Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Zum Münchner Aiinstlerstreit erklärte, daß ihre Sache die der wahren, der modernen Kunst sei, und daß Vielleicht wäre es aber trotz dieser MißHelligkeiten nicht zum Bruch ge¬ Um jeden Preis sollte nun die völlige Niederwerfung der alten Genossen¬ Zum Münchner Aiinstlerstreit erklärte, daß ihre Sache die der wahren, der modernen Kunst sei, und daß Vielleicht wäre es aber trotz dieser MißHelligkeiten nicht zum Bruch ge¬ Um jeden Preis sollte nun die völlige Niederwerfung der alten Genossen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213849"/> <fw type="header" place="top"> Zum Münchner Aiinstlerstreit</fw><lb/> <p xml:id="ID_161" prev="#ID_160"> erklärte, daß ihre Sache die der wahren, der modernen Kunst sei, und daß<lb/> man mit einer Genossenschaft, die so veralteten Anschauungen huldige, nicht<lb/> mehr zusammen arbeiten könne. Und obwohl sich unter den Männern der<lb/> Mehrheit eine große Anzahl Künstler befinden, die als ansgesprochne An¬<lb/> hänger der modernen Richtung in der Malerei gelten können, gab man auf<lb/> Seiten der Minderheit die Parole aus, daß der Fortschritt in der Kunst nur<lb/> in ihrem Lager möglich sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_162"> Vielleicht wäre es aber trotz dieser MißHelligkeiten nicht zum Bruch ge¬<lb/> kommen, wenn nicht persönliche Anfeindungen und Zwistigkeiten den sachlichen<lb/> Streit getrübt hätten. Der königliche Rat Paulus, der bis dahin die Ge¬<lb/> schäfte der Münchner Genossenschaft ohne Zweifel mit großer Umsicht und<lb/> seltnem Geschick geleitet, aber auch einen ihm in seiner Stellung kaum zu¬<lb/> kommenden Einfluß ausgeübt hatte, sah sich, um einer Kündigung Vonseiten<lb/> der Genossenschaft vorzubeugen, veranlaßt, um seine Entlassung el'umkommen.<lb/> Sie wurde ihm gewährt, und zwar sofort, was er wohl kaum erwartet hatte,<lb/> und es wurde an seiner Stelle ein neuer Sekretär angenommen. Da aber<lb/> Paulus wie kein andrer mit den Verhältnissen des Kunstmarktes vertraut<lb/> war und sein Name bei deu fremden Künstlern das größte Ansehn genoß, sah<lb/> sich die für Ausstellungen im „internationalen Sinne" schwärmende Gruppe<lb/> der Minderheit veranlaßt, seinein Beispiel zu folgen und ihren Austritt aus<lb/> der Genossenschaft zu erklären. Sie gründete einen neuen Verein mit aner¬<lb/> kannten Rechten und hatte nichts eiligeres zu thun, als eine lange Reihe der<lb/> bekanntesten und hervorragendsten Künstler des Auslands, mit denen sie durch<lb/> die bisherigen Ausstellungen in Verbindung gekommen waren, durch die Er¬<lb/> nennung zu korrespondirenden Mitgliedern des Vereins an ihre Fahne zu<lb/> fesseln.</p><lb/> <p xml:id="ID_163" next="#ID_164"> Um jeden Preis sollte nun die völlige Niederwerfung der alten Genossen¬<lb/> schaft durchgesetzt werden. Das Märchen von der Unterdrückung der jungen<lb/> Kunst durch die alte Genossenschaft wurde wieder in Umlauf gebracht, und<lb/> die Presse für die Bestrebungen des neuen Vereins gewonnen. Da man aber<lb/> außerhalb Münchens schon lange auf die Gelegenheit gewartet hatte, die<lb/> mühsam errungne Vorherrschaft der bairischen Hauptstadt in der deutschen<lb/> Kunst abzuschwächen und diese Vorherrschaft abzuschütteln wünschte, nahm die<lb/> auswärtige Presse, die hierbei mit den Münchner Neuesten Nachrichten Hand<lb/> in Hand ging, fast allgemein Partei für die Sezcssionisten gegen die Genossen¬<lb/> schaft. Man konnte da wieder einmal unglaubliche Dinge in unsern Zeitungen<lb/> lesen. Es wurde alles Ernstes behauptet, daß die Münchner Kunst erst seit<lb/> den Jahresansstellnngen Bedeutung erlangt hätte, und alle frühern Ausstel¬<lb/> lungen nichts dagegen gewesen wären. Und doch hätte ein Rückblick auf die<lb/> allerjüngste Vergangenheit lehren können, wie grundverkehrt eine solche Be¬<lb/> hauptung ist. Bekanntlich haben die Münchner internationalen Ausstellungen<lb/> im Jahre 1869 begonnen nud sich immer dadurch ausgezeichnet, daß deu neuen<lb/> Bestrebungen i» ihnen möglichst viel Raum gewährt wurde, und daß auch<lb/> das Ausland zu seinem Rechte gelangte. Das gerade hat sie so interessant ge¬<lb/> macht und ihnen ihre kunstgeschichtlich wichtige Stellung verliehn. Wir wollen<lb/> hier nur die Hauptgesichtspunkte hervorheben und die Signatur der einzelnen<lb/> Ausstellungen andeuten. Diese bestand sür die Ausstellung des Jahres<lb/> im wesentlichen darin, daß auf ihr zum erstenmal in Deutschland Gelegenheit<lb/> geboten wurde, im größern Maßstabe einen Überblick über die neuere Kunst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
Zum Münchner Aiinstlerstreit
erklärte, daß ihre Sache die der wahren, der modernen Kunst sei, und daß
man mit einer Genossenschaft, die so veralteten Anschauungen huldige, nicht
mehr zusammen arbeiten könne. Und obwohl sich unter den Männern der
Mehrheit eine große Anzahl Künstler befinden, die als ansgesprochne An¬
hänger der modernen Richtung in der Malerei gelten können, gab man auf
Seiten der Minderheit die Parole aus, daß der Fortschritt in der Kunst nur
in ihrem Lager möglich sei.
