Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Streifziige auf dem Gebiete der Metapher bukolischen Poesie verdankt, die einfache und derbe Lnndsitte mit süßlicher Verhältnismäßig wenig ist es, was die politische Geschichte der Griechen Streifziige auf dem Gebiete der Metapher bukolischen Poesie verdankt, die einfache und derbe Lnndsitte mit süßlicher Verhältnismäßig wenig ist es, was die politische Geschichte der Griechen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215024"/> <fw type="header" place="top"> Streifziige auf dem Gebiete der Metapher</fw><lb/> <p xml:id="ID_2213" prev="#ID_2212"> bukolischen Poesie verdankt, die einfache und derbe Lnndsitte mit süßlicher<lb/> Gefühlsduselei vertauschte. Dagegen hatte Abdera bereits im Altertum<lb/> sein heute noch bestehendes und durch Wielands Roman noch fester be¬<lb/> gründetes Renommee als Heimat thörichter Kleinstädterei; und ebenso ist sy-<lb/> baritisch, von Schwelgerei, besonders Tafelluxus, gebraucht, aus der alten<lb/> Litteratur überkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2214" next="#ID_2215"> Verhältnismäßig wenig ist es, was die politische Geschichte der Griechen<lb/> zur heutigen Bildersprache beigesteuert hat. Aus der athenischen Verfassung<lb/> haben wir den Areopag herübergenommen im Sinne eines auserwählten<lb/> Gerichtshofes; der Ostracismus in der Bedeutung von Verbannung oder<lb/> Verurteilung durch eine mißtrauische Mehrheit ist in seltneren Gebrauche.<lb/> Solon (solonisch) erscheint als Typus eines weisen Gesetzgebers, wogegen<lb/> drakonisch, d. h. von unerbittlicher Härte, an den strengen Vorgänger Solons<lb/> erinnert. An lakedämvnische Institutionen mahnt nur noch das Wort Heloten-<lb/> tum, worunter wir einen rechtlosen Zustand sklavischer Unterordnung verstehen.<lb/> Von den großen Persönlichkeiten der griechischen Geschichte haben sonst nur<lb/> ein paar Aufnahme in die Metapher gefunden: Demosthenes vor allen als<lb/> Bezeichnung eines großen Redners (demosthenische Beredsamkeit); bei seinem<lb/> großen Gegner Alexander knüpft die Metapher mehr an Ereignisse aus seinem<lb/> Leben an: Bucephalus für ein prächtiges Roß, der gordische Knoten<lb/> („den gordischen Knoten lösen" oder „ihn durchhauen"), als an seinen eignen<lb/> Namen, der kein stehendes Bild geworden ist, wenn er auch bisweilen in<lb/> Übertragung gebraucht wird („ein zweiter Alexander"). Von anderweitigen<lb/> hervorragenden Griechen sind anzuführen: Homer, zwar nicht als Gattungs¬<lb/> name, aber wegen des unsterblichen „homerischen Gelächters," das seine Her¬<lb/> kunft einer bekannten Stelle der Odyssee verdankt, daher als Metapher nur<lb/> bedingungsweise hierher zu ziehen ist, ebenso wie das hippokratische Ge¬<lb/> sicht, das ja auch mit der Persönlichkeit des berühmten Arztes nichts zu<lb/> thun hat, sondern von der durch ihn gegebnen Schilderung der Züge eines<lb/> Sterbenden entnommen ist, heutzutage freilich in weiterer Übertragung auch<lb/> von zahlreichen andern Dingen, die sich der Auflösung nähern, gebraucht<lb/> wird. Als eine Sappho ist seit den Tagen der lesbischen Sängerin mehr<lb/> als eine Dichterin bezeichnet worden; aristophanisch nennen wir scharfen<lb/> Witz gepaart mit derber Komik; die sokratische Methode, die durch Fragen<lb/> allmählich zur Erkenntnis der Wahrheit führt, kann nicht unter den Metaphern<lb/> angeführt werden, fo wenig wie platonisch, das auf der Lehre Plcitvs vom<lb/> Eros beruht. Wohl aber wird „sokratisch" mitunter als Typus erhabner<lb/> Weisheit und hoher Tugend gebraucht. Bei weitem mehr ist die Gattin des<lb/> Weisen sprichwörtlich geworden, die den Urtypus eines bösen, zänkischen Weibes<lb/> vorstellende Xanthippe, allerdings nicht ganz mit Recht, da die gute Frau<lb/> mitunter alle Ursache haben mochte, ihrem Gemahl etwas den Text zu lesen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
Streifziige auf dem Gebiete der Metapher
bukolischen Poesie verdankt, die einfache und derbe Lnndsitte mit süßlicher
Gefühlsduselei vertauschte. Dagegen hatte Abdera bereits im Altertum
sein heute noch bestehendes und durch Wielands Roman noch fester be¬
gründetes Renommee als Heimat thörichter Kleinstädterei; und ebenso ist sy-
baritisch, von Schwelgerei, besonders Tafelluxus, gebraucht, aus der alten
Litteratur überkommen.
