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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Zur ^)esuitenfrage

er Antrag des Zentrums auf Aufhebung des Jesuitengesetzes Hut
auch in diesem Jahre wieder einen Teil des Protestantischen
Deutschlands in fieberhafte Aufregung versetzt. Wenn wir zu
der Angelegenheit einmal das Wort ergreifen, so geschieht es zu
einem Zweck, den wir erst am Schlüsse verraten wollen. Wir
unsrerseits stehen dem Jesuitenorden ganz ebenso gegenüber, wie z.B. dem
Pnritanertnm, das jetzt in den Temperenzlern und in der Heilsarmee wieder
ausgelebt ist. Beide sind uns in hohem Grade zuwider; aber das Hindertuns
nicht, den edeln Charakter und den Opfermut vieler Angehörigen beider Ge¬
nossenschaften anzuerkennen, sowie die Verdienste, die sich die Puritaner um
die Volkssittlichkeit, die Jesuiten um die Heidenmission und um einzelne Zweige
der Wissenschaft erworben haben. Jedenfalls aber machen wir uns nicht der
Lächerlichkeit schuldig, zu verlangen, daß uns die Regierung eine Sekte oder
Körperschaft, die wir nicht leiden können, durch Ausnahmegesetze vom Leibe
halten solle. Am 4. Juli 1872, wo das Jesuitengesetz erlassen wurde, hatte
es als Kampfmittel einen Sinn. Jetzt, "ach vvllzvgnem Friedensschluß, hat
es keinen Sinn mehr.

Sind denn auch die Wirkungen, die nach seiner Aufhebung eintreten würden,
so bedeutend, daß es sich verlohnte, darüber in Aufregung zu geraten? Die
Ausschließung des Jesuitenordens aus dein Reiche bedeutete nach dem Wort¬
laute des Gesetzes, daß ihre damals bestehenden Niederlassungen aufgelöst und
neue nicht mehr zugelassen werden sollten, daß den Angehörigen des Ordens,
wenn sie Inländer sind, der Aufenthalt in gewissen Orten angewiesen oder
versagt werden kann, und daß sie, wenn sie Ausländer sind, ausgewiesen
werden können. Zu der ein dritter Stelle genannten Maßregel ist überhaupt
kein Ausnahmegesetz nötig; hören wir doch hcinfig genug von Ausländern,
G


renzlwten II 1893 26


Zur ^)esuitenfrage

er Antrag des Zentrums auf Aufhebung des Jesuitengesetzes Hut
auch in diesem Jahre wieder einen Teil des Protestantischen
Deutschlands in fieberhafte Aufregung versetzt. Wenn wir zu
der Angelegenheit einmal das Wort ergreifen, so geschieht es zu
einem Zweck, den wir erst am Schlüsse verraten wollen. Wir
unsrerseits stehen dem Jesuitenorden ganz ebenso gegenüber, wie z.B. dem
Pnritanertnm, das jetzt in den Temperenzlern und in der Heilsarmee wieder
ausgelebt ist. Beide sind uns in hohem Grade zuwider; aber das Hindertuns
nicht, den edeln Charakter und den Opfermut vieler Angehörigen beider Ge¬
nossenschaften anzuerkennen, sowie die Verdienste, die sich die Puritaner um
die Volkssittlichkeit, die Jesuiten um die Heidenmission und um einzelne Zweige
der Wissenschaft erworben haben. Jedenfalls aber machen wir uns nicht der
Lächerlichkeit schuldig, zu verlangen, daß uns die Regierung eine Sekte oder
Körperschaft, die wir nicht leiden können, durch Ausnahmegesetze vom Leibe
halten solle. Am 4. Juli 1872, wo das Jesuitengesetz erlassen wurde, hatte
es als Kampfmittel einen Sinn. Jetzt, »ach vvllzvgnem Friedensschluß, hat
es keinen Sinn mehr.

Sind denn auch die Wirkungen, die nach seiner Aufhebung eintreten würden,
so bedeutend, daß es sich verlohnte, darüber in Aufregung zu geraten? Die
Ausschließung des Jesuitenordens aus dein Reiche bedeutete nach dem Wort¬
laute des Gesetzes, daß ihre damals bestehenden Niederlassungen aufgelöst und
neue nicht mehr zugelassen werden sollten, daß den Angehörigen des Ordens,
wenn sie Inländer sind, der Aufenthalt in gewissen Orten angewiesen oder
versagt werden kann, und daß sie, wenn sie Ausländer sind, ausgewiesen
werden können. Zu der ein dritter Stelle genannten Maßregel ist überhaupt
kein Ausnahmegesetz nötig; hören wir doch hcinfig genug von Ausländern,
G


renzlwten II 1893 26
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[0202] [Abbildung] Zur ^)esuitenfrage er Antrag des Zentrums auf Aufhebung des Jesuitengesetzes Hut auch in diesem Jahre wieder einen Teil des Protestantischen Deutschlands in fieberhafte Aufregung versetzt. Wenn wir zu der Angelegenheit einmal das Wort ergreifen, so geschieht es zu einem Zweck, den wir erst am Schlüsse verraten wollen. Wir unsrerseits stehen dem Jesuitenorden ganz ebenso gegenüber, wie z.B. dem Pnritanertnm, das jetzt in den Temperenzlern und in der Heilsarmee wieder ausgelebt ist. Beide sind uns in hohem Grade zuwider; aber das Hindertuns nicht, den edeln Charakter und den Opfermut vieler Angehörigen beider Ge¬ nossenschaften anzuerkennen, sowie die Verdienste, die sich die Puritaner um die Volkssittlichkeit, die Jesuiten um die Heidenmission und um einzelne Zweige der Wissenschaft erworben haben. Jedenfalls aber machen wir uns nicht der Lächerlichkeit schuldig, zu verlangen, daß uns die Regierung eine Sekte oder Körperschaft, die wir nicht leiden können, durch Ausnahmegesetze vom Leibe halten solle. Am 4. Juli 1872, wo das Jesuitengesetz erlassen wurde, hatte es als Kampfmittel einen Sinn. Jetzt, »ach vvllzvgnem Friedensschluß, hat es keinen Sinn mehr. Sind denn auch die Wirkungen, die nach seiner Aufhebung eintreten würden, so bedeutend, daß es sich verlohnte, darüber in Aufregung zu geraten? Die Ausschließung des Jesuitenordens aus dein Reiche bedeutete nach dem Wort¬ laute des Gesetzes, daß ihre damals bestehenden Niederlassungen aufgelöst und neue nicht mehr zugelassen werden sollten, daß den Angehörigen des Ordens, wenn sie Inländer sind, der Aufenthalt in gewissen Orten angewiesen oder versagt werden kann, und daß sie, wenn sie Ausländer sind, ausgewiesen werden können. Zu der ein dritter Stelle genannten Maßregel ist überhaupt kein Ausnahmegesetz nötig; hören wir doch hcinfig genug von Ausländern, G renzlwten II 1893 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/202>, abgerufen am 26.08.2024.