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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Deutsche Handelskammern im Auslande

Kaufmann am fernen Platze eines sachkundigen Vertreters, einer hilfreichen
Vermittlung bedarf, einzutreten. Dazu kommt aber noch, daß gewisse Dinge,
die geschäftliche Fachkenntnisse erheischen, wie Aufklärung über Handelsgebräuchc,
über Aussichten eines Geschäftszweiges, Empfehlungen zur Anknüpfung von
Beziehungen, Vermittlung geeigneter Verbindungen u. dergl. ohnehin nur von
Personen mitgeteilt werden können, die selbst im Geschäftsleben stehen. Wozu
also dann der Umweg über das Konsulat?

Außerdem würden den Auslandskammcrn noch weitere, mehr nebensäch¬
liche Aufgaben obliegen: insbesondre die Überwachung unzulässiger Nach¬
ahmung der Erzeugnisse des Inlandes, wie der Fälschung der Marken, ferner
die schiedsrichterliche Thätigkeit zwischen Geschäftsleuten ihrer Nationen, soweit
sie sich ihrem Schiedssprüche unterwerfen.

Die Kammern sollen also, im engen Zusammenhange mit den Aufgaben
der Kvusularümter, diese nicht etwa überflüssig machen, sondern sie wesentlich er¬
gänzen und ihnen einen Teil der Arbeitslast abnehmen. Für die allgemeine
Berichterstattung an die heimische Negierung würden sie am ehesten in
der Lage sein, den Konsulaten die Unterlagen zu liefern, auch Warnungen
wie Ratschläge für handelspolitische Maßnahmen und Erlasse zu geben.
Durch thatsächliche Mitteilungen und durch Gutachten über Lage und
Gang der Industrie sowie der finanziellen Verhältnisse ihres Bezirks würden
sie den heimischen Behörden wesentliche Anhaltepunkte gewähren und ins¬
besondre bei dem Abschluß vou Handelsverträge" wertvolles Material liefern
können, sodaß die Gefahr, vom Auslande übervorteilt zu werden, geringer
wäre als gegenwärtig. Welche Bedeutung würde z. B. bei dem jetzigen wirt¬
schaftlichen Konflikt zwischen Frankreich und der Schweiz eine deutsche Handels¬
kammer in der Schweiz erhalten! Sie würde den deutschen Firmen den rich¬
tigen Weg zu schnellem und dauerndem Absatz ihrer Erzeugnisse weisen, der
Schweiz mit der besten Auskunft über deutsche Bezugsquelle" dienen können.
Der große und immerhin umständliche Apparat der Handlungsreisender und
Zeituugsofferten übt unter den jetzigen Verhältnissen wahrscheinlich eine
schwächere, jedenfalls eine unsicherere und langsamere Wirkung ans.

Ein Aufsatz in Nummer 10 des Exports vom 9. März d. I. weist in
beherzigenswerter Weise auf die Entwicklung des deutschen Handels in Ost¬
indien hin, dem bei dem immer mehr wachsenden Bedürfnis nach europäischen
Erzeugnissen in diesen Ländern noch ein großes Feld der Wirksamkeit offen
steht. Es wird aber auch zur weitern Erhöhung des deutschen Absatzes und
zum Schutz gegen die immer noch übermächtige Konkurrenz Englands und
auch Belgiens als eine Notwendigkeit bezeichnet, eine wirkungsvolle Einrichtung
zur Hebung des deutschen Einflusses zu schaffen, und es werden zu diesem
Zweck dauernde Musterlager deutscher Jndustrieprodukte vorgeschlagen. Wir
meinen, daß die Veranlassung zur Gründung einer deutschen Handelskammer


Deutsche Handelskammern im Auslande

Kaufmann am fernen Platze eines sachkundigen Vertreters, einer hilfreichen
Vermittlung bedarf, einzutreten. Dazu kommt aber noch, daß gewisse Dinge,
die geschäftliche Fachkenntnisse erheischen, wie Aufklärung über Handelsgebräuchc,
über Aussichten eines Geschäftszweiges, Empfehlungen zur Anknüpfung von
Beziehungen, Vermittlung geeigneter Verbindungen u. dergl. ohnehin nur von
Personen mitgeteilt werden können, die selbst im Geschäftsleben stehen. Wozu
also dann der Umweg über das Konsulat?

Außerdem würden den Auslandskammcrn noch weitere, mehr nebensäch¬
liche Aufgaben obliegen: insbesondre die Überwachung unzulässiger Nach¬
ahmung der Erzeugnisse des Inlandes, wie der Fälschung der Marken, ferner
die schiedsrichterliche Thätigkeit zwischen Geschäftsleuten ihrer Nationen, soweit
sie sich ihrem Schiedssprüche unterwerfen.

Die Kammern sollen also, im engen Zusammenhange mit den Aufgaben
der Kvusularümter, diese nicht etwa überflüssig machen, sondern sie wesentlich er¬
gänzen und ihnen einen Teil der Arbeitslast abnehmen. Für die allgemeine
Berichterstattung an die heimische Negierung würden sie am ehesten in
der Lage sein, den Konsulaten die Unterlagen zu liefern, auch Warnungen
wie Ratschläge für handelspolitische Maßnahmen und Erlasse zu geben.
Durch thatsächliche Mitteilungen und durch Gutachten über Lage und
Gang der Industrie sowie der finanziellen Verhältnisse ihres Bezirks würden
sie den heimischen Behörden wesentliche Anhaltepunkte gewähren und ins¬
besondre bei dem Abschluß vou Handelsverträge» wertvolles Material liefern
können, sodaß die Gefahr, vom Auslande übervorteilt zu werden, geringer
wäre als gegenwärtig. Welche Bedeutung würde z. B. bei dem jetzigen wirt¬
schaftlichen Konflikt zwischen Frankreich und der Schweiz eine deutsche Handels¬
kammer in der Schweiz erhalten! Sie würde den deutschen Firmen den rich¬
tigen Weg zu schnellem und dauerndem Absatz ihrer Erzeugnisse weisen, der
Schweiz mit der besten Auskunft über deutsche Bezugsquelle« dienen können.
Der große und immerhin umständliche Apparat der Handlungsreisender und
Zeituugsofferten übt unter den jetzigen Verhältnissen wahrscheinlich eine
schwächere, jedenfalls eine unsicherere und langsamere Wirkung ans.

Ein Aufsatz in Nummer 10 des Exports vom 9. März d. I. weist in
beherzigenswerter Weise auf die Entwicklung des deutschen Handels in Ost¬
indien hin, dem bei dem immer mehr wachsenden Bedürfnis nach europäischen
Erzeugnissen in diesen Ländern noch ein großes Feld der Wirksamkeit offen
steht. Es wird aber auch zur weitern Erhöhung des deutschen Absatzes und
zum Schutz gegen die immer noch übermächtige Konkurrenz Englands und
auch Belgiens als eine Notwendigkeit bezeichnet, eine wirkungsvolle Einrichtung
zur Hebung des deutschen Einflusses zu schaffen, und es werden zu diesem
Zweck dauernde Musterlager deutscher Jndustrieprodukte vorgeschlagen. Wir
meinen, daß die Veranlassung zur Gründung einer deutschen Handelskammer


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[0061] Deutsche Handelskammern im Auslande Kaufmann am fernen Platze eines sachkundigen Vertreters, einer hilfreichen Vermittlung bedarf, einzutreten. Dazu kommt aber noch, daß gewisse Dinge, die geschäftliche Fachkenntnisse erheischen, wie Aufklärung über Handelsgebräuchc, über Aussichten eines Geschäftszweiges, Empfehlungen zur Anknüpfung von Beziehungen, Vermittlung geeigneter Verbindungen u. dergl. ohnehin nur von Personen mitgeteilt werden können, die selbst im Geschäftsleben stehen. Wozu also dann der Umweg über das Konsulat? Außerdem würden den Auslandskammcrn noch weitere, mehr nebensäch¬ liche Aufgaben obliegen: insbesondre die Überwachung unzulässiger Nach¬ ahmung der Erzeugnisse des Inlandes, wie der Fälschung der Marken, ferner die schiedsrichterliche Thätigkeit zwischen Geschäftsleuten ihrer Nationen, soweit sie sich ihrem Schiedssprüche unterwerfen. Die Kammern sollen also, im engen Zusammenhange mit den Aufgaben der Kvusularümter, diese nicht etwa überflüssig machen, sondern sie wesentlich er¬ gänzen und ihnen einen Teil der Arbeitslast abnehmen. Für die allgemeine Berichterstattung an die heimische Negierung würden sie am ehesten in der Lage sein, den Konsulaten die Unterlagen zu liefern, auch Warnungen wie Ratschläge für handelspolitische Maßnahmen und Erlasse zu geben. Durch thatsächliche Mitteilungen und durch Gutachten über Lage und Gang der Industrie sowie der finanziellen Verhältnisse ihres Bezirks würden sie den heimischen Behörden wesentliche Anhaltepunkte gewähren und ins¬ besondre bei dem Abschluß vou Handelsverträge» wertvolles Material liefern können, sodaß die Gefahr, vom Auslande übervorteilt zu werden, geringer wäre als gegenwärtig. Welche Bedeutung würde z. B. bei dem jetzigen wirt¬ schaftlichen Konflikt zwischen Frankreich und der Schweiz eine deutsche Handels¬ kammer in der Schweiz erhalten! Sie würde den deutschen Firmen den rich¬ tigen Weg zu schnellem und dauerndem Absatz ihrer Erzeugnisse weisen, der Schweiz mit der besten Auskunft über deutsche Bezugsquelle« dienen können. Der große und immerhin umständliche Apparat der Handlungsreisender und Zeituugsofferten übt unter den jetzigen Verhältnissen wahrscheinlich eine schwächere, jedenfalls eine unsicherere und langsamere Wirkung ans. Ein Aufsatz in Nummer 10 des Exports vom 9. März d. I. weist in beherzigenswerter Weise auf die Entwicklung des deutschen Handels in Ost¬ indien hin, dem bei dem immer mehr wachsenden Bedürfnis nach europäischen Erzeugnissen in diesen Ländern noch ein großes Feld der Wirksamkeit offen steht. Es wird aber auch zur weitern Erhöhung des deutschen Absatzes und zum Schutz gegen die immer noch übermächtige Konkurrenz Englands und auch Belgiens als eine Notwendigkeit bezeichnet, eine wirkungsvolle Einrichtung zur Hebung des deutschen Einflusses zu schaffen, und es werden zu diesem Zweck dauernde Musterlager deutscher Jndustrieprodukte vorgeschlagen. Wir meinen, daß die Veranlassung zur Gründung einer deutschen Handelskammer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/61>, abgerufen am 01.10.2024.