Verhältnismäßig wenig ist es, was die politische Geschichte der Griechen
zur heutigen Bildersprache beigesteuert hat. Aus der athenischen Verfassung
haben wir den Areopag herübergenommen im Sinne eines auserwählten
Gerichtshofes; der Ostracismus in der Bedeutung von Verbannung oder
Verurteilung durch eine mißtrauische Mehrheit ist in seltneren Gebrauche.
Solon (solonisch) erscheint als Typus eines weisen Gesetzgebers, wogegen
drakonisch, d. h. von unerbittlicher Härte, an den strengen Vorgänger Solons
erinnert. An lakedämvnische Institutionen mahnt nur noch das Wort Heloten-
tum, worunter wir einen rechtlosen Zustand sklavischer Unterordnung verstehen.
Von den großen Persönlichkeiten der griechischen Geschichte haben sonst nur
ein paar Aufnahme in die Metapher gefunden: Demosthenes vor allen als
Bezeichnung eines großen Redners (demosthenische Beredsamkeit); bei seinem
großen Gegner Alexander knüpft die Metapher mehr an Ereignisse aus seinem
Leben an: Bucephalus für ein prächtiges Roß, der gordische Knoten
(„den gordischen Knoten lösen" oder „ihn durchhauen"), als an seinen eignen
Namen, der kein stehendes Bild geworden ist, wenn er auch bisweilen in
Übertragung gebraucht wird („ein zweiter Alexander"). Von anderweitigen
hervorragenden Griechen sind anzuführen: Homer, zwar nicht als Gattungs¬
name, aber wegen des unsterblichen „homerischen Gelächters," das seine Her¬
kunft einer bekannten Stelle der Odyssee verdankt, daher als Metapher nur
bedingungsweise hierher zu ziehen ist, ebenso wie das hippokratische Ge¬
sicht, das ja auch mit der Persönlichkeit des berühmten Arztes nichts zu
thun hat, sondern von der durch ihn gegebnen Schilderung der Züge eines
Sterbenden entnommen ist, heutzutage freilich in weiterer Übertragung auch
von zahlreichen andern Dingen, die sich der Auflösung nähern, gebraucht
wird. Als eine Sappho ist seit den Tagen der lesbischen Sängerin mehr
als eine Dichterin bezeichnet worden; aristophanisch nennen wir scharfen
Witz gepaart mit derber Komik; die sokratische Methode, die durch Fragen
allmählich zur Erkenntnis der Wahrheit führt, kann nicht unter den Metaphern
angeführt werden, fo wenig wie platonisch, das auf der Lehre Plcitvs vom
Eros beruht. Wohl aber wird „sokratisch" mitunter als Typus erhabner
Weisheit und hoher Tugend gebraucht. Bei weitem mehr ist die Gattin des
Weisen sprichwörtlich geworden, die den Urtypus eines bösen, zänkischen Weibes
vorstellende Xanthippe, allerdings nicht ganz mit Recht, da die gute Frau
mitunter alle Ursache haben mochte, ihrem Gemahl etwas den Text zu lesen,
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