Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Wie Ludwig pietsch Schriftsteller wurde anzunehmen, daß die meisten seiner ausländischen Verehrer und Freunde nur Wie er zu diesem Ansehn gekommen ist, erfahren wir zum Teil aus seinen Was ich an dem, was Pietsch geschrieben hat und noch schreibt, immer Wie Ludwig pietsch Schriftsteller wurde anzunehmen, daß die meisten seiner ausländischen Verehrer und Freunde nur Wie er zu diesem Ansehn gekommen ist, erfahren wir zum Teil aus seinen Was ich an dem, was Pietsch geschrieben hat und noch schreibt, immer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214233"/> <fw type="header" place="top"> Wie Ludwig pietsch Schriftsteller wurde</fw><lb/> <p xml:id="ID_1489" prev="#ID_1488"> anzunehmen, daß die meisten seiner ausländischen Verehrer und Freunde nur<lb/> wenig oder gar nichts von den Erzeugnissen seiner fleißigen Feder gelesen<lb/> haben. Ich glaube vielmehr, daß vor allem der Zauber seiner Persönlichkeit,<lb/> die sich durch keines der von ihm zahllos erlebten Kümmernisse in ihrer opti¬<lb/> mistischen, immer sich in rückhaltloser Offenheit entfaltenden Stimmung stören<lb/> oder trüben läßt, sein litterarisches oder doch journalistisches Ansehn im Aus¬<lb/> lande begründet hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1490"> Wie er zu diesem Ansehn gekommen ist, erfahren wir zum Teil aus seinen<lb/> „Erinnerungen aus den fünfziger Jahren," die zuerst langsam und mit einem<lb/> Stück wenig hoffnungsvoller Selbstbiographie, einer Kleinmalerei voll von<lb/> Elend, Drangsalen nud kleinlichen Lebenssvrgen anheben, bald aber mit einer<lb/> fröhlichen Schilderung von Berliner Zigeunerleben in abenteuerlichen oder<lb/> romantischen Wohnungsgelegenheiten fortfahren und dann zu einer Galerie be¬<lb/> rühmter oder bekannter Zeitgenossen werden, deren Bildnisse mit jenen scharfen,<lb/> fast kaustischer Zügen umrissen sind, ans denen man am deutlichsten erkennen<lb/> kann, wie viel Pietsch von dem als nutz- und ergebnislos ausgegebnen Berufe<lb/> des Zeichners und Malers mit in sein zweites Lebenswerk hinübergenommen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1491" next="#ID_1492"> Was ich an dem, was Pietsch geschrieben hat und noch schreibt, immer<lb/> am meisten bewundert habe, ist die unerschöpflich sprudelnde Fruchtbarkeit seines<lb/> Stils, sein unablässiges Streben, die Fülle der sinnlichen Eindrücke anch in<lb/> eine schriftstellerische Form zu zwängen, die mindestens die Wirkungen von<lb/> drei Künsten in sich vereinigen Null, der Malerei, der Plastik nud der Musik.<lb/> Obwohl er auch für die Schöpfungen der Architektur dasselbe lebendige und<lb/> steter Begeisterung fähige Interesse hat, wie für die Schöpfungen der übrigen<lb/> bildenden und musischen Künste, so hat doch die Architektur den geringsten<lb/> Einfluß auf die Bildung seines litterarischen Stils geübt. Seine reich ver¬<lb/> schlungn«! Perioden, seine kunstvollen Schachtelsätze, seine staunenswerte Frei¬<lb/> gebigkeit mit schmückenden, erläuternden, nnalhsireuden Beiwörtern spotten jeder<lb/> Ausgleichung durch Richtscheit und Winkelmaß. Wer sich aber einmal in diese<lb/> Satzbildung, in diese zuerst seltsam aumutende Ausdrucksweise eines ursprüng¬<lb/> lich bildnerisch angelegten Geistes vertieft, wer mit angesehen hat, welche un¬<lb/> endliche Mannichfaltigkeit sinnlicher Eindrücke Pietsch in Worten auszudrücken<lb/> sucht, der wird mit steigendem Interesse das Ringen eines Schriftstellers ver¬<lb/> folgen, der jeder von ihm erfaßten Nünnee des Tons, jeder Schwingung,<lb/> jedem Reflexe des Lichts, jedem schnell vorüberhuschendeu Farbenschauspiel im<lb/> heißen Bemühen mit Worten gerecht zu werden sucht. Pietsch wäre einer der<lb/> größten Koloristen unsrer Zeit geworden, wenn die Fertigkeit seiner Hände<lb/> mit der Empfänglichkeit seiner Augen gleichen Schritt gehalten hätte. In dieser<lb/> Empfänglichkeit ist er sogar seiner Zeit und seineu Zeitgenossen immer voraus¬<lb/> geeilt. Er war der erste, der das Farbengenie Makarts mit begeistertem<lb/> Munde einer Welt von Zweiflern, Widersachern und Verächtern gegenüber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0441]
Wie Ludwig pietsch Schriftsteller wurde
anzunehmen, daß die meisten seiner ausländischen Verehrer und Freunde nur
wenig oder gar nichts von den Erzeugnissen seiner fleißigen Feder gelesen
haben. Ich glaube vielmehr, daß vor allem der Zauber seiner Persönlichkeit,
die sich durch keines der von ihm zahllos erlebten Kümmernisse in ihrer opti¬
mistischen, immer sich in rückhaltloser Offenheit entfaltenden Stimmung stören
oder trüben läßt, sein litterarisches oder doch journalistisches Ansehn im Aus¬
lande begründet hat.
