein Zeichen großer Uneigennützig¬
reit, daß gerade die Arbeiterwohnung in den Vordergrund der Erörterung ge¬
stellt wird in Zeitschriften, die doch nur von Leuten gelesen werden, die man
gewöhnlich nicht nnter die Arbeiter rechnet, die Sorge xro äomo dagegen, -- hier
im eigentlichsten Sinn -- selten zum Worte kommt. Und doch kommen die Ge¬
fahren für das leibliche und sittliche Wohl, die durch die unzweckmäßige oder
unzulängliche Wohnung entstehen, nicht bloß beim Arbeiter in Betracht. Wir
denken namentlich an die Übelstände in den Wohnuugsverhültuissen der Offi¬
ziere und Beamten.

Die Wohnungsfrage im Leben der Offiziere und Beamten ist sehr oft
eine brennende Frage. Denn gerade in diesen Ständen gilt es sehr häusig
die Zelte abzubrechen und an andrer Stelle wieder aufzuschlagen. Oster noch
als bei den Beamtenfamilien bringen im Heere Versetzungen die Notwendigkeit
des Wohnungswechsels mit sich. Es ist keine Seltenheit, daß ein Stabsoffi¬
zier, der vielleicht fünfundzwanzig bis dreißig Jahre Offizier gewesen ist, zwölf
bis fünfzehn Garnisonen gehabt hat. Offiziere einzelner Truppengattungen,
wie der Pioniere, der Ingenieure, auch die der Artilleriedepots sind es schon
gewohnt, jede Garnison nur als vorübergehenden Aufenthalt anzusehen. Nur
ganz ausnahmsweise -- am häufigsten noch bei Offizieren in der Lentnants-
oder Hauptmannsstellung -- wird man hören, daß einer zehn Jahre und
länger in einer Garnison gewesen ist. Es wird darum auch nur sehr selten
der Fall sein, daß ein Offizier ein Hans erwirbt, selbst wenn er das nötige
Vermögen besäße.

So ist denn der Offizier und meist anch der Beamte auf Mietwohnung
angewiesen; denn die Zahl der Dienstwohnungen ist im ganzen gering. Noch
eher sind sie für Beamte vorhanden als für Offiziere. Sogar in vielen großen
Garnisonen giebt es nicht eine einzige Dienstwohnung für einen Offizier, und
nur ausnahmsweise verfügt die Militärbehörde über eine größere Zahl, wie
z.B. in Mainz, wo die zahlreiche", ehemals der Universität dienenden Häuser
in der Napoleonischen Zeit an die Militärverwaltung gefallen sind. In den
letzten dreißig Jahren ist aber der Bedarf um Wohnungen für Offizierfmnilieu
sehr groß geworden, da eben die Armee bedeutend vergrößert worden ist. In
wenigen Wochen wird wieder in zahlreichen Städten eine bedeutende Vermeh¬
rung der Garnison eintreten, zur Freude aller Hausbesitzer, zum Leidwesen
der vielen Familienväter, die es am Preise der Wohnungen sehr bald fühlen
werden, auch wenn sie nicht einem Wohnungswechsel unterworfen werden.


Zur Wohnungsfrage

sich in einem Hanse wohnte», nun ein großes Haus gemeinsam bewohnen
müssen. Das sind große Übelstände, die aber freilich nicht zu ändern sind,
dn hier das Geld sein hartes, unerbittliches Wort mitzureden hat.

Wollte man den Stimmen der Presse Glauben scheuten, so wäre eine
eigentliche Wohnungsfrage nnr für den Arbeiter, und hier vor allem wieder
für den Fabrikarbeiter vorhanden. Es ist ein Zeichen großer Uneigennützig¬
reit, daß gerade die Arbeiterwohnung in den Vordergrund der Erörterung ge¬
stellt wird in Zeitschriften, die doch nur von Leuten gelesen werden, die man
gewöhnlich nicht nnter die Arbeiter rechnet, die Sorge xro äomo dagegen, — hier
im eigentlichsten Sinn — selten zum Worte kommt. Und doch kommen die Ge¬
fahren für das leibliche und sittliche Wohl, die durch die unzweckmäßige oder
unzulängliche Wohnung entstehen, nicht bloß beim Arbeiter in Betracht. Wir
denken namentlich an die Übelstände in den Wohnuugsverhültuissen der Offi¬
ziere und Beamten.

Die Wohnungsfrage im Leben der Offiziere und Beamten ist sehr oft
eine brennende Frage. Denn gerade in diesen Ständen gilt es sehr häusig
die Zelte abzubrechen und an andrer Stelle wieder aufzuschlagen. Oster noch
als bei den Beamtenfamilien bringen im Heere Versetzungen die Notwendigkeit
des Wohnungswechsels mit sich. Es ist keine Seltenheit, daß ein Stabsoffi¬
zier, der vielleicht fünfundzwanzig bis dreißig Jahre Offizier gewesen ist, zwölf
bis fünfzehn Garnisonen gehabt hat. Offiziere einzelner Truppengattungen,
wie der Pioniere, der Ingenieure, auch die der Artilleriedepots sind es schon
gewohnt, jede Garnison nur als vorübergehenden Aufenthalt anzusehen. Nur
ganz ausnahmsweise — am häufigsten noch bei Offizieren in der Lentnants-
oder Hauptmannsstellung — wird man hören, daß einer zehn Jahre und
länger in einer Garnison gewesen ist. Es wird darum auch nur sehr selten
der Fall sein, daß ein Offizier ein Hans erwirbt, selbst wenn er das nötige
Vermögen besäße.

