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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Leitet die Aatzenprinzessm

glücklicherweise -- erhaltnen Briefe! Das Ergebnis ist gleich Null und wird
es immer sein, weil es sich um Dinge handelt, die jeder Mensch anders an¬
sieht und empfindet, und die endlich, wenn man es ehrlich überdenkt, die Welt
doch gnr nichts angehen. Nichtwissenwollen ist hier oft die beste Wissenschaft.

Wir sagen das, nicht weil wir glaubten, daß dnrch die Veröffentlichung
gerade der Tagebücher Nicolais ein großer Schaden gestiftet würde, sondern
um gewisse Grenzen anzudeuten, die grundsätzlich gelten sollten. Solche Quellen
müssen benutzt werden, wo sie einmal vorhanden sind. Aber jeder sollte sich
bewußt sein, wie schwierig und verantwortlich dies Geschäft ist. Ihr thatsäch¬
licher Gehalt werde ausgeschöpft und in eigner Darstellung verarbeitet; diese
Darstellung gemäß dem in den Selbstanfzcichnungen offenbar werdenden Stim¬
mungselement vorsichtig zu färben, möge der Meister versuchen. Die Quellen
selbst aber lasse man im Dunkel der Verborgenheit, wohin sie nach Natur und
Sitte gehören.




Leiter die Katzenprinzessin
Lin Märchen von
(Schlus;)

Julius Hacirhaus

ustus betrat das Gewölbe eiues Möbelhändlers. Der Besitzer
empfing ihn mit einer Höflichkeit, die Justus ganz verblüffte,
und die er nur seinem neuen Frack zuschreiben zu können
glaubte.

Einen Divan wünschen der gnädige Herr? Gewiß, gewiß!
Habe eine schöne Auswahl vorrätig, vom einfachsten bis zum kostbarsten. Hier
ist einer mit Damastüberzug -- jedenfalls nach des gnädigen Herrn Ge¬
schmack, himmelblau mit echt orientalischem Muster. Wirklich höchst vornehm,
würdig, den Salon einer Prinzessin zu schmücken!

Justus stutzte. Den Salon einer Prinzessin? wiederholte er.

Der Möbelhändler sah ihn verschmitzt von der Seite an und zwinkerte
mit dem Auge. Gewiß, gewiß! fuhr der Redselige fort, und wenn es der
Salon einer Tochter des Sultaus wäre, der Divan würde hineinpassen, als ob
er eigens dafür angefertigt wäre!

Der junge Gelehrte empfand ein eigentümliches Unbehagen. War es nicht,
als wüßte der Kerl schon um sein süßes Geheimnis? Aber der Divan war
wirklich schön und preiswert, Justus bezahlte ihn und gab an, wohin man
das Stück bringen sollte. Gewiß, gewiß! sagte der Verkäufer, indem er sich


Leitet die Aatzenprinzessm

glücklicherweise — erhaltnen Briefe! Das Ergebnis ist gleich Null und wird
es immer sein, weil es sich um Dinge handelt, die jeder Mensch anders an¬
sieht und empfindet, und die endlich, wenn man es ehrlich überdenkt, die Welt
doch gnr nichts angehen. Nichtwissenwollen ist hier oft die beste Wissenschaft.

Wir sagen das, nicht weil wir glaubten, daß dnrch die Veröffentlichung
gerade der Tagebücher Nicolais ein großer Schaden gestiftet würde, sondern
um gewisse Grenzen anzudeuten, die grundsätzlich gelten sollten. Solche Quellen
müssen benutzt werden, wo sie einmal vorhanden sind. Aber jeder sollte sich
bewußt sein, wie schwierig und verantwortlich dies Geschäft ist. Ihr thatsäch¬
licher Gehalt werde ausgeschöpft und in eigner Darstellung verarbeitet; diese
Darstellung gemäß dem in den Selbstanfzcichnungen offenbar werdenden Stim¬
mungselement vorsichtig zu färben, möge der Meister versuchen. Die Quellen
selbst aber lasse man im Dunkel der Verborgenheit, wohin sie nach Natur und
Sitte gehören.




