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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Laiengedcmken über die Steuerreform in Preußen

ein dauerndes Werk wird sie nicht sein. Der hippokratische Zug haftet ihr, wie
allen Gesetzesschöpfnngen unsrer Zeit, deutlich an. Es sind Fnbrikerzeugnisse.

Immerhin wird ein Gewinn zu verzeichnen sein: die bessere Heranziehung
des Kapitals zu den öffentlichen Lasten. Das Kapital müßte noch mehr bluten,
aber die Wege des Finanzministers behagen uns nicht.

Zum ersten soll aller Besitz gleichmäßig steuern, die Baustelle wie der
Park und wie die Kvusols. Die Ungerechtigkeit liegt auf der Hand. Die Baustelle
ist ein Wert mit ruhenden Zins, der Park verzehrt Geld, und die Konsols
bringen fortdauernden Zins. Das muß doch berücksichtigt werden. Das Ver¬
mögen muß bei der Rente gepackt werdeu, bei der werdenden, nicht bei der
schlummernden Kraft.

Zum zweiten soll das Vermögen durch eine maßlose Inquisition ermittelt
werdeu. Giebts keinen andern, als diesen häßlichen Weg?

Baustellen, Wildpark u. f. w. sind durch eine verbesserte Grundsteuer leicht
zu fassen. Im übrige" möchten wir das nicht werbende Vermöge,? verständiger
Schonung empfehlen. Es muß in Preußen noch etliche andre uubesteuerte
Dinge geben, als die Luft.

Und wie wäre es, wenn der Staat die Zinsrente nicht wie bisher in
den hunderttausend Einzeltaschen ermittelte und besteuerte, sondern an ihrer
Quelle? Wenn er sich gar nicht darum kümmerte, wer die Rente empfängt,
sondern wer sie zahlt? Kurz und gut, er kurze die Zinsen seiner Anleihen
gleich um die Kuponstencr. Die Landschafts- und Rentcubauken, Aktien¬
gesellschaften u. f. w. behalten die Staatssteuer ihrer Zins- und Dividenden¬
scheine gleichfalls ein und liefern sie dem Finanzminister in einer Summe ab.
Der erspart eine Unzahl Veranlagnngskosteu und Beamte und hat noch das
Vergnügen, daß auch die Ausländer von ihren inländischen Papieren steuern
müssen. Für die fremden Papiere in irländischem Besitz wird die Steuer für
den ganzen Knpoubvgen gezahlt. Ohne den Steuerstempel siud sie uicht um-
laufsfähig.

Die Börse wird schreien und behaupten, das gehe nicht. Es geht doch,
lind es ist besser, ein paar hundert Börsianer schreien, als daß das ganze
Land uuter einer ewigen Besitzinqnisitivn seufzt.

Für Hypotheken und Schuldscheine geht es ebenso gut. Der Versuch des
Gläubigers, den Steuerabzug auf den Schuldner abzuleisten, muß mit ent¬
ehrenden Wuchcrstrafeu belegt werden. Das wird schon helfen. Man wende
uicht ein, der Kredit würde leiden. Die Kapitalisten müssen ihr Geld unter¬
bringen und können der Zinssteuer nirgends entschlüpfen. Einige doch: die
Millionäre mit fremden Werten in ausländischen Banken. Aber die Wackern,
die das thun, werdeu auch bei der Deklaration die Unwahrheit sagen und die
Veranlagnngsbehörden noch gröber täuschen.

Der preußische Staat besteuert jetzt das Arbeitseinkommen bis zu vier


Laiengedcmken über die Steuerreform in Preußen

ein dauerndes Werk wird sie nicht sein. Der hippokratische Zug haftet ihr, wie
allen Gesetzesschöpfnngen unsrer Zeit, deutlich an. Es sind Fnbrikerzeugnisse.

Immerhin wird ein Gewinn zu verzeichnen sein: die bessere Heranziehung
des Kapitals zu den öffentlichen Lasten. Das Kapital müßte noch mehr bluten,
aber die Wege des Finanzministers behagen uns nicht.

Zum ersten soll aller Besitz gleichmäßig steuern, die Baustelle wie der
Park und wie die Kvusols. Die Ungerechtigkeit liegt auf der Hand. Die Baustelle
ist ein Wert mit ruhenden Zins, der Park verzehrt Geld, und die Konsols
bringen fortdauernden Zins. Das muß doch berücksichtigt werden. Das Ver¬
mögen muß bei der Rente gepackt werdeu, bei der werdenden, nicht bei der
schlummernden Kraft.

Zum zweiten soll das Vermögen durch eine maßlose Inquisition ermittelt
werdeu. Giebts keinen andern, als diesen häßlichen Weg?

Baustellen, Wildpark u. f. w. sind durch eine verbesserte Grundsteuer leicht
zu fassen. Im übrige» möchten wir das nicht werbende Vermöge,? verständiger
Schonung empfehlen. Es muß in Preußen noch etliche andre uubesteuerte
Dinge geben, als die Luft.