So ist denn der Offizier und meist anch der Beamte auf Mietwohnung
angewiesen; denn die Zahl der Dienstwohnungen ist im ganzen gering. Noch
eher sind sie für Beamte vorhanden als für Offiziere. Sogar in vielen großen
Garnisonen giebt es nicht eine einzige Dienstwohnung für einen Offizier, und
nur ausnahmsweise verfügt die Militärbehörde über eine größere Zahl, wie
z.B. in Mainz, wo die zahlreiche», ehemals der Universität dienenden Häuser
in der Napoleonischen Zeit an die Militärverwaltung gefallen sind. In den
letzten dreißig Jahren ist aber der Bedarf um Wohnungen für Offizierfmnilieu
sehr groß geworden, da eben die Armee bedeutend vergrößert worden ist. In
wenigen Wochen wird wieder in zahlreichen Städten eine bedeutende Vermeh¬
rung der Garnison eintreten, zur Freude aller Hausbesitzer, zum Leidwesen
der vielen Familienväter, die es am Preise der Wohnungen sehr bald fühlen
werden, auch wenn sie nicht einem Wohnungswechsel unterworfen werden.


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[0399] Zur Wohnungsfrage sich in einem Hanse wohnte», nun ein großes Haus gemeinsam bewohnen müssen. Das sind große Übelstände, die aber freilich nicht zu ändern sind, dn hier das Geld sein hartes, unerbittliches Wort mitzureden hat. Wollte man den Stimmen der Presse Glauben scheuten, so wäre eine eigentliche Wohnungsfrage nnr für den Arbeiter, und hier vor allem wieder für den Fabrikarbeiter vorhanden. Es ist ein Zeichen großer Uneigennützig¬ reit, daß gerade die Arbeiterwohnung in den Vordergrund der Erörterung ge¬ stellt wird in Zeitschriften, die doch nur von Leuten gelesen werden, die man gewöhnlich nicht nnter die Arbeiter rechnet, die Sorge xro äomo dagegen, — hier im eigentlichsten Sinn — selten zum Worte kommt. Und doch kommen die Ge¬ fahren für das leibliche und sittliche Wohl, die durch die unzweckmäßige oder unzulängliche Wohnung entstehen, nicht bloß beim Arbeiter in Betracht. Wir denken namentlich an die Übelstände in den Wohnuugsverhültuissen der Offi¬ ziere und Beamten. Die Wohnungsfrage im Leben der Offiziere und Beamten ist sehr oft eine brennende Frage. Denn gerade in diesen Ständen gilt es sehr häusig die Zelte abzubrechen und an andrer Stelle wieder aufzuschlagen. Oster noch als bei den Beamtenfamilien bringen im Heere Versetzungen die Notwendigkeit des Wohnungswechsels mit sich. Es ist keine Seltenheit, daß ein Stabsoffi¬ zier, der vielleicht fünfundzwanzig bis dreißig Jahre Offizier gewesen ist, zwölf bis fünfzehn Garnisonen gehabt hat. Offiziere einzelner Truppengattungen, wie der Pioniere, der Ingenieure, auch die der Artilleriedepots sind es schon gewohnt, jede Garnison nur als vorübergehenden Aufenthalt anzusehen. Nur ganz ausnahmsweise — am häufigsten noch bei Offizieren in der Lentnants- oder Hauptmannsstellung — wird man hören, daß einer zehn Jahre und länger in einer Garnison gewesen ist. Es wird darum auch nur sehr selten der Fall sein, daß ein Offizier ein Hans erwirbt, selbst wenn er das nötige Vermögen besäße. So ist denn der Offizier und meist anch der Beamte auf Mietwohnung angewiesen; denn die Zahl der Dienstwohnungen ist im ganzen gering. Noch eher sind sie für Beamte vorhanden als für Offiziere. Sogar in vielen großen Garnisonen giebt es nicht eine einzige Dienstwohnung für einen Offizier, und nur ausnahmsweise verfügt die Militärbehörde über eine größere Zahl, wie z.B. in Mainz, wo die zahlreiche», ehemals der Universität dienenden Häuser in der Napoleonischen Zeit an die Militärverwaltung gefallen sind. In den letzten dreißig Jahren ist aber der Bedarf um Wohnungen für Offizierfmnilieu sehr groß geworden, da eben die Armee bedeutend vergrößert worden ist. In wenigen Wochen wird wieder in zahlreichen Städten eine bedeutende Vermeh¬ rung der Garnison eintreten, zur Freude aller Hausbesitzer, zum Leidwesen der vielen Familienväter, die es am Preise der Wohnungen sehr bald fühlen werden, auch wenn sie nicht einem Wohnungswechsel unterworfen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/399>, abgerufen am 23.11.2024.