Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Direkte und indirekte Wahlen vor allem diese Partei oder diesen Stand fördern muß. Der Abgeordnete Wir haben unsern Vorschlag nur kurz dargelegt, weil eine nähere Aus¬ Daß die Bestrebungen, den ungebildeten Massen die politische Macht Zum Schluß möchten wir noch darauf hinweisen, daß es auch da, wo Einige weitere Andeutungen findet der Leser in der Schrift des Verfassers "Die
Wirkungen der Glcichheitsidee und der Lehre vom Vertragsstaat ans das moderne Staats¬ leben." Berlin, Karl Habel, 1886. Direkte und indirekte Wahlen vor allem diese Partei oder diesen Stand fördern muß. Der Abgeordnete Wir haben unsern Vorschlag nur kurz dargelegt, weil eine nähere Aus¬ Daß die Bestrebungen, den ungebildeten Massen die politische Macht Zum Schluß möchten wir noch darauf hinweisen, daß es auch da, wo Einige weitere Andeutungen findet der Leser in der Schrift des Verfassers „Die
Wirkungen der Glcichheitsidee und der Lehre vom Vertragsstaat ans das moderne Staats¬ leben." Berlin, Karl Habel, 1886. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214315"/> <fw type="header" place="top"> Direkte und indirekte Wahlen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1822" prev="#ID_1821"> vor allem diese Partei oder diesen Stand fördern muß. Der Abgeordnete<lb/> müßte also in seinem Eide versprechen, jede Sache nnr darnach zu beurteilen,<lb/> wie sie an sich, d. h. durch ihren eignen Inhalt, das Gemeinwohl beeinflußt,<lb/> und er müßte ferner geloben, das gewonnene Urteil auch seiner Abstimmung<lb/> zu Grunde zu legen und es nicht preiszugeben, um dagegen für sich, seine<lb/> Partei oder seinen Stand von Andersdenkenden Vorteile auf andern Gebieten<lb/> einzutauschen. Man wende nicht ein, daß dies Versprechen nur leere Form<lb/> bleiben würde. Es wäre das wohl möglich unter den heutigen Umstanden,<lb/> dn der Interessenvertretung nur das papierne Petitionsrecht zur Verfügung<lb/> steht. Aber wenn unser Vorschlag durchgeführt wäre, so würden dessen beide<lb/> Teile — die Interessenvertretung vor den Schranken und das Versprechen in<lb/> der Eidformel der Abgeordneten — zusammenwirken, den Abgeordneten den<lb/> Gedanken, daß sie Sonderinteressen vertreten dürften, allmählich so fremd zu<lb/> machen, wie dem Richter der Gedanke fremd ist, in einem vor ihn gebrachten<lb/> Prozeß Partei zu ergreifen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1823"> Wir haben unsern Vorschlag nur kurz dargelegt, weil eine nähere Aus¬<lb/> führung mehr Raum in Anspruch nehmen würde, als uns hier zur Verfügung<lb/> steht/") und doch nur Wert hätte, wenn sich zeigen sollte, daß weitere Kreise<lb/> grundsätzlich mit uns einverstanden wären. Bei Parteipolitikern werden wir<lb/> jedenfalls keine Liebe für unsre Anschauung finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1824"> Daß die Bestrebungen, den ungebildeten Massen die politische Macht<lb/> vollends zu überantworten, aufhören würden, wenn nach unserm Wunsch das<lb/> private Recht der Interessenvertretung von der staatsbürgerlichen Pflicht, zur<lb/> Bildung des Staatswillens beizutragen, deutlich getrennt würde, das träumen<lb/> wir selbst nicht. Aber viel von ihrer Kraft würden sie jedenfalls einbüßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1825"> Zum Schluß möchten wir noch darauf hinweisen, daß es auch da, wo<lb/> keinerlei nennenswerte Beschränkungen des allgemeinen Wahlrechts mehr be¬<lb/> stehen und zu schützen sind, wie beim Reichstage, dennoch gut sein würde, die<lb/> Interessenvertretung vor die Schranken des Hauses zu verweisen. Das An¬<lb/> sehen und der Wert jedes Parlaments würde dadurch nur gewinnen.</p><lb/> <note xml:id="FID_40" place="foot"> Einige weitere Andeutungen findet der Leser in der Schrift des Verfassers „Die<lb/> Wirkungen der Glcichheitsidee und der Lehre vom Vertragsstaat ans das moderne Staats¬<lb/> leben." Berlin, Karl Habel, 1886.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0523]
Direkte und indirekte Wahlen
vor allem diese Partei oder diesen Stand fördern muß. Der Abgeordnete
müßte also in seinem Eide versprechen, jede Sache nnr darnach zu beurteilen,
wie sie an sich, d. h. durch ihren eignen Inhalt, das Gemeinwohl beeinflußt,
und er müßte ferner geloben, das gewonnene Urteil auch seiner Abstimmung
zu Grunde zu legen und es nicht preiszugeben, um dagegen für sich, seine
Partei oder seinen Stand von Andersdenkenden Vorteile auf andern Gebieten
einzutauschen. Man wende nicht ein, daß dies Versprechen nur leere Form
bleiben würde. Es wäre das wohl möglich unter den heutigen Umstanden,
dn der Interessenvertretung nur das papierne Petitionsrecht zur Verfügung
steht. Aber wenn unser Vorschlag durchgeführt wäre, so würden dessen beide
Teile — die Interessenvertretung vor den Schranken und das Versprechen in
der Eidformel der Abgeordneten — zusammenwirken, den Abgeordneten den
Gedanken, daß sie Sonderinteressen vertreten dürften, allmählich so fremd zu
machen, wie dem Richter der Gedanke fremd ist, in einem vor ihn gebrachten
Prozeß Partei zu ergreifen.
Wir haben unsern Vorschlag nur kurz dargelegt, weil eine nähere Aus¬
führung mehr Raum in Anspruch nehmen würde, als uns hier zur Verfügung
steht/") und doch nur Wert hätte, wenn sich zeigen sollte, daß weitere Kreise
grundsätzlich mit uns einverstanden wären. Bei Parteipolitikern werden wir
jedenfalls keine Liebe für unsre Anschauung finden.
Daß die Bestrebungen, den ungebildeten Massen die politische Macht
vollends zu überantworten, aufhören würden, wenn nach unserm Wunsch das
private Recht der Interessenvertretung von der staatsbürgerlichen Pflicht, zur
Bildung des Staatswillens beizutragen, deutlich getrennt würde, das träumen
wir selbst nicht. Aber viel von ihrer Kraft würden sie jedenfalls einbüßen.
Zum Schluß möchten wir noch darauf hinweisen, daß es auch da, wo
keinerlei nennenswerte Beschränkungen des allgemeinen Wahlrechts mehr be¬
stehen und zu schützen sind, wie beim Reichstage, dennoch gut sein würde, die
Interessenvertretung vor die Schranken des Hauses zu verweisen. Das An¬
sehen und der Wert jedes Parlaments würde dadurch nur gewinnen.
Einige weitere Andeutungen findet der Leser in der Schrift des Verfassers „Die
Wirkungen der Glcichheitsidee und der Lehre vom Vertragsstaat ans das moderne Staats¬
leben." Berlin, Karl Habel, 1886.
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