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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Streifziige auf dem Gebiete der Metapher

Griechen sprichwörtlich war für plötzliche, gewaltsame Lösung des tragischen
Knotens; auch an den Thespiskarren darf erinnert werden. Als Palüstra
wird mitunter auch eine Stätte geistiger Ringkampfe bezeichnet; ebenso, ist
Athlet uicht selten auf geistiges Gebiet übertragen, sonst freilich wesentlich
im Sinne der Körperstärke gebraucht (athletisch). Endlich sei noch einiger
kriegerischen Metaphern gedacht: der Trophäen, womit wir jedes Zeichen
eines errungnen Sieges meinen, und der Phalanx, die wir von der Be¬
deutung einer geschlossenen Heeresabteilnng auch auf andre Dinge zu über¬
tragen Pflegen (z. B. "eine stattliche Phalanx von Beweisen").

Etwas geringer ist die Anzahl der aus Geschichte, Staatswesen und
Kultur der Römer entnommenen Metaphern. Schon das Wort römisch
selbst kann man dazu rechnen; man spricht von "römischer Strenge" oder
Härte, ähnlich wie von spartanischer, und denkt dabei an die alten Zeiten der
Republik, wo alte Nömertugend noch lebendig war; wie man auch wohl Männer
von solcher Gesinnung als "echte Römer" bezeichnet. Aus der römischen Ver¬
fassung sind mehrere Begriffe in unsere Bildersprache übergegangen, wobei
man natürlich die nicht mitzählen darf, die geradezu Namen für moderne
Ämter geworden sind, wie Konsul, Senator, Tribun u. s. w. Das Amt des
Censors kann man zwar auch unter diese letztern Begriffe rechnen, doch ist
gerade bei diesem Worte eine Übertragung in weiteren Sinne nicht minder
häufig. Auch Capitol und tarpejischer Fels haben bei uns fast sprich¬
wörtliche Bedeutung erlangt, nicht an sich als bestimmte Lokalitäten, sondern
wegen ihrer Bedeutung für höchsten Triumph und tiefste Erniedrigung: der
Sieger zog triumphirend auf das Capitol, der Vaterlandsverrüter wurde von
dem dicht dabei gelegnen tarpejischen Felsen in die Tiefe gestürzt. Das Forum
ist uns als Gerichtsplatz geläufig; "jemand vor sein Forum ziehen" ist eine
verbreitete Wendung. Ans historischer Sage und Geschichte der Römer haben
sich namentlich folgende Personen oder Thatsachen einen Platz in der mo¬
dernen Metapher errungen: Curtius, der sagenhafte Ritter, der sich in den
Abgrund stürzte, um sein Vaterland zu retten, als Vertreter hochsinniger
Selbstaufopferung; Cineinnatus, der als Feldherr und Sieger zum Pflug
zurückkehrte, von dem man ihn geholt hatte, bei ähnlichen modernen Fällen
mitunter als Typus gebraucht (vergl. deu freilich recht bedenklichen Wortwitz
Vareineinnatus, d. i. Bismarck); die Redensart das Schwert in die Wag¬
schale werfen, eine Anspielung auf den bekannten Vorgang bei der Ein¬
nahme Roms durch die Gallier; das caudiuische Joch, an die tiefe De¬
mütigung der Römer im zweiten Snmuiterkriege erinnernd; der Pyrrhus¬
sieg, im Sinne eines mit großen Verlusten verbundnen und daher für den
Sieger beinahe verderblichen Erfolgs; Capua, die Stätte, wo Tapferkeit in
weichlicher Schwelgerei zu Grunde geht, wie es bei der Armee des Hannibal
der Fall war (besonders bekannt in Grillparzers Wendung vom "Capun der


Streifziige auf dem Gebiete der Metapher

Griechen sprichwörtlich war für plötzliche, gewaltsame Lösung des tragischen
Knotens; auch an den Thespiskarren darf erinnert werden. Als Palüstra
wird mitunter auch eine Stätte geistiger Ringkampfe bezeichnet; ebenso, ist
Athlet uicht selten auf geistiges Gebiet übertragen, sonst freilich wesentlich
im Sinne der Körperstärke gebraucht (athletisch). Endlich sei noch einiger
kriegerischen Metaphern gedacht: der Trophäen, womit wir jedes Zeichen
eines errungnen Sieges meinen, und der Phalanx, die wir von der Be¬
deutung einer geschlossenen Heeresabteilnng auch auf andre Dinge zu über¬
tragen Pflegen (z. B. „eine stattliche Phalanx von Beweisen").

