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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte lex Heinze

würde die jetzt in der That bestehende gesetzliche Begünstigung der schweren
Kuppelei beseitigt werden.

Sodann will der Entwurf mit der Strafe der schweren Kuppelei auch
den Ehemann treffen, wenn er seine Frau verkuppelt. Obschon es nun auch
besonders unsittlich erscheint, wenn ein Ehemann die Prostitution seiner Frau
begünstigt, so ist doch die vorgeschlagne Bestimmung nicht ganz unbedenklich,
weil sie mit dem gesetzgeberischen Motiv des t? INI Ur. 2 nicht völlig über¬
einstimmt. Hiernach soll eine strengere Strafe die treffen, die ein unbedingtes
Autoritätsverhältnis, wie es zwischen Eltern und Kindern n. s. w. besteht,
mißbrauchen. Ein solches Autoritätsverhältnis besteht aber zwischen Eheleuten
nicht, und es ist immerhin bedenklich, ein richtiges gesetzgeberisches Motiv in
derselben Gesetzesstelle zu durchbrechen. Jedenfalls würde dies nnr dann rät¬
lich erscheinen, wenn überzeugend nachgewiesen würde, das; gegen die Kuppelei
des Ehemanns die Strafbestimmung des § 180, die jetzt dagegen allein an¬
wendbar ist, sich als gänzlich unzureichend erwiesen habe. Sehr ernstlich würde
auch zu erwägen sein, ob nicht in der vorgeschlagnen Bestimmung bei der
notorisch weitgehenden Entsittlichung und Zerrüttung der ehelichen Verhält¬
nisse, wie sie meist infolge sozialdemokratischer Irrlehren in weiten Kreisen der
Bevölkerung eingetreten ist, ein verstärkter Anreiz zu Denunziationen liegen
könnte. Der Inhalt gerichtlicher Verhandlungen in Ehescheidnngsprozessen
giebt zu dieser Frage sehr begründete" Anlaß.

Noch viel weniger Aussicht auf Zustimmung hat wohl der weitere zu
180 vorgeschlagne Zusatz: "Die Vermietung von Wohnungen an Weibs¬
personen, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht
unterstellt sind, bleibt straflos, wenn sie nnter Beobachtung der hierüber er¬
lassenen polizeilichen Vorschriften erfolgt." Der Zweck dieser Bestimmung ist
nach den Motiven zunächst der, das Vermieter von Wohnungen an Prosti-
tuirte unter gewissen Umständen gegen die bisherige strafrechtliche Berfvlgnng
zu schütze", zugleich aber auch der Polizeibehörde die Befugnis zu verschaffen,
die Prostituirten in bestimmte Teile des betreffenden Ortes zu verweisen.
Wenn man von dem anch von dem Entwurf eingenommenen Standpunkte
ausgeht, daß nach allen Erfahrungen eine völlige Ausrottung der Prostitution
auf dem Wege der strafrechtlichen und polizeilichen Unterdrückung unausführbar
ist, so ließen sich für den ersten Teil dieses Vorschlags wohl Billigkeitsgründe
geltend machen, insbesondre könnte damit dem so gefährlichen Znhältertum
entgegengearbeitet werden, weil die Prostituirte nicht mehr gezwungen wäre,
zur Unterkunft den Beistand und den Schutz eines Zuhälters zu suchen.
schlechterdings von der Hand zu weisen ist aber der zweite Teil des Vor¬
schlags. Durch seine Ausführung würde" die betreffende,, Ortsbezirke in die
Acht erklärt werden, jede anständige Familie und Person müßte daraus flüchte",
und in kurzer Zeit würden diese Bezirke die Brutstätten der privilegirten Pro-


Die sogenannte lex Heinze

würde die jetzt in der That bestehende gesetzliche Begünstigung der schweren
Kuppelei beseitigt werden.

Sodann will der Entwurf mit der Strafe der schweren Kuppelei auch
den Ehemann treffen, wenn er seine Frau verkuppelt. Obschon es nun auch
besonders unsittlich erscheint, wenn ein Ehemann die Prostitution seiner Frau
begünstigt, so ist doch die vorgeschlagne Bestimmung nicht ganz unbedenklich,
weil sie mit dem gesetzgeberischen Motiv des t? INI Ur. 2 nicht völlig über¬
einstimmt. Hiernach soll eine strengere Strafe die treffen, die ein unbedingtes
Autoritätsverhältnis, wie es zwischen Eltern und Kindern n. s. w. besteht,
mißbrauchen. Ein solches Autoritätsverhältnis besteht aber zwischen Eheleuten
nicht, und es ist immerhin bedenklich, ein richtiges gesetzgeberisches Motiv in
derselben Gesetzesstelle zu durchbrechen. Jedenfalls würde dies nnr dann rät¬
lich erscheinen, wenn überzeugend nachgewiesen würde, das; gegen die Kuppelei
des Ehemanns die Strafbestimmung des § 180, die jetzt dagegen allein an¬
wendbar ist, sich als gänzlich unzureichend erwiesen habe. Sehr ernstlich würde
auch zu erwägen sein, ob nicht in der vorgeschlagnen Bestimmung bei der
notorisch weitgehenden Entsittlichung und Zerrüttung der ehelichen Verhält¬
nisse, wie sie meist infolge sozialdemokratischer Irrlehren in weiten Kreisen der
Bevölkerung eingetreten ist, ein verstärkter Anreiz zu Denunziationen liegen
könnte. Der Inhalt gerichtlicher Verhandlungen in Ehescheidnngsprozessen
giebt zu dieser Frage sehr begründete» Anlaß.

