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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Jolanthes Hochzeit

wuudruug ihres Haushalts doch nur eine rühmliche, seltne Ausnahme zu
sein scheine.

Kommen Sie nur öfter, sagte Dr. Brand beim Abschied, Sie werden
sehen, daß Geschwindigkeit auch in Amerika keine Hexerei ist, daß in einem
Lande, wo es heißt: 1im<z i8 inomz^, praktischer Neuerungssinn einem über
vieles Veraltete hinweghilft, und daß wir Wilden auch Menschen sind.

Bessere Menschen, berichtigte ich, denn sie gründen eine neue Art von
Zivilisation in einer neuen Welt, ohne auf etwas Altem zu fußen, was sie
vorgefunden hätten.

Das ists ja, was die Sache erleichtert und zugleich steigert, setzte der
Doktor hinzu, in dem er mich hinausbegleitete; für solche Straßen, wie wir
sie haben, so breit, so schon, für solche Bahunetze, solche Parkmilageu ist in
dem alten Europa gar kein Platz mehr.

Und für solch einen neuen Gesellschaftsaufball erst recht nicht.

Damit trennten wir uns.




Iolanthes Hochzeit

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MMolauthe -- wundervoller Name! Der Name gefällt mir "gro߬
artig." Wo in aller Welt habe ich ihn schon einmal gehört?
Ah, ich Habs. In meiner Erinnerung taucht eine farbenprächtige
Szene auf, ein weites Feld, auf dem die Fahnen lustig im Winde
flattern, Tribünen, Zuschauer, Equipagen, edle Nenner, Vollblut,
Halbblut. Es war eines Nachmittags im vorigen Sommer, ich befand
mich wie immer auf dem Sattelplatz am Totalisator, und Jolanthe hieß eines
der "genannten" Pferde im Besitz des Herrn von N., des bekannten Sports-
man, das von dem Leutnant von S., dein berühmten Herrenreiter,
geritten wurde. Mein Freund Meyer, der alle Jockeys kennt, hatte wieder
das "riesige" Glück, auf diesen Gaul zu setzen und zu gewinnen, während ich
mein gewöhnliches Pech hatte. Der Name Jolanthe fiel mir damals auf,
sie stammte, wenn ich mich recht erinnere, von dein Probepfeil aus der
Cyprienne, und sie trug an jenem Tage den ersten Preis davon, den ein
großes Privatgestüt gestiftet hatte.

Aber wohin gerate ich? Es ist rein zum Lachen, daß man so zer¬
streut sein kann. Ich bin ja uicht auf dem Sattelplatz, sondern ich sitze hier
in unsrer Theaterloge, und was ich in der Hand habe, ist kein Nennprogramm,


Jolanthes Hochzeit

wuudruug ihres Haushalts doch nur eine rühmliche, seltne Ausnahme zu
sein scheine.

Kommen Sie nur öfter, sagte Dr. Brand beim Abschied, Sie werden
sehen, daß Geschwindigkeit auch in Amerika keine Hexerei ist, daß in einem
Lande, wo es heißt: 1im<z i8 inomz^, praktischer Neuerungssinn einem über
vieles Veraltete hinweghilft, und daß wir Wilden auch Menschen sind.

Bessere Menschen, berichtigte ich, denn sie gründen eine neue Art von
Zivilisation in einer neuen Welt, ohne auf etwas Altem zu fußen, was sie
vorgefunden hätten.

Das ists ja, was die Sache erleichtert und zugleich steigert, setzte der
Doktor hinzu, in dem er mich hinausbegleitete; für solche Straßen, wie wir
sie haben, so breit, so schon, für solche Bahunetze, solche Parkmilageu ist in
dem alten Europa gar kein Platz mehr.

Und für solch einen neuen Gesellschaftsaufball erst recht nicht.

Damit trennten wir uns.