Etwas geringer ist die Anzahl der aus Geschichte, Staatswesen und
Kultur der Römer entnommenen Metaphern. Schon das Wort römisch
selbst kann man dazu rechnen; man spricht von „römischer Strenge" oder
Härte, ähnlich wie von spartanischer, und denkt dabei an die alten Zeiten der
Republik, wo alte Nömertugend noch lebendig war; wie man auch wohl Männer
von solcher Gesinnung als „echte Römer" bezeichnet. Aus der römischen Ver¬
fassung sind mehrere Begriffe in unsere Bildersprache übergegangen, wobei
man natürlich die nicht mitzählen darf, die geradezu Namen für moderne
Ämter geworden sind, wie Konsul, Senator, Tribun u. s. w. Das Amt des
Censors kann man zwar auch unter diese letztern Begriffe rechnen, doch ist
gerade bei diesem Worte eine Übertragung in weiteren Sinne nicht minder
häufig. Auch Capitol und tarpejischer Fels haben bei uns fast sprich¬
wörtliche Bedeutung erlangt, nicht an sich als bestimmte Lokalitäten, sondern
wegen ihrer Bedeutung für höchsten Triumph und tiefste Erniedrigung: der
Sieger zog triumphirend auf das Capitol, der Vaterlandsverrüter wurde von
dem dicht dabei gelegnen tarpejischen Felsen in die Tiefe gestürzt. Das Forum
ist uns als Gerichtsplatz geläufig; „jemand vor sein Forum ziehen" ist eine
verbreitete Wendung. Ans historischer Sage und Geschichte der Römer haben
sich namentlich folgende Personen oder Thatsachen einen Platz in der mo¬
dernen Metapher errungen: Curtius, der sagenhafte Ritter, der sich in den
Abgrund stürzte, um sein Vaterland zu retten, als Vertreter hochsinniger
Selbstaufopferung; Cineinnatus, der als Feldherr und Sieger zum Pflug
zurückkehrte, von dem man ihn geholt hatte, bei ähnlichen modernen Fällen
mitunter als Typus gebraucht (vergl. deu freilich recht bedenklichen Wortwitz
Vareineinnatus, d. i. Bismarck); die Redensart das Schwert in die Wag¬
schale werfen, eine Anspielung auf den bekannten Vorgang bei der Ein¬
nahme Roms durch die Gallier; das caudiuische Joch, an die tiefe De¬
mütigung der Römer im zweiten Snmuiterkriege erinnernd; der Pyrrhus¬
sieg, im Sinne eines mit großen Verlusten verbundnen und daher für den
Sieger beinahe verderblichen Erfolgs; Capua, die Stätte, wo Tapferkeit in
weichlicher Schwelgerei zu Grunde geht, wie es bei der Armee des Hannibal
der Fall war (besonders bekannt in Grillparzers Wendung vom „Capun der


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[0571] Streifziige auf dem Gebiete der Metapher Griechen sprichwörtlich war für plötzliche, gewaltsame Lösung des tragischen Knotens; auch an den Thespiskarren darf erinnert werden. Als Palüstra wird mitunter auch eine Stätte geistiger Ringkampfe bezeichnet; ebenso, ist Athlet uicht selten auf geistiges Gebiet übertragen, sonst freilich wesentlich im Sinne der Körperstärke gebraucht (athletisch). Endlich sei noch einiger kriegerischen Metaphern gedacht: der Trophäen, womit wir jedes Zeichen eines errungnen Sieges meinen, und der Phalanx, die wir von der Be¬ deutung einer geschlossenen Heeresabteilnng auch auf andre Dinge zu über¬ tragen Pflegen (z. B. „eine stattliche Phalanx von Beweisen"). Etwas geringer ist die Anzahl der aus Geschichte, Staatswesen und Kultur der Römer entnommenen Metaphern. Schon das Wort römisch selbst kann man dazu rechnen; man spricht von „römischer Strenge" oder Härte, ähnlich wie von spartanischer, und denkt dabei an die alten Zeiten der Republik, wo alte Nömertugend noch lebendig war; wie man auch wohl Männer von solcher Gesinnung als „echte Römer" bezeichnet. Aus der römischen Ver¬ fassung sind mehrere Begriffe in unsere Bildersprache übergegangen, wobei man natürlich die nicht mitzählen darf, die geradezu Namen für moderne Ämter geworden sind, wie Konsul, Senator, Tribun u. s. w. Das Amt des Censors kann man zwar auch unter diese letztern Begriffe rechnen, doch ist gerade bei diesem Worte eine Übertragung in weiteren Sinne nicht minder häufig. Auch Capitol und tarpejischer Fels haben bei uns fast sprich¬ wörtliche Bedeutung erlangt, nicht an sich als bestimmte Lokalitäten, sondern wegen ihrer Bedeutung für höchsten Triumph und tiefste Erniedrigung: der Sieger zog triumphirend auf das Capitol, der Vaterlandsverrüter wurde von dem dicht dabei gelegnen tarpejischen Felsen in die Tiefe gestürzt. Das Forum ist uns als Gerichtsplatz geläufig; „jemand vor sein Forum ziehen" ist eine verbreitete Wendung. Ans historischer Sage und Geschichte der Römer haben sich namentlich folgende Personen oder Thatsachen einen Platz in der mo¬ dernen Metapher errungen: Curtius, der sagenhafte Ritter, der sich in den Abgrund stürzte, um sein Vaterland zu retten, als Vertreter hochsinniger Selbstaufopferung; Cineinnatus, der als Feldherr und Sieger zum Pflug zurückkehrte, von dem man ihn geholt hatte, bei ähnlichen modernen Fällen mitunter als Typus gebraucht (vergl. deu freilich recht bedenklichen Wortwitz Vareineinnatus, d. i. Bismarck); die Redensart das Schwert in die Wag¬ schale werfen, eine Anspielung auf den bekannten Vorgang bei der Ein¬ nahme Roms durch die Gallier; das caudiuische Joch, an die tiefe De¬ mütigung der Römer im zweiten Snmuiterkriege erinnernd; der Pyrrhus¬ sieg, im Sinne eines mit großen Verlusten verbundnen und daher für den Sieger beinahe verderblichen Erfolgs; Capua, die Stätte, wo Tapferkeit in weichlicher Schwelgerei zu Grunde geht, wie es bei der Armee des Hannibal der Fall war (besonders bekannt in Grillparzers Wendung vom „Capun der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/571>, abgerufen am 23.07.2024.