Wie er zu diesem Ansehn gekommen ist, erfahren wir zum Teil aus seinen
„Erinnerungen aus den fünfziger Jahren," die zuerst langsam und mit einem
Stück wenig hoffnungsvoller Selbstbiographie, einer Kleinmalerei voll von
Elend, Drangsalen nud kleinlichen Lebenssvrgen anheben, bald aber mit einer
fröhlichen Schilderung von Berliner Zigeunerleben in abenteuerlichen oder
romantischen Wohnungsgelegenheiten fortfahren und dann zu einer Galerie be¬
rühmter oder bekannter Zeitgenossen werden, deren Bildnisse mit jenen scharfen,
fast kaustischer Zügen umrissen sind, ans denen man am deutlichsten erkennen
kann, wie viel Pietsch von dem als nutz- und ergebnislos ausgegebnen Berufe
des Zeichners und Malers mit in sein zweites Lebenswerk hinübergenommen hat.
Was ich an dem, was Pietsch geschrieben hat und noch schreibt, immer
am meisten bewundert habe, ist die unerschöpflich sprudelnde Fruchtbarkeit seines
Stils, sein unablässiges Streben, die Fülle der sinnlichen Eindrücke anch in
eine schriftstellerische Form zu zwängen, die mindestens die Wirkungen von
drei Künsten in sich vereinigen Null, der Malerei, der Plastik nud der Musik.
Obwohl er auch für die Schöpfungen der Architektur dasselbe lebendige und
steter Begeisterung fähige Interesse hat, wie für die Schöpfungen der übrigen
bildenden und musischen Künste, so hat doch die Architektur den geringsten
Einfluß auf die Bildung seines litterarischen Stils geübt. Seine reich ver¬
schlungn«! Perioden, seine kunstvollen Schachtelsätze, seine staunenswerte Frei¬
gebigkeit mit schmückenden, erläuternden, nnalhsireuden Beiwörtern spotten jeder
Ausgleichung durch Richtscheit und Winkelmaß. Wer sich aber einmal in diese
Satzbildung, in diese zuerst seltsam aumutende Ausdrucksweise eines ursprüng¬
lich bildnerisch angelegten Geistes vertieft, wer mit angesehen hat, welche un¬
endliche Mannichfaltigkeit sinnlicher Eindrücke Pietsch in Worten auszudrücken
sucht, der wird mit steigendem Interesse das Ringen eines Schriftstellers ver¬
folgen, der jeder von ihm erfaßten Nünnee des Tons, jeder Schwingung,
jedem Reflexe des Lichts, jedem schnell vorüberhuschendeu Farbenschauspiel im
heißen Bemühen mit Worten gerecht zu werden sucht. Pietsch wäre einer der
größten Koloristen unsrer Zeit geworden, wenn die Fertigkeit seiner Hände
mit der Empfänglichkeit seiner Augen gleichen Schritt gehalten hätte. In dieser
Empfänglichkeit ist er sogar seiner Zeit und seineu Zeitgenossen immer voraus¬
geeilt. Er war der erste, der das Farbengenie Makarts mit begeistertem
Munde einer Welt von Zweiflern, Widersachern und Verächtern gegenüber
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |