Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Die Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes und das ländliche Kreditwesen uf dieses alte Thema lenkt wieder einmal der neueste statistische Erstens ist glücklicherweise die Spaltung in produktiven Sachbesitz und Die Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes und das ländliche Kreditwesen uf dieses alte Thema lenkt wieder einmal der neueste statistische Erstens ist glücklicherweise die Spaltung in produktiven Sachbesitz und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0593" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215048"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_214455/figures/grenzboten_341857_214455_215048_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes<lb/> und das ländliche Kreditwesen</head><lb/> <p xml:id="ID_2289"> uf dieses alte Thema lenkt wieder einmal der neueste statistische<lb/> Bericht über die Hypothekenbewegung im preußischen Staate<lb/> unsre Aufmerksamkeit. Die Gesamtverschuldnng der ländlichen<lb/> Besitzungen ist von 1887 bis 1392, also in fünf Jahren, um<lb/> 883 Millionen Mark gewachsen, in den letzten zehn Jahren also<lb/> wahrscheinlich um ungefähr 1500 Millionen. Der Bericht bemerkt hierzu:<lb/> „Faßt man die unbestreitbare Thatsache ins Auge, daß die Verschuldung sich<lb/> keineswegs auf deu städtischen und ländlichen Grundbesitz beschränkt, sondern<lb/> die Besitzer beweglicher Sachgüter, insbesondre die kaufmännischen und gewerb¬<lb/> liche« Unternehmer, vielfach ganz ebenso trifft, so gewinnt es den Anschein,<lb/> als ob es sich hier gar nicht um eine Frage des Grundbesitzes allein handelte,<lb/> sondern um eine des produktiven Sachbesitzes überhaupt. Die soziale Frage<lb/> der Gegenwart erschöpft sich nicht in der Spaltung zwischen Besitz und Nicht-<lb/> besitz, sondern der Besitz selber spaltet sich mehr und mehr in zweierlei Formen,<lb/> den Sachbesitz und den Rentenbesitz, die sich unter einander zum Teil schon<lb/> ebenso schroff gegenüberstehen, wie der gesamte Besitz dem Nichtbesitz. Der<lb/> Rentenbesitz nimmt die wesentlichsten Besitzvorteile, insbesondre die sichern Wert¬<lb/> teile vorweg; dem Sachbesitzer bleibt neben dem Besitztitel mehr und mehr uur<lb/> der zweifelhafte Wertteil, und dafür ist er dem Rentenbesitzer noch in dreierlei<lb/> Beziehung dienstbar: als Verwalter der Rentenquelle, als Puffer gegen Rück¬<lb/> schläge der Konjunktur und als Blitzableiter gegen soziale Anfeindung, die<lb/> sich naturgemäß vorzugsweise gegen den titulirten Besitzer als scheinbaren<lb/> Nutznießer der Rentenquelle richtet." Das ist gewiß richtig, und unstreitig<lb/> gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der heutigen Staatskunst, zu verhüten,<lb/> daß namentlich die kleinen Besitzer mehr und mehr zu Sklaven mächtiger<lb/> Rentner und schmarotzender Spekulanten herabsinken. Aber nach drei Seiten<lb/> hin bedürfen diese Erwägungen der Ergänzung.</p><lb/> <p xml:id="ID_2290" next="#ID_2291"> Erstens ist glücklicherweise die Spaltung in produktiven Sachbesitz und<lb/> Rentenbesitz gar häufig uur scheinbar, und namentlich sind die Ritterguts¬<lb/> besitzer, noch mehr die Bauern, in weit höherm Grade wirkliche Besitzer ihrer<lb/> Güter, als sie es dem Hypothekenbuche nach scheinen. Weiß man doch, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0593]
[Abbildung]
Die Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes
und das ländliche Kreditwesen
uf dieses alte Thema lenkt wieder einmal der neueste statistische
Bericht über die Hypothekenbewegung im preußischen Staate
unsre Aufmerksamkeit. Die Gesamtverschuldnng der ländlichen
Besitzungen ist von 1887 bis 1392, also in fünf Jahren, um
883 Millionen Mark gewachsen, in den letzten zehn Jahren also
wahrscheinlich um ungefähr 1500 Millionen. Der Bericht bemerkt hierzu:
„Faßt man die unbestreitbare Thatsache ins Auge, daß die Verschuldung sich
keineswegs auf deu städtischen und ländlichen Grundbesitz beschränkt, sondern
die Besitzer beweglicher Sachgüter, insbesondre die kaufmännischen und gewerb¬
liche« Unternehmer, vielfach ganz ebenso trifft, so gewinnt es den Anschein,
als ob es sich hier gar nicht um eine Frage des Grundbesitzes allein handelte,
sondern um eine des produktiven Sachbesitzes überhaupt. Die soziale Frage
der Gegenwart erschöpft sich nicht in der Spaltung zwischen Besitz und Nicht-
besitz, sondern der Besitz selber spaltet sich mehr und mehr in zweierlei Formen,
den Sachbesitz und den Rentenbesitz, die sich unter einander zum Teil schon
ebenso schroff gegenüberstehen, wie der gesamte Besitz dem Nichtbesitz. Der
Rentenbesitz nimmt die wesentlichsten Besitzvorteile, insbesondre die sichern Wert¬
teile vorweg; dem Sachbesitzer bleibt neben dem Besitztitel mehr und mehr uur
der zweifelhafte Wertteil, und dafür ist er dem Rentenbesitzer noch in dreierlei
Beziehung dienstbar: als Verwalter der Rentenquelle, als Puffer gegen Rück¬
schläge der Konjunktur und als Blitzableiter gegen soziale Anfeindung, die
sich naturgemäß vorzugsweise gegen den titulirten Besitzer als scheinbaren
Nutznießer der Rentenquelle richtet." Das ist gewiß richtig, und unstreitig
gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der heutigen Staatskunst, zu verhüten,
daß namentlich die kleinen Besitzer mehr und mehr zu Sklaven mächtiger
Rentner und schmarotzender Spekulanten herabsinken. Aber nach drei Seiten
hin bedürfen diese Erwägungen der Ergänzung.
Erstens ist glücklicherweise die Spaltung in produktiven Sachbesitz und
Rentenbesitz gar häufig uur scheinbar, und namentlich sind die Ritterguts¬
besitzer, noch mehr die Bauern, in weit höherm Grade wirkliche Besitzer ihrer
Güter, als sie es dem Hypothekenbuche nach scheinen. Weiß man doch, daß
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