Und wie wäre es, wenn der Staat die Zinsrente nicht wie bisher in
den hunderttausend Einzeltaschen ermittelte und besteuerte, sondern an ihrer
Quelle? Wenn er sich gar nicht darum kümmerte, wer die Rente empfängt,
sondern wer sie zahlt? Kurz und gut, er kurze die Zinsen seiner Anleihen
gleich um die Kuponstencr. Die Landschafts- und Rentcubauken, Aktien¬
gesellschaften u. f. w. behalten die Staatssteuer ihrer Zins- und Dividenden¬
scheine gleichfalls ein und liefern sie dem Finanzminister in einer Summe ab.
Der erspart eine Unzahl Veranlagnngskosteu und Beamte und hat noch das
Vergnügen, daß auch die Ausländer von ihren inländischen Papieren steuern
müssen. Für die fremden Papiere in irländischem Besitz wird die Steuer für
den ganzen Knpoubvgen gezahlt. Ohne den Steuerstempel siud sie uicht um-
laufsfähig.

Die Börse wird schreien und behaupten, das gehe nicht. Es geht doch,
lind es ist besser, ein paar hundert Börsianer schreien, als daß das ganze
Land uuter einer ewigen Besitzinqnisitivn seufzt.

Für Hypotheken und Schuldscheine geht es ebenso gut. Der Versuch des
Gläubigers, den Steuerabzug auf den Schuldner abzuleisten, muß mit ent¬
ehrenden Wuchcrstrafeu belegt werden. Das wird schon helfen. Man wende
uicht ein, der Kredit würde leiden. Die Kapitalisten müssen ihr Geld unter¬
bringen und können der Zinssteuer nirgends entschlüpfen. Einige doch: die
Millionäre mit fremden Werten in ausländischen Banken. Aber die Wackern,
die das thun, werdeu auch bei der Deklaration die Unwahrheit sagen und die
Veranlagnngsbehörden noch gröber täuschen.

Der preußische Staat besteuert jetzt das Arbeitseinkommen bis zu vier


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[0617] Laiengedcmken über die Steuerreform in Preußen ein dauerndes Werk wird sie nicht sein. Der hippokratische Zug haftet ihr, wie allen Gesetzesschöpfnngen unsrer Zeit, deutlich an. Es sind Fnbrikerzeugnisse. Immerhin wird ein Gewinn zu verzeichnen sein: die bessere Heranziehung des Kapitals zu den öffentlichen Lasten. Das Kapital müßte noch mehr bluten, aber die Wege des Finanzministers behagen uns nicht. Zum ersten soll aller Besitz gleichmäßig steuern, die Baustelle wie der Park und wie die Kvusols. Die Ungerechtigkeit liegt auf der Hand. Die Baustelle ist ein Wert mit ruhenden Zins, der Park verzehrt Geld, und die Konsols bringen fortdauernden Zins. Das muß doch berücksichtigt werden. Das Ver¬ mögen muß bei der Rente gepackt werdeu, bei der werdenden, nicht bei der schlummernden Kraft. Zum zweiten soll das Vermögen durch eine maßlose Inquisition ermittelt werdeu. Giebts keinen andern, als diesen häßlichen Weg? Baustellen, Wildpark u. f. w. sind durch eine verbesserte Grundsteuer leicht zu fassen. Im übrige» möchten wir das nicht werbende Vermöge,? verständiger Schonung empfehlen. Es muß in Preußen noch etliche andre uubesteuerte Dinge geben, als die Luft. Und wie wäre es, wenn der Staat die Zinsrente nicht wie bisher in den hunderttausend Einzeltaschen ermittelte und besteuerte, sondern an ihrer Quelle? Wenn er sich gar nicht darum kümmerte, wer die Rente empfängt, sondern wer sie zahlt? Kurz und gut, er kurze die Zinsen seiner Anleihen gleich um die Kuponstencr. Die Landschafts- und Rentcubauken, Aktien¬ gesellschaften u. f. w. behalten die Staatssteuer ihrer Zins- und Dividenden¬ scheine gleichfalls ein und liefern sie dem Finanzminister in einer Summe ab. Der erspart eine Unzahl Veranlagnngskosteu und Beamte und hat noch das Vergnügen, daß auch die Ausländer von ihren inländischen Papieren steuern müssen. Für die fremden Papiere in irländischem Besitz wird die Steuer für den ganzen Knpoubvgen gezahlt. Ohne den Steuerstempel siud sie uicht um- laufsfähig. Die Börse wird schreien und behaupten, das gehe nicht. Es geht doch, lind es ist besser, ein paar hundert Börsianer schreien, als daß das ganze Land uuter einer ewigen Besitzinqnisitivn seufzt. Für Hypotheken und Schuldscheine geht es ebenso gut. Der Versuch des Gläubigers, den Steuerabzug auf den Schuldner abzuleisten, muß mit ent¬ ehrenden Wuchcrstrafeu belegt werden. Das wird schon helfen. Man wende uicht ein, der Kredit würde leiden. Die Kapitalisten müssen ihr Geld unter¬ bringen und können der Zinssteuer nirgends entschlüpfen. Einige doch: die Millionäre mit fremden Werten in ausländischen Banken. Aber die Wackern, die das thun, werdeu auch bei der Deklaration die Unwahrheit sagen und die Veranlagnngsbehörden noch gröber täuschen. Der preußische Staat besteuert jetzt das Arbeitseinkommen bis zu vier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/617>, abgerufen am 01.09.2024.