Iolanthes Hochzeit

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MMolauthe — wundervoller Name! Der Name gefällt mir „gro߬
artig." Wo in aller Welt habe ich ihn schon einmal gehört?
Ah, ich Habs. In meiner Erinnerung taucht eine farbenprächtige
Szene auf, ein weites Feld, auf dem die Fahnen lustig im Winde
flattern, Tribünen, Zuschauer, Equipagen, edle Nenner, Vollblut,
Halbblut. Es war eines Nachmittags im vorigen Sommer, ich befand
mich wie immer auf dem Sattelplatz am Totalisator, und Jolanthe hieß eines
der „genannten" Pferde im Besitz des Herrn von N., des bekannten Sports-
man, das von dem Leutnant von S., dein berühmten Herrenreiter,
geritten wurde. Mein Freund Meyer, der alle Jockeys kennt, hatte wieder
das „riesige" Glück, auf diesen Gaul zu setzen und zu gewinnen, während ich
mein gewöhnliches Pech hatte. Der Name Jolanthe fiel mir damals auf,
sie stammte, wenn ich mich recht erinnere, von dein Probepfeil aus der
Cyprienne, und sie trug an jenem Tage den ersten Preis davon, den ein
großes Privatgestüt gestiftet hatte.

Aber wohin gerate ich? Es ist rein zum Lachen, daß man so zer¬
streut sein kann. Ich bin ja uicht auf dem Sattelplatz, sondern ich sitze hier
in unsrer Theaterloge, und was ich in der Hand habe, ist kein Nennprogramm,


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[0325] Jolanthes Hochzeit wuudruug ihres Haushalts doch nur eine rühmliche, seltne Ausnahme zu sein scheine. Kommen Sie nur öfter, sagte Dr. Brand beim Abschied, Sie werden sehen, daß Geschwindigkeit auch in Amerika keine Hexerei ist, daß in einem Lande, wo es heißt: 1im<z i8 inomz^, praktischer Neuerungssinn einem über vieles Veraltete hinweghilft, und daß wir Wilden auch Menschen sind. Bessere Menschen, berichtigte ich, denn sie gründen eine neue Art von Zivilisation in einer neuen Welt, ohne auf etwas Altem zu fußen, was sie vorgefunden hätten. Das ists ja, was die Sache erleichtert und zugleich steigert, setzte der Doktor hinzu, in dem er mich hinausbegleitete; für solche Straßen, wie wir sie haben, so breit, so schon, für solche Bahunetze, solche Parkmilageu ist in dem alten Europa gar kein Platz mehr. Und für solch einen neuen Gesellschaftsaufball erst recht nicht. Damit trennten wir uns. Iolanthes Hochzeit ?WW> MMolauthe — wundervoller Name! Der Name gefällt mir „gro߬ artig." Wo in aller Welt habe ich ihn schon einmal gehört? Ah, ich Habs. In meiner Erinnerung taucht eine farbenprächtige Szene auf, ein weites Feld, auf dem die Fahnen lustig im Winde flattern, Tribünen, Zuschauer, Equipagen, edle Nenner, Vollblut, Halbblut. Es war eines Nachmittags im vorigen Sommer, ich befand mich wie immer auf dem Sattelplatz am Totalisator, und Jolanthe hieß eines der „genannten" Pferde im Besitz des Herrn von N., des bekannten Sports- man, das von dem Leutnant von S., dein berühmten Herrenreiter, geritten wurde. Mein Freund Meyer, der alle Jockeys kennt, hatte wieder das „riesige" Glück, auf diesen Gaul zu setzen und zu gewinnen, während ich mein gewöhnliches Pech hatte. Der Name Jolanthe fiel mir damals auf, sie stammte, wenn ich mich recht erinnere, von dein Probepfeil aus der Cyprienne, und sie trug an jenem Tage den ersten Preis davon, den ein großes Privatgestüt gestiftet hatte. Aber wohin gerate ich? Es ist rein zum Lachen, daß man so zer¬ streut sein kann. Ich bin ja uicht auf dem Sattelplatz, sondern ich sitze hier in unsrer Theaterloge, und was ich in der Hand habe, ist kein Nennprogramm,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/325>, abgerufen am 27.08.2024.