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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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sich durch Zeitungenaustragen verdient hatten; der ältere beanspruchte ihn
für sich allein als Taschengeld, obwohl ihm der kleinere bei der Arbeit be¬
hilflich gewesen war.

Ich sehe nicht ein, was du dagegen hast, wenn die Jungen frühzeitig
solche kleine Nebenverdienste machen lernen, sagte die Mutter. Je früher sie
selbständig Geld verdienen, um so besser.

Ach, sie sollen erst was ordentliches lernen, murrte der Mann.

Wozu hast dn uns denn aber das schöne Buch Kuiciv to Luc-coss, den
"Katechismus des Erfolgs" gekauft? warf der ältere der beiden Jungen ein.
Darin steht doch deutlich: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott; wer sich nicht
selbst hilft, dem hilft Gott nimmer!

Der (lniäö to Lueosss hat Recht, triumphirte die Mutter: kein Erfolg
ohne Geld, was ist Wissen ohne Geld? Geld, Geld, Geld! wiederholte der
Papagei, sodaß die Spottdrossel ans unserm Grundstück ärgerlich dazwischen
Pfiff, und auf der Straße flog ein Sperling aus einer zankenden Schar mit
einem Bissen im Schnabel, um den sie sich alle gestritten hatten, siegreich davon,
und die andern mit wildem Gezwitscher ihm nach.

Dann wurde es wieder still, und wir musterten die wenigen Vorüber¬
gehenden auf der frischgesprengten, hvlzgepflasterten Straße, die heute sonn¬
täglich still war. Nur einige Kirchgünger mit Gesangbüchern unterm Arm, meist
dem Handwerkerstande angehörig, kamen im schwarzen Sonntagsanzug vorbei.

Nun, wohin denn so eilig mit dem großen Gesangbuch, Meister Vögelein?
rief Karl unserm Klempuermeister zu, der auch nach der nahen Kirche eilte.

Meister Vögelein hatte bei unserm Einzug die Hauptarbeit, die Ver¬
bindung des Ofens und Kochkessels mit der Wasserleitung besorgt und hatte
uns dabei mancherlei erzählt, was uns einen Einblick in die Erhabenheit seiner
Welt- und Lebensanschauung gewährte.

Abschiedspredigt von Pastor Fischer! schmunzelte er im Vorbeigehen.

Das werden Sie ungläubiger Thomas uns doch nicht weiß machen, daß
Sie deswegen hingehen!

Nun, wenn Sie es gern wissen wollen, fügte er hinzu, Nur müsse" eine
Gemeindeversammlung berufen, heute oder nie. Es ist wegen der Hypothek
aufs Kirchengrundstück! Damit verschwand er um die Ecke, wo diesmal be¬
sonders viel männliche Kirchgünger einbogen; handelte es sich doch um die
Hauptsache bei der ganzen Kirchenaugelegenheit -- ums liebe Geld!

Die Gemeinde war vor Jahr und Tag dem Pastor bei der Erwerbung
des Kirchengrundstücks opferwillig behilflich gewesen. Alle hatten gezeichnet,
Meiste Vögelein mit das meiste. Nun, wo sich Pastor Fischer zurückzog,
um seinen Beruf aufzugeben und einen andern zu ergreifen, wollten sie sich
^es sichern. Wir konnten dein tüchtigen, fleißigen Klempnermeister nur den
besten Erfolg wünschen.


^renzbowi III 1893

sich durch Zeitungenaustragen verdient hatten; der ältere beanspruchte ihn
für sich allein als Taschengeld, obwohl ihm der kleinere bei der Arbeit be¬
hilflich gewesen war.

Ich sehe nicht ein, was du dagegen hast, wenn die Jungen frühzeitig
solche kleine Nebenverdienste machen lernen, sagte die Mutter. Je früher sie
selbständig Geld verdienen, um so besser.

Ach, sie sollen erst was ordentliches lernen, murrte der Mann.

Wozu hast dn uns denn aber das schöne Buch Kuiciv to Luc-coss, den
„Katechismus des Erfolgs" gekauft? warf der ältere der beiden Jungen ein.
Darin steht doch deutlich: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott; wer sich nicht
selbst hilft, dem hilft Gott nimmer!

Der (lniäö to Lueosss hat Recht, triumphirte die Mutter: kein Erfolg
ohne Geld, was ist Wissen ohne Geld? Geld, Geld, Geld! wiederholte der
Papagei, sodaß die Spottdrossel ans unserm Grundstück ärgerlich dazwischen
Pfiff, und auf der Straße flog ein Sperling aus einer zankenden Schar mit
einem Bissen im Schnabel, um den sie sich alle gestritten hatten, siegreich davon,
und die andern mit wildem Gezwitscher ihm nach.

Dann wurde es wieder still, und wir musterten die wenigen Vorüber¬
gehenden auf der frischgesprengten, hvlzgepflasterten Straße, die heute sonn¬
täglich still war. Nur einige Kirchgünger mit Gesangbüchern unterm Arm, meist
dem Handwerkerstande angehörig, kamen im schwarzen Sonntagsanzug vorbei.