Leiter die Katzenprinzessin
Lin Märchen von
(Schlus;)

Julius Hacirhaus

ustus betrat das Gewölbe eiues Möbelhändlers. Der Besitzer
empfing ihn mit einer Höflichkeit, die Justus ganz verblüffte,
und die er nur seinem neuen Frack zuschreiben zu können
glaubte.

Einen Divan wünschen der gnädige Herr? Gewiß, gewiß!
Habe eine schöne Auswahl vorrätig, vom einfachsten bis zum kostbarsten. Hier
ist einer mit Damastüberzug — jedenfalls nach des gnädigen Herrn Ge¬
schmack, himmelblau mit echt orientalischem Muster. Wirklich höchst vornehm,
würdig, den Salon einer Prinzessin zu schmücken!

Justus stutzte. Den Salon einer Prinzessin? wiederholte er.

Der Möbelhändler sah ihn verschmitzt von der Seite an und zwinkerte
mit dem Auge. Gewiß, gewiß! fuhr der Redselige fort, und wenn es der
Salon einer Tochter des Sultaus wäre, der Divan würde hineinpassen, als ob
er eigens dafür angefertigt wäre!

Der junge Gelehrte empfand ein eigentümliches Unbehagen. War es nicht,
als wüßte der Kerl schon um sein süßes Geheimnis? Aber der Divan war
wirklich schön und preiswert, Justus bezahlte ihn und gab an, wohin man
das Stück bringen sollte. Gewiß, gewiß! sagte der Verkäufer, indem er sich


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[0380] Leitet die Aatzenprinzessm glücklicherweise — erhaltnen Briefe! Das Ergebnis ist gleich Null und wird es immer sein, weil es sich um Dinge handelt, die jeder Mensch anders an¬ sieht und empfindet, und die endlich, wenn man es ehrlich überdenkt, die Welt doch gnr nichts angehen. Nichtwissenwollen ist hier oft die beste Wissenschaft. Wir sagen das, nicht weil wir glaubten, daß dnrch die Veröffentlichung gerade der Tagebücher Nicolais ein großer Schaden gestiftet würde, sondern um gewisse Grenzen anzudeuten, die grundsätzlich gelten sollten. Solche Quellen müssen benutzt werden, wo sie einmal vorhanden sind. Aber jeder sollte sich bewußt sein, wie schwierig und verantwortlich dies Geschäft ist. Ihr thatsäch¬ licher Gehalt werde ausgeschöpft und in eigner Darstellung verarbeitet; diese Darstellung gemäß dem in den Selbstanfzcichnungen offenbar werdenden Stim¬ mungselement vorsichtig zu färben, möge der Meister versuchen. Die Quellen selbst aber lasse man im Dunkel der Verborgenheit, wohin sie nach Natur und Sitte gehören. Leiter die Katzenprinzessin Lin Märchen von (Schlus;) Julius Hacirhaus ustus betrat das Gewölbe eiues Möbelhändlers. Der Besitzer empfing ihn mit einer Höflichkeit, die Justus ganz verblüffte, und die er nur seinem neuen Frack zuschreiben zu können glaubte. Einen Divan wünschen der gnädige Herr? Gewiß, gewiß! Habe eine schöne Auswahl vorrätig, vom einfachsten bis zum kostbarsten. Hier ist einer mit Damastüberzug — jedenfalls nach des gnädigen Herrn Ge¬ schmack, himmelblau mit echt orientalischem Muster. Wirklich höchst vornehm, würdig, den Salon einer Prinzessin zu schmücken! Justus stutzte. Den Salon einer Prinzessin? wiederholte er. Der Möbelhändler sah ihn verschmitzt von der Seite an und zwinkerte mit dem Auge. Gewiß, gewiß! fuhr der Redselige fort, und wenn es der Salon einer Tochter des Sultaus wäre, der Divan würde hineinpassen, als ob er eigens dafür angefertigt wäre! Der junge Gelehrte empfand ein eigentümliches Unbehagen. War es nicht, als wüßte der Kerl schon um sein süßes Geheimnis? Aber der Divan war wirklich schön und preiswert, Justus bezahlte ihn und gab an, wohin man das Stück bringen sollte. Gewiß, gewiß! sagte der Verkäufer, indem er sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/380>, abgerufen am 26.08.2024.