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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

bezeichnete, bloßer Strohmann und Sitzrcdakteur ist. Der Mitarbeiter, der die
schönen Beiträge nach dem Französischen bearbeitet hatte, ist gleichzeitig Redakteur
eines andern Organs "Die Kunst," und auf die Bemerkung des Staatsanwalts,
daß beide auf gleicher Stufe stünden, entgegnete er würdevoll, seine "Kunst" sei ein
anständiges Blute.

Die Verteidiger, mit den bezeichnenden Namen Ellbogen und Rosenfeld, fanden
natürlich die Aufsätze ganz harmlos. Der eine erklärte es für unbegreiflich, daß
in einer Zeit, wo Zola und Maupassaut "Klassiker der Weltlitteratur" geworden
seien, dergleichen gerichtlich verfolgt werden könne, und der zweite schwang sich zu
der vollen Höhe "forensischer Beredsamkeit" empor, indem er feierlich gegen diesen
Versuch der Unterdrückung "einer neuen Kunstrichtung, des Naturalismus," pro-
testirte. Wenn sie diesem Versuche nicht widerstünden, rief er den Geschwornen
zu, dann sei es "mit aller Kunst und Litteratur für alle Zeiten aus und
vorbei."

Daß es, wenn solchem Treiben nicht gesteuert würde, bald mit manchem "aus
und vorbei" sein würde, unterliegt keinem Zweifel.




Litteratur
Feldpostbriefe eines vermißten ehcmnliqcii Afrnuers aus dem Kriege 1870. Von G. Tiirk.
Leipzig, Fr. Will,. Grnnow, 1893

Die Litteratur der Kriegseriunerungen zählt schon nach Hunderten. In den
letzten Jahren, wo viele von den 187vern in das Alter eingetreten sind, das zum
Rückblick und zur Sammlung neigt, ist sie noch rascher gewachsen als früher. Auch
litterarische Handwerksgeselle", die leider nur der litterarischen Gewerbefreiheit ihre
Aufnahme in die Zunft verdanken, haben Buch auf Buch über die große Zeit zu-
sammengeschmiert, über Geschehenes und Nichtgeschehenes gleich fix berichtet, wie
z. B. der wortreiche Herr Tnnera. der uns das Übel zufügt, seine Soldaten in
Dialekten reden zu lassen, die er selbst nicht versteht. Glücklicherweise ist aber
anch so manches Büchlein in dieser Menge, das man nur aufzuschlagen braucht,
um einen Hauch des Geistes von 1870 zu spüren, der uns in diesen Jahrestagen
großer Ereignisse, die um bald ein Menschenalter hinter unter uns liegen werden,
doppelt wohlthuend anwehe. Die "Feldpostbriefe eines vermißten ehemaligen
Afrauers" erfüllen uns selbst mit dem Schwung, der diese junge Seele in den
Krieg führte. Das bereite Verständnis für das Kriegshandwerk, dabei die Be¬
scheidenheit, die Menschlichkeit, und über allem der Todesart, alles selbstverständ¬
lich, ohne Pose -- so waren sie, die, um ein Wort des alten Hase an einen seiner
drei Söhne, die damals in Frankreich dienten, zu wiederholen, "rüstig fortfuhren,
die Gottesgerichte an Frankreich zu vollzieht! und soweit es der einzelne an dem
einzelnen hie und da vermag, zu mildern." Bei unserm Afrouer läuft dabei ge¬
legentlich anch ein sächsisches Späßchen mit unter, das ihn uns menschlich nur noch
näherrückt. Wir machen Metz, Sedan und Paris mit ihm durch, bis ihn bei


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bezeichnete, bloßer Strohmann und Sitzrcdakteur ist. Der Mitarbeiter, der die
schönen Beiträge nach dem Französischen bearbeitet hatte, ist gleichzeitig Redakteur
eines andern Organs „Die Kunst," und auf die Bemerkung des Staatsanwalts,
daß beide auf gleicher Stufe stünden, entgegnete er würdevoll, seine „Kunst" sei ein
anständiges Blute.

Die Verteidiger, mit den bezeichnenden Namen Ellbogen und Rosenfeld, fanden
natürlich die Aufsätze ganz harmlos. Der eine erklärte es für unbegreiflich, daß
in einer Zeit, wo Zola und Maupassaut „Klassiker der Weltlitteratur" geworden
seien, dergleichen gerichtlich verfolgt werden könne, und der zweite schwang sich zu
der vollen Höhe „forensischer Beredsamkeit" empor, indem er feierlich gegen diesen
Versuch der Unterdrückung „einer neuen Kunstrichtung, des Naturalismus," pro-
testirte. Wenn sie diesem Versuche nicht widerstünden, rief er den Geschwornen
zu, dann sei es „mit aller Kunst und Litteratur für alle Zeiten aus und
vorbei."

Daß es, wenn solchem Treiben nicht gesteuert würde, bald mit manchem „aus
und vorbei" sein würde, unterliegt keinem Zweifel.




Litteratur
Feldpostbriefe eines vermißten ehcmnliqcii Afrnuers aus dem Kriege 1870. Von G. Tiirk.
Leipzig, Fr. Will,. Grnnow, 1893

Die Litteratur der Kriegseriunerungen zählt schon nach Hunderten. In den
letzten Jahren, wo viele von den 187vern in das Alter eingetreten sind, das zum
Rückblick und zur Sammlung neigt, ist sie noch rascher gewachsen als früher. Auch
litterarische Handwerksgeselle», die leider nur der litterarischen Gewerbefreiheit ihre
Aufnahme in die Zunft verdanken, haben Buch auf Buch über die große Zeit zu-
sammengeschmiert, über Geschehenes und Nichtgeschehenes gleich fix berichtet, wie
z. B. der wortreiche Herr Tnnera. der uns das Übel zufügt, seine Soldaten in
Dialekten reden zu lassen, die er selbst nicht versteht. Glücklicherweise ist aber
anch so manches Büchlein in dieser Menge, das man nur aufzuschlagen braucht,
um einen Hauch des Geistes von 1870 zu spüren, der uns in diesen Jahrestagen
großer Ereignisse, die um bald ein Menschenalter hinter unter uns liegen werden,
doppelt wohlthuend anwehe. Die „Feldpostbriefe eines vermißten ehemaligen
Afrauers" erfüllen uns selbst mit dem Schwung, der diese junge Seele in den
Krieg führte. Das bereite Verständnis für das Kriegshandwerk, dabei die Be¬
scheidenheit, die Menschlichkeit, und über allem der Todesart, alles selbstverständ¬
lich, ohne Pose — so waren sie, die, um ein Wort des alten Hase an einen seiner
drei Söhne, die damals in Frankreich dienten, zu wiederholen, „rüstig fortfuhren,
die Gottesgerichte an Frankreich zu vollzieht! und soweit es der einzelne an dem
einzelnen hie und da vermag, zu mildern." Bei unserm Afrouer läuft dabei ge¬
legentlich anch ein sächsisches Späßchen mit unter, das ihn uns menschlich nur noch
näherrückt. Wir machen Metz, Sedan und Paris mit ihm durch, bis ihn bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/391>, abgerufen am 27.11.2024.