Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bilder ans dem Westen

botenklasse, hier also für Kutscher, Sorge trägt, sodaß immer genügende Kräfte
vorhanden sind. Diese Familien bilden dann eine Art Sportklub, der gemein¬
schaftliche Auffahrten und Picknicks veranstaltet in großen und kleinen Wagen,
die dem Klub gehören, über die aber auch jeder einzelne Verfügungsrecht hat.
So giebt es auch gemeinsame Waschküchen und Restaurationen. Die Familien,
die zu den Klubs gehören, können sich im Fall eines Dienstbotenmangels
Kutscher,. Köchin oder Waschfrau uach Bedarf auf einige Tage in ihr Haus
bestellen.

Das sind ja Einrichtungen ganz im Sinne des Zukunstsstaats von Bellamy,
warf ich ein.

Sie sind auch vom Natioualklub ins Leben gerufen worden; der macht
sichs zur Aufgabe, die Bellamysche Idee zur Grundlage der gesellschaftlichen
Neubildung der neuen Welt zu macheu. Sie wollen ja morgen, fuhr der Kollege
fort, nachdem er die Zügel dem vor seinem Wohnhause wartenden Negerjungen
übergeben hatte, die Schlachthäuser besuchen. Sie werden auch da ähnliche
Bestrebungen sehen, nämlich Aktienunternehmen, die das Schlachten so
gut und billig besorgen, daß es keiner Familie mehr einfällt, im Hause zu
schlachten. Unser ganzes Arbeiterpersonal wird nach und nach aufgesogen von
diesen großen Instituten, daher der Mangel an Dienstboten, von dem Ihnen
meine Frau ein Lied singen könnte, wenn Sie uns mit Ihrem Besuch be¬
ehren wollen.

Aber ich störe jetzt!

Freilich stören Sie jetzt, aber gerade darum werden Sie am meisten das
gewahr werden, woraus man in einer deutschen Haushaltung uoch ein Hehl
macht, was nun aber hier gar nicht mehr zu vertuschen sich bemüht.

Nun, aus Ihre Verantwortung hin, Herr Kollege! Damit traten wir ein.

Es war ein niedliches Cvttage mit Vvrgärtchen, Veranda, Holz-
schnitzwerk an dem säulengetragnen Vordach, alles gelbbraun bemalt. Das
Häuschen lag etwas abseits von dem Gewühl, wo die Straße einmün¬
dete, und bot eine hübsche Fernsicht über die welligen Vorstädte mit ihrem
bunten architektonischen Durcheinander, das zwischen Gärten und freien, noch
brachliegenden Plätze:" zerstreut war, auf denen hie und da noch hohe, alte
Eichen, Überbleibsel des Urwaldes, zwischen Gestrüpp und Steinbrüchen her¬
vorragten.

Daß du nicht erschrickst, Frau, der Gast, den ich mitbringe, ist ein Kol¬
lege, der von Deutschland besonders zu dem Zwecke herüber gekommen ist,
hinter die Kulissen einer deutsch-amerikanischen Haushaltung zu sehen. Also
keine konventionellen Lügen!

Mit diesen Worten lief Dr. Brand die Treppe zum Kellergeschoß hinunter, wo
die Küche war, während ich es mir oben in seinem Empfangszimmer bequem
machte und seine anatomischen Abbildungen in Buntdruck bewunderte, die in


Bilder ans dem Westen

botenklasse, hier also für Kutscher, Sorge trägt, sodaß immer genügende Kräfte
vorhanden sind. Diese Familien bilden dann eine Art Sportklub, der gemein¬
schaftliche Auffahrten und Picknicks veranstaltet in großen und kleinen Wagen,
die dem Klub gehören, über die aber auch jeder einzelne Verfügungsrecht hat.
So giebt es auch gemeinsame Waschküchen und Restaurationen. Die Familien,
die zu den Klubs gehören, können sich im Fall eines Dienstbotenmangels
Kutscher,. Köchin oder Waschfrau uach Bedarf auf einige Tage in ihr Haus
bestellen.

Das sind ja Einrichtungen ganz im Sinne des Zukunstsstaats von Bellamy,
warf ich ein.

Sie sind auch vom Natioualklub ins Leben gerufen worden; der macht
sichs zur Aufgabe, die Bellamysche Idee zur Grundlage der gesellschaftlichen
Neubildung der neuen Welt zu macheu. Sie wollen ja morgen, fuhr der Kollege
fort, nachdem er die Zügel dem vor seinem Wohnhause wartenden Negerjungen
übergeben hatte, die Schlachthäuser besuchen. Sie werden auch da ähnliche
Bestrebungen sehen, nämlich Aktienunternehmen, die das Schlachten so
gut und billig besorgen, daß es keiner Familie mehr einfällt, im Hause zu
schlachten. Unser ganzes Arbeiterpersonal wird nach und nach aufgesogen von
diesen großen Instituten, daher der Mangel an Dienstboten, von dem Ihnen
meine Frau ein Lied singen könnte, wenn Sie uns mit Ihrem Besuch be¬
ehren wollen.

