Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts Am zweiten September war Bernhardt in Reinhardsbrunn eingetroffen, und 2. September. Gegen sechs Uhr kehrt der Herzog von der Jagd zurück. Nach Tisch kommt der Herzog in mein Zimmer; langes Gespräch, wobei DerHerzog: "Der gegenwärtige Moment ist ein sehr wichtiger und in mancher DerHerzog: "Die Führer des Vereins sind vielfach gewarnt und ermahnt Wird einer von diesen drei Beschlüssen gefaßt, so muß auch der Herzog Ich: ,,Um meine Meinung befragt, habe ich gegen die Ausbreitung des Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts Am zweiten September war Bernhardt in Reinhardsbrunn eingetroffen, und 2. September. Gegen sechs Uhr kehrt der Herzog von der Jagd zurück. Nach Tisch kommt der Herzog in mein Zimmer; langes Gespräch, wobei DerHerzog: „Der gegenwärtige Moment ist ein sehr wichtiger und in mancher DerHerzog: „Die Führer des Vereins sind vielfach gewarnt und ermahnt Wird einer von diesen drei Beschlüssen gefaßt, so muß auch der Herzog Ich: ,,Um meine Meinung befragt, habe ich gegen die Ausbreitung des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215012"/> <fw type="header" place="top"> Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts</fw><lb/> <p xml:id="ID_2141"> Am zweiten September war Bernhardt in Reinhardsbrunn eingetroffen, und<lb/> vom Abende dieses Tages beginnen seine auf diese Zusammenkunft bezüglichen Tage¬<lb/> buchblätter.</p><lb/> <p xml:id="ID_2142"> 2. September. Gegen sechs Uhr kehrt der Herzog von der Jagd zurück.<lb/> Diner in einem kleinen Sälchen unter der Hirschgalerie. Nur der Herzog,<lb/> die Herzogin, Mr. Barnard, Hausmarschall Wangenheim und Fräulein Kon¬<lb/> stanze Thümmel (die Damen in Trauer), niemand sonst. Die allerfreuudlichste<lb/> Aufnahme von allen Seiten. Aber mir wird etwas bange. Ich bereue fast,<lb/> daß ich hergekommen bin. Wie wird die Zeit hinzubringen sein! Es regt<lb/> sich ein gewisses Verlangen, bald wieder loszukommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2143"> Nach Tisch kommt der Herzog in mein Zimmer; langes Gespräch, wobei<lb/> ich höre, frage, durch Bemerkungen weiterfördere.</p><lb/> <p xml:id="ID_2144"> DerHerzog: „Der gegenwärtige Moment ist ein sehr wichtiger und in mancher<lb/> Beziehung ein sehr gefährlicher." Ich denke nach dieser Einleitung, er wird<lb/> von Italien sprechen und vom Orient; nein, er denkt zunächst an das, was<lb/> ihn zu allernächst betrifft: der Nationalverein tagt demnächst in Koburg, und<lb/> von seiner Haltung, von den Beschlüssen, die er faßt, wird viel abhängen.<lb/> (Mir scheint die Sache nicht so wichtig.)</p><lb/> <p xml:id="ID_2145"> DerHerzog: „Die Führer des Vereins sind vielfach gewarnt und ermahnt<lb/> worden, sie haben versprochen, vernünftig zu sein und die Beschlüsse des<lb/> Vereins in den Bahnen der Mäßigung zu erhalten; es fragt sich nur, ob sie<lb/> der Sache durchaus Herr bleiben. Der Verein will sein eignes Programm<lb/> feststellen, das ist bedenklich und kann weit führen; es tritt da eine dreifache<lb/> Gefahr ein: 1. Wenn der Verein eine kvnstituirende Nationalversammlung ver¬<lb/> langt und sich selbst etwa als Vorparlament konstituiren will; 2. wenn er die<lb/> Reichsverfassung von 1849 zu seiner Fahne wählt und für deren Durch¬<lb/> führung zu wirken beschließt; 3. wenn er die Hegemonie Preußens proklamirt<lb/> und verlangt, daß diesem Staate die Vertretung des Bundes nach außen und<lb/> die Militärmacht in ganz Deutschland überlassen werde." (1 und 2 wäre<lb/> Wahnsinn, und dennoch kann man Deutschen auch dergleichen zutrauen, sie sind<lb/> so überaus praktisch!)</p><lb/> <p xml:id="ID_2146"> Wird einer von diesen drei Beschlüssen gefaßt, so muß auch der Herzog<lb/> dem Nationalverein seinen Schutz entziehen, „und wir Liberalen verlieren da¬<lb/> mit unsre Armee!" Der Verein verfällt dann den Demokraten! Mir<lb/> scheint im stillen diese Gefahr so groß nicht; die Gothaner werden sich nicht<lb/> so leicht den Demokraten zuwenden, und am Ende ist die Macht des Vereins<lb/> nicht so gar groß.)</p><lb/> <p xml:id="ID_2147" next="#ID_2148"> Ich: ,,Um meine Meinung befragt, habe ich gegen die Ausbreitung des<lb/> Natioualvercins in Preußen gestimmt und sie in Schlesien auch verhindert";<lb/> mein Grund, den ich aussprechen muß, da der Herzog bedauernd dazwischen<lb/> wirft: ,,O, warum haben Sie das gethan!": die ganze Agitation ist zu Preußens</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts
Am zweiten September war Bernhardt in Reinhardsbrunn eingetroffen, und
vom Abende dieses Tages beginnen seine auf diese Zusammenkunft bezüglichen Tage¬
buchblätter.
