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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Line einzige SteuerI

Wird dagegen der gesellschaftliche Grund- und Bvdeuwert einzelnen
Bürgern gelassen, so macht er andre Bürger, oft auch den Staat und die
Gemeinde jenen Steuer- oder tributpflichtig.

Man bedenke, wer den Grund- und Bodenwert hervorbringt. Er ent¬
steht nicht aus Produktionskosten, wie der Wert von Häusern, Schiffen, Mehl
und andern Dingen, die durch Arbeit erzeugt wurden. Denn der Erdboden
ist nicht von Menschen gemacht, sondern von Gott erschaffen worden. Die
ökonomische Grundrente entsteht nicht ans der auf den Boden verwandten
Arbeit. Auf diese Weise entstandner Wert wird Verbesserungswert, im Juristen¬
deutsch "Melioration" genannt. Der Wert eines leeren Grundstückes hängt
vielmehr von den Vorzügen ab, die es von der Natur oder durch seine ört¬
liche Lage bekommen hat, und die es begehrter machen als andre Grundstücke.
Die Käufer oder Pächter find daher bereit, für besseres Land eine Prämie
in Gestalt vou Kaufpreis oder Rente (Grundpacht) zu bezahlen für die Er¬
laubnis, es zu bebauen und zu benutzen. Diesen Wert könnte man anch den
..Gesellschaftswert" des Grund und Bodens nennen, denn er ist nur der Ge¬
sellschaft zu verdanken. Die Gerechtigkeit gebietet also, daß die Gesellschaft
den durch ihr Dasein und ihr "eigen Thun" geschaffnen Grund- und Boden¬
wert als ihr "Eigentum" in Anspruch nimmt.

Man muß sich ferner den Unterschied zwischen dem Wert eines Hauses
und dem Wert eines Grundstückes klar machen. Der Wert eines Hauses, sein
Bauwerk, ist, gleich dem Wert andrer Waren, durch die Thätigkeit einzelner
Menschen und deren Kapital erzeugt worden. Folglich gehört er rechtmäßiger¬
weise dem einzelnen Erzeuger. Aber der Wert des Grund und Bodens ent¬
steht nur aus dem Dasein und dem Wachstum der Gesamtheit, durch ihre
allgemeinem Verbesserungen und öffentlichen Einrichtungen. Folglich gehört
er gerechterweise der Gesnnnheit.

Nicht durch die Arbeit der 13000 Grundeigentümer Berlins ist der Wert
leerer Vaugrundstücke bis auf Millionen Mark für den Morgen gestiegen, sondern
infolge des Zuwachses der Bevölkerung auf 1600000 bodenloser Einwohner,
durch die riesigem Ausgaben der Stadtverwaltung und infolge der Spekulation,
die diese Grundwerke längst über die ökonomische Rente hinaus auf eine spe¬
kulative Monopvlrente getrieben hat.

Der Grund- und Bodenwert bildet also unzweifelhaft das Volksvermögen,
ans dem die Volksausgaben bestritten werden sollten. Er stellt in seinem
jährlichen Ertragswert eine Volksrente dar, die das Volk mit gutem Recht
als seinen gemeinsamen Lohn für seine gemeinsame Thätigkeit betrachten kann.
Es ist offenbar ein Naturgesetz, nach dem die ökonomische Grundrente mit
der Kopfzahl der Bevölkerung, mit den Fortschritten und Erfindungen im
Wirtschaftsleben, überhaupt mit der Volkskultur in geradezu mathematischem
Verhältnis steigt. Die ökonomische Grundrente muß daher für die Bedürf-


Grenzboten III 1803 3
Line einzige SteuerI

Wird dagegen der gesellschaftliche Grund- und Bvdeuwert einzelnen
Bürgern gelassen, so macht er andre Bürger, oft auch den Staat und die
Gemeinde jenen Steuer- oder tributpflichtig.

Man bedenke, wer den Grund- und Bodenwert hervorbringt. Er ent¬
steht nicht aus Produktionskosten, wie der Wert von Häusern, Schiffen, Mehl
und andern Dingen, die durch Arbeit erzeugt wurden. Denn der Erdboden
ist nicht von Menschen gemacht, sondern von Gott erschaffen worden. Die
ökonomische Grundrente entsteht nicht ans der auf den Boden verwandten
Arbeit. Auf diese Weise entstandner Wert wird Verbesserungswert, im Juristen¬
deutsch „Melioration" genannt. Der Wert eines leeren Grundstückes hängt
vielmehr von den Vorzügen ab, die es von der Natur oder durch seine ört¬
liche Lage bekommen hat, und die es begehrter machen als andre Grundstücke.
Die Käufer oder Pächter find daher bereit, für besseres Land eine Prämie
in Gestalt vou Kaufpreis oder Rente (Grundpacht) zu bezahlen für die Er¬
laubnis, es zu bebauen und zu benutzen. Diesen Wert könnte man anch den
..Gesellschaftswert" des Grund und Bodens nennen, denn er ist nur der Ge¬
sellschaft zu verdanken. Die Gerechtigkeit gebietet also, daß die Gesellschaft
den durch ihr Dasein und ihr „eigen Thun" geschaffnen Grund- und Boden¬
wert als ihr „Eigentum" in Anspruch nimmt.