Noch viel weniger Aussicht auf Zustimmung hat wohl der weitere zu
180 vorgeschlagne Zusatz: „Die Vermietung von Wohnungen an Weibs¬
personen, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht
unterstellt sind, bleibt straflos, wenn sie nnter Beobachtung der hierüber er¬
lassenen polizeilichen Vorschriften erfolgt." Der Zweck dieser Bestimmung ist
nach den Motiven zunächst der, das Vermieter von Wohnungen an Prosti-
tuirte unter gewissen Umständen gegen die bisherige strafrechtliche Berfvlgnng
zu schütze», zugleich aber auch der Polizeibehörde die Befugnis zu verschaffen,
die Prostituirten in bestimmte Teile des betreffenden Ortes zu verweisen.
Wenn man von dem anch von dem Entwurf eingenommenen Standpunkte
ausgeht, daß nach allen Erfahrungen eine völlige Ausrottung der Prostitution
auf dem Wege der strafrechtlichen und polizeilichen Unterdrückung unausführbar
ist, so ließen sich für den ersten Teil dieses Vorschlags wohl Billigkeitsgründe
geltend machen, insbesondre könnte damit dem so gefährlichen Znhältertum
entgegengearbeitet werden, weil die Prostituirte nicht mehr gezwungen wäre,
zur Unterkunft den Beistand und den Schutz eines Zuhälters zu suchen.
schlechterdings von der Hand zu weisen ist aber der zweite Teil des Vor¬
schlags. Durch seine Ausführung würde» die betreffende,, Ortsbezirke in die
Acht erklärt werden, jede anständige Familie und Person müßte daraus flüchte»,
und in kurzer Zeit würden diese Bezirke die Brutstätten der privilegirten Pro-


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[0074] Die sogenannte lex Heinze würde die jetzt in der That bestehende gesetzliche Begünstigung der schweren Kuppelei beseitigt werden. Sodann will der Entwurf mit der Strafe der schweren Kuppelei auch den Ehemann treffen, wenn er seine Frau verkuppelt. Obschon es nun auch besonders unsittlich erscheint, wenn ein Ehemann die Prostitution seiner Frau begünstigt, so ist doch die vorgeschlagne Bestimmung nicht ganz unbedenklich, weil sie mit dem gesetzgeberischen Motiv des t? INI Ur. 2 nicht völlig über¬ einstimmt. Hiernach soll eine strengere Strafe die treffen, die ein unbedingtes Autoritätsverhältnis, wie es zwischen Eltern und Kindern n. s. w. besteht, mißbrauchen. Ein solches Autoritätsverhältnis besteht aber zwischen Eheleuten nicht, und es ist immerhin bedenklich, ein richtiges gesetzgeberisches Motiv in derselben Gesetzesstelle zu durchbrechen. Jedenfalls würde dies nnr dann rät¬ lich erscheinen, wenn überzeugend nachgewiesen würde, das; gegen die Kuppelei des Ehemanns die Strafbestimmung des § 180, die jetzt dagegen allein an¬ wendbar ist, sich als gänzlich unzureichend erwiesen habe. Sehr ernstlich würde auch zu erwägen sein, ob nicht in der vorgeschlagnen Bestimmung bei der notorisch weitgehenden Entsittlichung und Zerrüttung der ehelichen Verhält¬ nisse, wie sie meist infolge sozialdemokratischer Irrlehren in weiten Kreisen der Bevölkerung eingetreten ist, ein verstärkter Anreiz zu Denunziationen liegen könnte. Der Inhalt gerichtlicher Verhandlungen in Ehescheidnngsprozessen giebt zu dieser Frage sehr begründete» Anlaß. Noch viel weniger Aussicht auf Zustimmung hat wohl der weitere zu 180 vorgeschlagne Zusatz: „Die Vermietung von Wohnungen an Weibs¬ personen, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt sind, bleibt straflos, wenn sie nnter Beobachtung der hierüber er¬ lassenen polizeilichen Vorschriften erfolgt." Der Zweck dieser Bestimmung ist nach den Motiven zunächst der, das Vermieter von Wohnungen an Prosti- tuirte unter gewissen Umständen gegen die bisherige strafrechtliche Berfvlgnng zu schütze», zugleich aber auch der Polizeibehörde die Befugnis zu verschaffen, die Prostituirten in bestimmte Teile des betreffenden Ortes zu verweisen. Wenn man von dem anch von dem Entwurf eingenommenen Standpunkte ausgeht, daß nach allen Erfahrungen eine völlige Ausrottung der Prostitution auf dem Wege der strafrechtlichen und polizeilichen Unterdrückung unausführbar ist, so ließen sich für den ersten Teil dieses Vorschlags wohl Billigkeitsgründe geltend machen, insbesondre könnte damit dem so gefährlichen Znhältertum entgegengearbeitet werden, weil die Prostituirte nicht mehr gezwungen wäre, zur Unterkunft den Beistand und den Schutz eines Zuhälters zu suchen. schlechterdings von der Hand zu weisen ist aber der zweite Teil des Vor¬ schlags. Durch seine Ausführung würde» die betreffende,, Ortsbezirke in die Acht erklärt werden, jede anständige Familie und Person müßte daraus flüchte», und in kurzer Zeit würden diese Bezirke die Brutstätten der privilegirten Pro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/74>, abgerufen am 01.09.2024.