Aber ich störe jetzt!

Freilich stören Sie jetzt, aber gerade darum werden Sie am meisten das
gewahr werden, woraus man in einer deutschen Haushaltung uoch ein Hehl
macht, was nun aber hier gar nicht mehr zu vertuschen sich bemüht.

Nun, aus Ihre Verantwortung hin, Herr Kollege! Damit traten wir ein.

Es war ein niedliches Cvttage mit Vvrgärtchen, Veranda, Holz-
schnitzwerk an dem säulengetragnen Vordach, alles gelbbraun bemalt. Das
Häuschen lag etwas abseits von dem Gewühl, wo die Straße einmün¬
dete, und bot eine hübsche Fernsicht über die welligen Vorstädte mit ihrem
bunten architektonischen Durcheinander, das zwischen Gärten und freien, noch
brachliegenden Plätze:« zerstreut war, auf denen hie und da noch hohe, alte
Eichen, Überbleibsel des Urwaldes, zwischen Gestrüpp und Steinbrüchen her¬
vorragten.

Daß du nicht erschrickst, Frau, der Gast, den ich mitbringe, ist ein Kol¬
lege, der von Deutschland besonders zu dem Zwecke herüber gekommen ist,
hinter die Kulissen einer deutsch-amerikanischen Haushaltung zu sehen. Also
keine konventionellen Lügen!

