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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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die ich schon kenne, wo Krakow erklärt, warum er sie Jolanthe genannt habe,
wegen der Referendare, Inspektoren u. s. w. Dann fangt Hnnckel an von
dem Prozeß mit Putz zu sprechen, Krakow wird rauhbeinig, wie er den Namen
hört, Hcmckel wird ärgerlich, er verabschiedet sich, Jolanthe begleitet ihn hinaus
und bittet ihn, wiederzukommen.

Jolanthe hats ihm, dem Alten, angethan. Doch dank seinem Spiegel,
der ihm durchaus nicht schmeichelt, nimmt er sich vor, kein Esel zu sein und
sich seinem harten, schmalen Junggcsellenbett nicht untreu machen zu lassen,
selbst von einer nicht, die "Jolanthe heißt und als edelstes Vollblut auf Gottes
schöner Weide herumläuft." Mit diesen guten Vorsätzen kriecht er zu Bett.

Wie herrlich ist die Mischung von Alltäglichkeit, Vernunft und ein bischen
Rührung, mit der dieses Kapitel schließt! Doch schnell weiter zum nächsten!

Lothar meint, Hcmckel solle doch noch einmal nach Krakowitz hinüberfahren,
und Hcmckel thuts. Nun wirds fein oder, um mit Sudermaun zu reden,
"scheußlich fein": "Mollige Emotion von Weibernähe." Die alten Herrschaften
schlafen, Jolanthe geht "im Mullkleide" mit Hcmckel allein in den Garten.
Da giebt es eine "schummrig" kühle Laube, wo man ungestört ist. Aber
wie hineinkommen? Die Laube ist fast vollständig "verwachsen." Doch wo
ein Wille ist, ist auch ein Weg; Sudermann nimmt dies Hindernis mit ele¬
ganter Leichtigkeit. Jolanthe wirft sich auf die Erde und kriecht -- kriecht! --
durch ein kleines -- kleines! -- Loch in das Dickicht hinein. Freiherr von
Hcmckel kriecht "auf allen Vieren" hinterher. Solch ein "scheußlich feines"
Laubenrendezvvus ist der Gipfel aller Kunst. Ich bin doch gespannt, wie
die Geschichte weiter geht.

Jolanthe "wischt sich mit ihrem Taschentuch um den Hals herum bis
unter den schweißfeuchten Taillensaum" -- n-MMis, von sunt turxm --,
sie ist müde, sie will schlafen, Hcmckel soll die Augen zumachen und auch
schlafen. Was wird das geben?

Es kommt anders, als man denkt. Jolanthe erklärt sich; ihr Bater, sagt
sie, habe ihr befohlen, dem Baron den Kopf zu verdrehen, damit er um sie
werbe. Sie will ihm gehören, wenn er sie trotz dieser Aufklärung will, sie
wirft sich ihm ans Stolz und Verzweiflung an den Hals, und er willigt ein,
er sagt ja, giebt ihr aber acht Tage Bedenkzeit.

Ist es nicht "großartig," wie dezent dieser Silbermann ist? Ich wollte
schon einen schlechten Begriff von ihm bekommen, aber er hat uns nur des¬
halb auf allen Vieren in die Laube geführt, damit wir den Edelmut des
Barons und der Jolanthe um so mehr bewundern -- ein ganz neuer, ein
genialer Trin! Ein einziger solcher Trin kann das Rennen zU Gunsten des
Reiters entscheiden. Mit Kriechen uns zu imponiren, das kann nicht jeder.
Ich will doch sehen, ob sich die beiden durch dieses Kriechen kriegen; mit dem
nächsten kurzen Kapitel kann ich noch fertig werden.


die ich schon kenne, wo Krakow erklärt, warum er sie Jolanthe genannt habe,
wegen der Referendare, Inspektoren u. s. w. Dann fangt Hnnckel an von
dem Prozeß mit Putz zu sprechen, Krakow wird rauhbeinig, wie er den Namen
hört, Hcmckel wird ärgerlich, er verabschiedet sich, Jolanthe begleitet ihn hinaus
und bittet ihn, wiederzukommen.

Jolanthe hats ihm, dem Alten, angethan. Doch dank seinem Spiegel,
der ihm durchaus nicht schmeichelt, nimmt er sich vor, kein Esel zu sein und
sich seinem harten, schmalen Junggcsellenbett nicht untreu machen zu lassen,
selbst von einer nicht, die „Jolanthe heißt und als edelstes Vollblut auf Gottes
schöner Weide herumläuft." Mit diesen guten Vorsätzen kriecht er zu Bett.

Wie herrlich ist die Mischung von Alltäglichkeit, Vernunft und ein bischen
Rührung, mit der dieses Kapitel schließt! Doch schnell weiter zum nächsten!

Lothar meint, Hcmckel solle doch noch einmal nach Krakowitz hinüberfahren,
und Hcmckel thuts. Nun wirds fein oder, um mit Sudermaun zu reden,
„scheußlich fein": „Mollige Emotion von Weibernähe." Die alten Herrschaften
schlafen, Jolanthe geht „im Mullkleide" mit Hcmckel allein in den Garten.
Da giebt es eine „schummrig" kühle Laube, wo man ungestört ist. Aber
wie hineinkommen? Die Laube ist fast vollständig „verwachsen." Doch wo
ein Wille ist, ist auch ein Weg; Sudermann nimmt dies Hindernis mit ele¬
ganter Leichtigkeit. Jolanthe wirft sich auf die Erde und kriecht — kriecht! —
durch ein kleines — kleines! — Loch in das Dickicht hinein. Freiherr von
Hcmckel kriecht „auf allen Vieren" hinterher. Solch ein „scheußlich feines"
Laubenrendezvvus ist der Gipfel aller Kunst. Ich bin doch gespannt, wie
die Geschichte weiter geht.

Jolanthe „wischt sich mit ihrem Taschentuch um den Hals herum bis
unter den schweißfeuchten Taillensaum" — n-MMis, von sunt turxm —,
sie ist müde, sie will schlafen, Hcmckel soll die Augen zumachen und auch
schlafen. Was wird das geben?

Es kommt anders, als man denkt. Jolanthe erklärt sich; ihr Bater, sagt
sie, habe ihr befohlen, dem Baron den Kopf zu verdrehen, damit er um sie
werbe. Sie will ihm gehören, wenn er sie trotz dieser Aufklärung will, sie
wirft sich ihm ans Stolz und Verzweiflung an den Hals, und er willigt ein,
er sagt ja, giebt ihr aber acht Tage Bedenkzeit.

Ist es nicht „großartig," wie dezent dieser Silbermann ist? Ich wollte
schon einen schlechten Begriff von ihm bekommen, aber er hat uns nur des¬
halb auf allen Vieren in die Laube geführt, damit wir den Edelmut des
Barons und der Jolanthe um so mehr bewundern — ein ganz neuer, ein
genialer Trin! Ein einziger solcher Trin kann das Rennen zU Gunsten des
Reiters entscheiden. Mit Kriechen uns zu imponiren, das kann nicht jeder.
Ich will doch sehen, ob sich die beiden durch dieses Kriechen kriegen; mit dem
nächsten kurzen Kapitel kann ich noch fertig werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/328>, abgerufen am 27.08.2024.