Vielleicht wäre es aber trotz dieser MißHelligkeiten nicht zum Bruch ge¬
kommen, wenn nicht persönliche Anfeindungen und Zwistigkeiten den sachlichen
Streit getrübt hätten. Der königliche Rat Paulus, der bis dahin die Ge¬
schäfte der Münchner Genossenschaft ohne Zweifel mit großer Umsicht und
seltnem Geschick geleitet, aber auch einen ihm in seiner Stellung kaum zu¬
kommenden Einfluß ausgeübt hatte, sah sich, um einer Kündigung Vonseiten
der Genossenschaft vorzubeugen, veranlaßt, um seine Entlassung el'umkommen.
Sie wurde ihm gewährt, und zwar sofort, was er wohl kaum erwartet hatte,
und es wurde an seiner Stelle ein neuer Sekretär angenommen. Da aber
Paulus wie kein andrer mit den Verhältnissen des Kunstmarktes vertraut
war und sein Name bei deu fremden Künstlern das größte Ansehn genoß, sah
sich die für Ausstellungen im „internationalen Sinne" schwärmende Gruppe
der Minderheit veranlaßt, seinein Beispiel zu folgen und ihren Austritt aus
der Genossenschaft zu erklären. Sie gründete einen neuen Verein mit aner¬
kannten Rechten und hatte nichts eiligeres zu thun, als eine lange Reihe der
bekanntesten und hervorragendsten Künstler des Auslands, mit denen sie durch
die bisherigen Ausstellungen in Verbindung gekommen waren, durch die Er¬
nennung zu korrespondirenden Mitgliedern des Vereins an ihre Fahne zu
fesseln.
Um jeden Preis sollte nun die völlige Niederwerfung der alten Genossen¬
schaft durchgesetzt werden. Das Märchen von der Unterdrückung der jungen
Kunst durch die alte Genossenschaft wurde wieder in Umlauf gebracht, und
die Presse für die Bestrebungen des neuen Vereins gewonnen. Da man aber
außerhalb Münchens schon lange auf die Gelegenheit gewartet hatte, die
mühsam errungne Vorherrschaft der bairischen Hauptstadt in der deutschen
Kunst abzuschwächen und diese Vorherrschaft abzuschütteln wünschte, nahm die
auswärtige Presse, die hierbei mit den Münchner Neuesten Nachrichten Hand
in Hand ging, fast allgemein Partei für die Sezcssionisten gegen die Genossen¬
schaft. Man konnte da wieder einmal unglaubliche Dinge in unsern Zeitungen
lesen. Es wurde alles Ernstes behauptet, daß die Münchner Kunst erst seit
den Jahresansstellnngen Bedeutung erlangt hätte, und alle frühern Ausstel¬
lungen nichts dagegen gewesen wären. Und doch hätte ein Rückblick auf die
allerjüngste Vergangenheit lehren können, wie grundverkehrt eine solche Be¬
hauptung ist. Bekanntlich haben die Münchner internationalen Ausstellungen
im Jahre 1869 begonnen nud sich immer dadurch ausgezeichnet, daß deu neuen
Bestrebungen i» ihnen möglichst viel Raum gewährt wurde, und daß auch
das Ausland zu seinem Rechte gelangte. Das gerade hat sie so interessant ge¬
macht und ihnen ihre kunstgeschichtlich wichtige Stellung verliehn. Wir wollen
hier nur die Hauptgesichtspunkte hervorheben und die Signatur der einzelnen
Ausstellungen andeuten. Diese bestand sür die Ausstellung des Jahres
im wesentlichen darin, daß auf ihr zum erstenmal in Deutschland Gelegenheit
geboten wurde, im größern Maßstabe einen Überblick über die neuere Kunst
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