2. September. Gegen sechs Uhr kehrt der Herzog von der Jagd zurück.
Diner in einem kleinen Sälchen unter der Hirschgalerie. Nur der Herzog,
die Herzogin, Mr. Barnard, Hausmarschall Wangenheim und Fräulein Kon¬
stanze Thümmel (die Damen in Trauer), niemand sonst. Die allerfreuudlichste
Aufnahme von allen Seiten. Aber mir wird etwas bange. Ich bereue fast,
daß ich hergekommen bin. Wie wird die Zeit hinzubringen sein! Es regt
sich ein gewisses Verlangen, bald wieder loszukommen.
Nach Tisch kommt der Herzog in mein Zimmer; langes Gespräch, wobei
ich höre, frage, durch Bemerkungen weiterfördere.
DerHerzog: „Der gegenwärtige Moment ist ein sehr wichtiger und in mancher
Beziehung ein sehr gefährlicher." Ich denke nach dieser Einleitung, er wird
von Italien sprechen und vom Orient; nein, er denkt zunächst an das, was
ihn zu allernächst betrifft: der Nationalverein tagt demnächst in Koburg, und
von seiner Haltung, von den Beschlüssen, die er faßt, wird viel abhängen.
(Mir scheint die Sache nicht so wichtig.)
DerHerzog: „Die Führer des Vereins sind vielfach gewarnt und ermahnt
worden, sie haben versprochen, vernünftig zu sein und die Beschlüsse des
Vereins in den Bahnen der Mäßigung zu erhalten; es fragt sich nur, ob sie
der Sache durchaus Herr bleiben. Der Verein will sein eignes Programm
feststellen, das ist bedenklich und kann weit führen; es tritt da eine dreifache
Gefahr ein: 1. Wenn der Verein eine kvnstituirende Nationalversammlung ver¬
langt und sich selbst etwa als Vorparlament konstituiren will; 2. wenn er die
Reichsverfassung von 1849 zu seiner Fahne wählt und für deren Durch¬
führung zu wirken beschließt; 3. wenn er die Hegemonie Preußens proklamirt
und verlangt, daß diesem Staate die Vertretung des Bundes nach außen und
die Militärmacht in ganz Deutschland überlassen werde." (1 und 2 wäre
Wahnsinn, und dennoch kann man Deutschen auch dergleichen zutrauen, sie sind
so überaus praktisch!)
Wird einer von diesen drei Beschlüssen gefaßt, so muß auch der Herzog
dem Nationalverein seinen Schutz entziehen, „und wir Liberalen verlieren da¬
mit unsre Armee!" Der Verein verfällt dann den Demokraten! Mir
scheint im stillen diese Gefahr so groß nicht; die Gothaner werden sich nicht
so leicht den Demokraten zuwenden, und am Ende ist die Macht des Vereins
nicht so gar groß.)
Ich: ,,Um meine Meinung befragt, habe ich gegen die Ausbreitung des
Natioualvercins in Preußen gestimmt und sie in Schlesien auch verhindert";
mein Grund, den ich aussprechen muß, da der Herzog bedauernd dazwischen
wirft: ,,O, warum haben Sie das gethan!": die ganze Agitation ist zu Preußens
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |