Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Bilder aus dein Mester wenigstens die von den sonnendurchglühten Wänden ausstrahlende Hitze aller Das Schauspiel war eben zu Ende, als wir in den Turnhallengarten Da hörten wir vom andern Tische her die Stimme Meister Vögeleins, der Zum wieviel hundertsten male soll ich euch deun das erzählen? schrie Schallendes Gelächter übertönte die Nusioa saorir. Also zur Wechselbank ist hier die Kirche geworden, dachte ich, und der Der Gott heißt -- der Dollar. Bilder aus dein Mester wenigstens die von den sonnendurchglühten Wänden ausstrahlende Hitze aller Das Schauspiel war eben zu Ende, als wir in den Turnhallengarten Da hörten wir vom andern Tische her die Stimme Meister Vögeleins, der Zum wieviel hundertsten male soll ich euch deun das erzählen? schrie Schallendes Gelächter übertönte die Nusioa saorir. Also zur Wechselbank ist hier die Kirche geworden, dachte ich, und der Der Gott heißt — der Dollar. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215330"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dein Mester</fw><lb/> <p xml:id="ID_835" prev="#ID_834"> wenigstens die von den sonnendurchglühten Wänden ausstrahlende Hitze aller<lb/> halben Stunden mit einer großen Schlauchspritze abkühlen. Dazu machten die<lb/> Heuschrecken ihr Konzert. Die Frauen gingen dann Wohl einmal hinüber zur<lb/> Apotheke an der Straßenecke, wo sie sich süßen Kaugummi oder Cigaretten<lb/> oder ein Glas Sodaeream geben ließen, und die Herren holten sich von der<lb/> andern Straßenecke ein Blcchgeschirr voll Bier, das sie dann vor der Thür<lb/> im Freien tranken, zum Ärger der Temperenzler rechts und links, die es in<lb/> verdeckten Körben holten und vorsichtig hinter der Hausthür tranken. Am<lb/> besten that' man, wenn man ein paar Nachmittags- oder Abendstunden in dem<lb/> luftigen Kabelbahnwagen oder im Garten der Turnhalle verbrachte, wie es<lb/> heute, nach einem kleinen Ausflug ins Freie, auch wieder geschah.</p><lb/> <p xml:id="ID_836"> Das Schauspiel war eben zu Ende, als wir in den Turnhallengarten<lb/> traten. Alles wiederholte summend den Endreim des Kvuplcts, das mit<lb/> stürmischem Beifall aufgenommen worden war, denn der Komiker hatte sich<lb/> erdreistet, das ganze Sklavenelend des Deutschtums im „freien Westen" zu<lb/> geißeln. Wie sich der Deutsche von allen ausnutzen läßt, um sich dann<lb/> schließlich doch beiseite schieben zu lassen, das schilderte Vers für Vers mit<lb/> dem Schlußreim:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_837"> Da hörten wir vom andern Tische her die Stimme Meister Vögeleins, der<lb/> zum so und sovielten male aufgefordert worden war, die ärgerliche Kirchen¬<lb/> geschichte zum Besten zu geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_838"> Zum wieviel hundertsten male soll ich euch deun das erzählen? schrie<lb/> der erhitzte kleine Mann, indem er sich den Schweiß von der Stirn wischte<lb/> und vorbeizukommen suchte; als Pastor Fischer sah, daß wir uns von ihm<lb/> nicht so abspeisen ließen, sprach er von „Schluß der Versammlung," gab uns<lb/> seineu Segen und sagte: „Der Herr segne auch und behüte euch und gebe euch<lb/> seineu Frieden. Amen. Aber die Hypothek kriegt ihr nicht!" Und damit<lb/> nahm er seinen Doktorstab und ging zum Tempel hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_839"> Schallendes Gelächter übertönte die Nusioa saorir.</p><lb/> <p xml:id="ID_840"> Also zur Wechselbank ist hier die Kirche geworden, dachte ich, und der<lb/> Choral aus dem Morgengottesdienste fiel mir wieder ein: Wir glaube» all<lb/> an einen Gott.</p><lb/> <p xml:id="ID_841"> Der Gott heißt — der Dollar.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0240]
Bilder aus dein Mester
wenigstens die von den sonnendurchglühten Wänden ausstrahlende Hitze aller
halben Stunden mit einer großen Schlauchspritze abkühlen. Dazu machten die
Heuschrecken ihr Konzert. Die Frauen gingen dann Wohl einmal hinüber zur
Apotheke an der Straßenecke, wo sie sich süßen Kaugummi oder Cigaretten
oder ein Glas Sodaeream geben ließen, und die Herren holten sich von der
andern Straßenecke ein Blcchgeschirr voll Bier, das sie dann vor der Thür
im Freien tranken, zum Ärger der Temperenzler rechts und links, die es in
verdeckten Körben holten und vorsichtig hinter der Hausthür tranken. Am
besten that' man, wenn man ein paar Nachmittags- oder Abendstunden in dem
luftigen Kabelbahnwagen oder im Garten der Turnhalle verbrachte, wie es
heute, nach einem kleinen Ausflug ins Freie, auch wieder geschah.
Das Schauspiel war eben zu Ende, als wir in den Turnhallengarten
traten. Alles wiederholte summend den Endreim des Kvuplcts, das mit
stürmischem Beifall aufgenommen worden war, denn der Komiker hatte sich
erdreistet, das ganze Sklavenelend des Deutschtums im „freien Westen" zu
geißeln. Wie sich der Deutsche von allen ausnutzen läßt, um sich dann
schließlich doch beiseite schieben zu lassen, das schilderte Vers für Vers mit
dem Schlußreim:
Da hörten wir vom andern Tische her die Stimme Meister Vögeleins, der
zum so und sovielten male aufgefordert worden war, die ärgerliche Kirchen¬
geschichte zum Besten zu geben.
Zum wieviel hundertsten male soll ich euch deun das erzählen? schrie
der erhitzte kleine Mann, indem er sich den Schweiß von der Stirn wischte
und vorbeizukommen suchte; als Pastor Fischer sah, daß wir uns von ihm
nicht so abspeisen ließen, sprach er von „Schluß der Versammlung," gab uns
seineu Segen und sagte: „Der Herr segne auch und behüte euch und gebe euch
seineu Frieden. Amen. Aber die Hypothek kriegt ihr nicht!" Und damit
nahm er seinen Doktorstab und ging zum Tempel hinaus.
Schallendes Gelächter übertönte die Nusioa saorir.
Also zur Wechselbank ist hier die Kirche geworden, dachte ich, und der
Choral aus dem Morgengottesdienste fiel mir wieder ein: Wir glaube» all
an einen Gott.
Der Gott heißt — der Dollar.
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