Mit diesen Worten lief Dr. Brand die Treppe zum Kellergeschoß hinunter, wo
die Küche war, während ich es mir oben in seinem Empfangszimmer bequem
machte und seine anatomischen Abbildungen in Buntdruck bewunderte, die in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214778"/>
          <fw type="header" place="top"> Bilder ans dem Westen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1252" prev="#ID_1251"> botenklasse, hier also für Kutscher, Sorge trägt, sodaß immer genügende Kräfte<lb/>
vorhanden sind. Diese Familien bilden dann eine Art Sportklub, der gemein¬<lb/>
schaftliche Auffahrten und Picknicks veranstaltet in großen und kleinen Wagen,<lb/>
die dem Klub gehören, über die aber auch jeder einzelne Verfügungsrecht hat.<lb/>
So giebt es auch gemeinsame Waschküchen und Restaurationen. Die Familien,<lb/>
die zu den Klubs gehören, können sich im Fall eines Dienstbotenmangels<lb/>
Kutscher,. Köchin oder Waschfrau uach Bedarf auf einige Tage in ihr Haus<lb/>
bestellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1253"> Das sind ja Einrichtungen ganz im Sinne des Zukunstsstaats von Bellamy,<lb/>
warf ich ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1254"> Sie sind auch vom Natioualklub ins Leben gerufen worden; der macht<lb/>
sichs zur Aufgabe, die Bellamysche Idee zur Grundlage der gesellschaftlichen<lb/>
Neubildung der neuen Welt zu macheu. Sie wollen ja morgen, fuhr der Kollege<lb/>
fort, nachdem er die Zügel dem vor seinem Wohnhause wartenden Negerjungen<lb/>
übergeben hatte, die Schlachthäuser besuchen. Sie werden auch da ähnliche<lb/>
Bestrebungen sehen, nämlich Aktienunternehmen, die das Schlachten so<lb/>
gut und billig besorgen, daß es keiner Familie mehr einfällt, im Hause zu<lb/>
schlachten. Unser ganzes Arbeiterpersonal wird nach und nach aufgesogen von<lb/>
diesen großen Instituten, daher der Mangel an Dienstboten, von dem Ihnen<lb/>
meine Frau ein Lied singen könnte, wenn Sie uns mit Ihrem Besuch be¬<lb/>
ehren wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1255"> Aber ich störe jetzt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1256"> Freilich stören Sie jetzt, aber gerade darum werden Sie am meisten das<lb/>
gewahr werden, woraus man in einer deutschen Haushaltung uoch ein Hehl<lb/>
macht, was nun aber hier gar nicht mehr zu vertuschen sich bemüht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1257"> Nun, aus Ihre Verantwortung hin, Herr Kollege! Damit traten wir ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1258"> Es war ein niedliches Cvttage mit Vvrgärtchen, Veranda, Holz-<lb/>
schnitzwerk an dem säulengetragnen Vordach, alles gelbbraun bemalt. Das<lb/>
Häuschen lag etwas abseits von dem Gewühl, wo die Straße einmün¬<lb/>
dete, und bot eine hübsche Fernsicht über die welligen Vorstädte mit ihrem<lb/>
bunten architektonischen Durcheinander, das zwischen Gärten und freien, noch<lb/>
brachliegenden Plätze:« zerstreut war, auf denen hie und da noch hohe, alte<lb/>
Eichen, Überbleibsel des Urwaldes, zwischen Gestrüpp und Steinbrüchen her¬<lb/>
vorragten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1259"> Daß du nicht erschrickst, Frau, der Gast, den ich mitbringe, ist ein Kol¬<lb/>
lege, der von Deutschland besonders zu dem Zwecke herüber gekommen ist,<lb/>
hinter die Kulissen einer deutsch-amerikanischen Haushaltung zu sehen. Also<lb/>
keine konventionellen Lügen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1260" next="#ID_1261"> Mit diesen Worten lief Dr. Brand die Treppe zum Kellergeschoß hinunter, wo<lb/>
die Küche war, während ich es mir oben in seinem Empfangszimmer bequem<lb/>
machte und seine anatomischen Abbildungen in Buntdruck bewunderte, die in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0323] Bilder ans dem Westen botenklasse, hier also für Kutscher, Sorge trägt, sodaß immer genügende Kräfte vorhanden sind. Diese Familien bilden dann eine Art Sportklub, der gemein¬ schaftliche Auffahrten und Picknicks veranstaltet in großen und kleinen Wagen, die dem Klub gehören, über die aber auch jeder einzelne Verfügungsrecht hat. So giebt es auch gemeinsame Waschküchen und Restaurationen. Die Familien, die zu den Klubs gehören, können sich im Fall eines Dienstbotenmangels Kutscher,. Köchin oder Waschfrau uach Bedarf auf einige Tage in ihr Haus bestellen. Das sind ja Einrichtungen ganz im Sinne des Zukunstsstaats von Bellamy, warf ich ein. Sie sind auch vom Natioualklub ins Leben gerufen worden; der macht sichs zur Aufgabe, die Bellamysche Idee zur Grundlage der gesellschaftlichen Neubildung der neuen Welt zu macheu. Sie wollen ja morgen, fuhr der Kollege fort, nachdem er die Zügel dem vor seinem Wohnhause wartenden Negerjungen übergeben hatte, die Schlachthäuser besuchen. Sie werden auch da ähnliche Bestrebungen sehen, nämlich Aktienunternehmen, die das Schlachten so gut und billig besorgen, daß es keiner Familie mehr einfällt, im Hause zu schlachten. Unser ganzes Arbeiterpersonal wird nach und nach aufgesogen von diesen großen Instituten, daher der Mangel an Dienstboten, von dem Ihnen meine Frau ein Lied singen könnte, wenn Sie uns mit Ihrem Besuch be¬ ehren wollen. Aber ich störe jetzt! Freilich stören Sie jetzt, aber gerade darum werden Sie am meisten das gewahr werden, woraus man in einer deutschen Haushaltung uoch ein Hehl macht, was nun aber hier gar nicht mehr zu vertuschen sich bemüht. Nun, aus Ihre Verantwortung hin, Herr Kollege! Damit traten wir ein. Es war ein niedliches Cvttage mit Vvrgärtchen, Veranda, Holz- schnitzwerk an dem säulengetragnen Vordach, alles gelbbraun bemalt. Das Häuschen lag etwas abseits von dem Gewühl, wo die Straße einmün¬ dete, und bot eine hübsche Fernsicht über die welligen Vorstädte mit ihrem bunten architektonischen Durcheinander, das zwischen Gärten und freien, noch brachliegenden Plätze:« zerstreut war, auf denen hie und da noch hohe, alte Eichen, Überbleibsel des Urwaldes, zwischen Gestrüpp und Steinbrüchen her¬ vorragten. Daß du nicht erschrickst, Frau, der Gast, den ich mitbringe, ist ein Kol¬ lege, der von Deutschland besonders zu dem Zwecke herüber gekommen ist, hinter die Kulissen einer deutsch-amerikanischen Haushaltung zu sehen. Also keine konventionellen Lügen! Mit diesen Worten lief Dr. Brand die Treppe zum Kellergeschoß hinunter, wo die Küche war, während ich es mir oben in seinem Empfangszimmer bequem machte und seine anatomischen Abbildungen in Buntdruck bewunderte, die in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/323
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/323>, abgerufen am 26.08.2024.