Nun, wohin denn so eilig mit dem großen Gesangbuch, Meister Vögelein?
rief Karl unserm Klempuermeister zu, der auch nach der nahen Kirche eilte.

Meister Vögelein hatte bei unserm Einzug die Hauptarbeit, die Ver¬
bindung des Ofens und Kochkessels mit der Wasserleitung besorgt und hatte
uns dabei mancherlei erzählt, was uns einen Einblick in die Erhabenheit seiner
Welt- und Lebensanschauung gewährte.

Abschiedspredigt von Pastor Fischer! schmunzelte er im Vorbeigehen.

Das werden Sie ungläubiger Thomas uns doch nicht weiß machen, daß
Sie deswegen hingehen!

Nun, wenn Sie es gern wissen wollen, fügte er hinzu, Nur müsse» eine
Gemeindeversammlung berufen, heute oder nie. Es ist wegen der Hypothek
aufs Kirchengrundstück! Damit verschwand er um die Ecke, wo diesmal be¬
sonders viel männliche Kirchgünger einbogen; handelte es sich doch um die
Hauptsache bei der ganzen Kirchenaugelegenheit — ums liebe Geld!

Die Gemeinde war vor Jahr und Tag dem Pastor bei der Erwerbung
des Kirchengrundstücks opferwillig behilflich gewesen. Alle hatten gezeichnet,
Meiste Vögelein mit das meiste. Nun, wo sich Pastor Fischer zurückzog,
um seinen Beruf aufzugeben und einen andern zu ergreifen, wollten sie sich
^es sichern. Wir konnten dein tüchtigen, fleißigen Klempnermeister nur den
besten Erfolg wünschen.


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[0233] sich durch Zeitungenaustragen verdient hatten; der ältere beanspruchte ihn für sich allein als Taschengeld, obwohl ihm der kleinere bei der Arbeit be¬ hilflich gewesen war. Ich sehe nicht ein, was du dagegen hast, wenn die Jungen frühzeitig solche kleine Nebenverdienste machen lernen, sagte die Mutter. Je früher sie selbständig Geld verdienen, um so besser. Ach, sie sollen erst was ordentliches lernen, murrte der Mann. Wozu hast dn uns denn aber das schöne Buch Kuiciv to Luc-coss, den „Katechismus des Erfolgs" gekauft? warf der ältere der beiden Jungen ein. Darin steht doch deutlich: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott; wer sich nicht selbst hilft, dem hilft Gott nimmer! Der (lniäö to Lueosss hat Recht, triumphirte die Mutter: kein Erfolg ohne Geld, was ist Wissen ohne Geld? Geld, Geld, Geld! wiederholte der Papagei, sodaß die Spottdrossel ans unserm Grundstück ärgerlich dazwischen Pfiff, und auf der Straße flog ein Sperling aus einer zankenden Schar mit einem Bissen im Schnabel, um den sie sich alle gestritten hatten, siegreich davon, und die andern mit wildem Gezwitscher ihm nach. Dann wurde es wieder still, und wir musterten die wenigen Vorüber¬ gehenden auf der frischgesprengten, hvlzgepflasterten Straße, die heute sonn¬ täglich still war. Nur einige Kirchgünger mit Gesangbüchern unterm Arm, meist dem Handwerkerstande angehörig, kamen im schwarzen Sonntagsanzug vorbei. Nun, wohin denn so eilig mit dem großen Gesangbuch, Meister Vögelein? rief Karl unserm Klempuermeister zu, der auch nach der nahen Kirche eilte. Meister Vögelein hatte bei unserm Einzug die Hauptarbeit, die Ver¬ bindung des Ofens und Kochkessels mit der Wasserleitung besorgt und hatte uns dabei mancherlei erzählt, was uns einen Einblick in die Erhabenheit seiner Welt- und Lebensanschauung gewährte. Abschiedspredigt von Pastor Fischer! schmunzelte er im Vorbeigehen. Das werden Sie ungläubiger Thomas uns doch nicht weiß machen, daß Sie deswegen hingehen! Nun, wenn Sie es gern wissen wollen, fügte er hinzu, Nur müsse» eine Gemeindeversammlung berufen, heute oder nie. Es ist wegen der Hypothek aufs Kirchengrundstück! Damit verschwand er um die Ecke, wo diesmal be¬ sonders viel männliche Kirchgünger einbogen; handelte es sich doch um die Hauptsache bei der ganzen Kirchenaugelegenheit — ums liebe Geld! Die Gemeinde war vor Jahr und Tag dem Pastor bei der Erwerbung des Kirchengrundstücks opferwillig behilflich gewesen. Alle hatten gezeichnet, Meiste Vögelein mit das meiste. Nun, wo sich Pastor Fischer zurückzog, um seinen Beruf aufzugeben und einen andern zu ergreifen, wollten sie sich ^es sichern. Wir konnten dein tüchtigen, fleißigen Klempnermeister nur den besten Erfolg wünschen. ^renzbowi III 1893

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/233>, abgerufen am 23.11.2024.