Man muß sich ferner den Unterschied zwischen dem Wert eines Hauses
und dem Wert eines Grundstückes klar machen. Der Wert eines Hauses, sein
Bauwerk, ist, gleich dem Wert andrer Waren, durch die Thätigkeit einzelner
Menschen und deren Kapital erzeugt worden. Folglich gehört er rechtmäßiger¬
weise dem einzelnen Erzeuger. Aber der Wert des Grund und Bodens ent¬
steht nur aus dem Dasein und dem Wachstum der Gesamtheit, durch ihre
allgemeinem Verbesserungen und öffentlichen Einrichtungen. Folglich gehört
er gerechterweise der Gesnnnheit.

Nicht durch die Arbeit der 13000 Grundeigentümer Berlins ist der Wert
leerer Vaugrundstücke bis auf Millionen Mark für den Morgen gestiegen, sondern
infolge des Zuwachses der Bevölkerung auf 1600000 bodenloser Einwohner,
durch die riesigem Ausgaben der Stadtverwaltung und infolge der Spekulation,
die diese Grundwerke längst über die ökonomische Rente hinaus auf eine spe¬
kulative Monopvlrente getrieben hat.

Der Grund- und Bodenwert bildet also unzweifelhaft das Volksvermögen,
ans dem die Volksausgaben bestritten werden sollten. Er stellt in seinem
jährlichen Ertragswert eine Volksrente dar, die das Volk mit gutem Recht
als seinen gemeinsamen Lohn für seine gemeinsame Thätigkeit betrachten kann.
Es ist offenbar ein Naturgesetz, nach dem die ökonomische Grundrente mit
der Kopfzahl der Bevölkerung, mit den Fortschritten und Erfindungen im
Wirtschaftsleben, überhaupt mit der Volkskultur in geradezu mathematischem
Verhältnis steigt. Die ökonomische Grundrente muß daher für die Bedürf-


Grenzboten III 1803 3
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[0025] Line einzige SteuerI Wird dagegen der gesellschaftliche Grund- und Bvdeuwert einzelnen Bürgern gelassen, so macht er andre Bürger, oft auch den Staat und die Gemeinde jenen Steuer- oder tributpflichtig. Man bedenke, wer den Grund- und Bodenwert hervorbringt. Er ent¬ steht nicht aus Produktionskosten, wie der Wert von Häusern, Schiffen, Mehl und andern Dingen, die durch Arbeit erzeugt wurden. Denn der Erdboden ist nicht von Menschen gemacht, sondern von Gott erschaffen worden. Die ökonomische Grundrente entsteht nicht ans der auf den Boden verwandten Arbeit. Auf diese Weise entstandner Wert wird Verbesserungswert, im Juristen¬ deutsch „Melioration" genannt. Der Wert eines leeren Grundstückes hängt vielmehr von den Vorzügen ab, die es von der Natur oder durch seine ört¬ liche Lage bekommen hat, und die es begehrter machen als andre Grundstücke. Die Käufer oder Pächter find daher bereit, für besseres Land eine Prämie in Gestalt vou Kaufpreis oder Rente (Grundpacht) zu bezahlen für die Er¬ laubnis, es zu bebauen und zu benutzen. Diesen Wert könnte man anch den ..Gesellschaftswert" des Grund und Bodens nennen, denn er ist nur der Ge¬ sellschaft zu verdanken. Die Gerechtigkeit gebietet also, daß die Gesellschaft den durch ihr Dasein und ihr „eigen Thun" geschaffnen Grund- und Boden¬ wert als ihr „Eigentum" in Anspruch nimmt. Man muß sich ferner den Unterschied zwischen dem Wert eines Hauses und dem Wert eines Grundstückes klar machen. Der Wert eines Hauses, sein Bauwerk, ist, gleich dem Wert andrer Waren, durch die Thätigkeit einzelner Menschen und deren Kapital erzeugt worden. Folglich gehört er rechtmäßiger¬ weise dem einzelnen Erzeuger. Aber der Wert des Grund und Bodens ent¬ steht nur aus dem Dasein und dem Wachstum der Gesamtheit, durch ihre allgemeinem Verbesserungen und öffentlichen Einrichtungen. Folglich gehört er gerechterweise der Gesnnnheit. Nicht durch die Arbeit der 13000 Grundeigentümer Berlins ist der Wert leerer Vaugrundstücke bis auf Millionen Mark für den Morgen gestiegen, sondern infolge des Zuwachses der Bevölkerung auf 1600000 bodenloser Einwohner, durch die riesigem Ausgaben der Stadtverwaltung und infolge der Spekulation, die diese Grundwerke längst über die ökonomische Rente hinaus auf eine spe¬ kulative Monopvlrente getrieben hat. Der Grund- und Bodenwert bildet also unzweifelhaft das Volksvermögen, ans dem die Volksausgaben bestritten werden sollten. Er stellt in seinem jährlichen Ertragswert eine Volksrente dar, die das Volk mit gutem Recht als seinen gemeinsamen Lohn für seine gemeinsame Thätigkeit betrachten kann. Es ist offenbar ein Naturgesetz, nach dem die ökonomische Grundrente mit der Kopfzahl der Bevölkerung, mit den Fortschritten und Erfindungen im Wirtschaftsleben, überhaupt mit der Volkskultur in geradezu mathematischem Verhältnis steigt. Die ökonomische Grundrente muß daher für die Bedürf- Grenzboten III 1803 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/25>, abgerufen am 01.09.2024.