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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Der Schutz des Privateigentums zur See

zutage wird im Kriege nur deshalb gemordet, geraubt und gekapert, um die
feindlichen Hilfsmittel zu zerstören, um überhaupt dem Feinde jeden erdenk¬
lichen Schaden zuzufügen, und zwar um selbst dadurch Vorteil, Übergewicht
zu bekommen. Unser Hamburger hätte ebenso gut die Behauptung aufstelle"
können: "Kriege würden überhaupt nicht mehr geführt werden, wenn nicht die
Soldaten ein Interesse daran hätten" -- nur mit dem Unterschiede, daß jeder
Laie hier das Abgeschmackte sofort gesehen hätte.

In seinen "nautischen Rückblicken" sagte Vizeadmiral Vatsch: "Die großen
Seemächte haben sich aus sehr einleuchtenden Gründen in der Frage (über
die Freiheit des Privateigentums zur See) immer kühl verhalten; sie wissen,
daß mit dieser Frage ein Hanptkriegsmittel auf dem Spiel steht. Durch
die Ausdrücke des Abscheus, denen man in unserm sogenannten humanen
Zeitalter in der Presse begegnet, lassen sich ihre Strategen nicht sonderlich
inkommvdiren. Sie finden, daß, wenn man den privilegirten Mord des
Krieges für christlich und zulässig hält, man vor dem verschrienen privilegirten
Seeraub nicht Halt zu machen braucht. Sie legen dem fünften Gebot genau
so viel Wichtigkeit bei wie dem siebenten, und der Begriff des Schwertes,
welches die Vorsehung der Obrigkeit in die Hand drückt, ist großer Aus¬
dehnung fähig. Dazu finden sie es seltsam, daß die Frage meistens auf¬
geworfen wird von denen, die zur See mehr oder minder wehrlos sind. Wer
aber in Ermanglung der Kanonen Lehrsätze der Humanität ins Gefecht führt,
hat schwerlich auf Beifall, uoch schwerer auf Erfolg zu rechnen. Tötung und
Plünderung sind einmal Geschwisterkinder; wer die erstere privilegirt, die letztere
als Todsünde hinstellt, wird nur die überzengen, denen gerade diese Über¬
zeugung Nutzen bringt/'

Man kann auf Felix Dahns männlichem Standpunkt "Die Waffen hoch!"
stehen, also den Dingen ins Gesicht blicken, wie sie wirklich sind, und kann
doch Verständnis haben für den weiblichen Wunsch "Die Waffen nieder!", für
den die Baronin von Snttner mit allerhand schönen Gründen eingetreten ist.
Dagegen wird man sich bei einiger Kenntnis der wirklichen Verhältnisse staunend
fragen müssen: wie ist es möglich, daß sich einige Laien in Deutschland ein¬
bilden, gegen die Ansichten der alten Seemächte unsern Gegnern auf friedlichem
Wege eine für uus freilich besonders gefährliche Kriegswaffe aus den Händen
winden zu können? Mai, mache sich doch nur klar, daß, ganz abgesehen von
England, für die Franzosen und Russen das Seebeuterecht lediglich Vorteile
gewährt. Sobald diese, unsre wahrscheinlichsten Geguer, ihre besten Dampfer
>n Hilfskreuzer verwandelt haben, sind ihre Handelsflotten nur noch von ganz
untergeordnetem Werte im Gegensatz zu der große" Summe von National-
eigentum, das Deutschland beim Ausbruch eiues Krieges auf allen Meeren
schwimmen hat. Frankreich und Rußland haben beide beim Kaperkriege wenig
zu verlieren und viel zu gewinne"; wie thöricht wäre es vo" ihnen, wollte"


Der Schutz des Privateigentums zur See

zutage wird im Kriege nur deshalb gemordet, geraubt und gekapert, um die
feindlichen Hilfsmittel zu zerstören, um überhaupt dem Feinde jeden erdenk¬
lichen Schaden zuzufügen, und zwar um selbst dadurch Vorteil, Übergewicht
zu bekommen. Unser Hamburger hätte ebenso gut die Behauptung aufstelle»
können: „Kriege würden überhaupt nicht mehr geführt werden, wenn nicht die
Soldaten ein Interesse daran hätten" — nur mit dem Unterschiede, daß jeder
Laie hier das Abgeschmackte sofort gesehen hätte.

In seinen „nautischen Rückblicken" sagte Vizeadmiral Vatsch: „Die großen
Seemächte haben sich aus sehr einleuchtenden Gründen in der Frage (über
die Freiheit des Privateigentums zur See) immer kühl verhalten; sie wissen,
daß mit dieser Frage ein Hanptkriegsmittel auf dem Spiel steht. Durch
die Ausdrücke des Abscheus, denen man in unserm sogenannten humanen
Zeitalter in der Presse begegnet, lassen sich ihre Strategen nicht sonderlich
inkommvdiren. Sie finden, daß, wenn man den privilegirten Mord des
Krieges für christlich und zulässig hält, man vor dem verschrienen privilegirten
Seeraub nicht Halt zu machen braucht. Sie legen dem fünften Gebot genau
so viel Wichtigkeit bei wie dem siebenten, und der Begriff des Schwertes,
welches die Vorsehung der Obrigkeit in die Hand drückt, ist großer Aus¬
dehnung fähig. Dazu finden sie es seltsam, daß die Frage meistens auf¬
geworfen wird von denen, die zur See mehr oder minder wehrlos sind. Wer
aber in Ermanglung der Kanonen Lehrsätze der Humanität ins Gefecht führt,
hat schwerlich auf Beifall, uoch schwerer auf Erfolg zu rechnen. Tötung und
Plünderung sind einmal Geschwisterkinder; wer die erstere privilegirt, die letztere
als Todsünde hinstellt, wird nur die überzengen, denen gerade diese Über¬
zeugung Nutzen bringt/'

Man kann auf Felix Dahns männlichem Standpunkt „Die Waffen hoch!"
stehen, also den Dingen ins Gesicht blicken, wie sie wirklich sind, und kann
doch Verständnis haben für den weiblichen Wunsch „Die Waffen nieder!", für
den die Baronin von Snttner mit allerhand schönen Gründen eingetreten ist.
Dagegen wird man sich bei einiger Kenntnis der wirklichen Verhältnisse staunend
fragen müssen: wie ist es möglich, daß sich einige Laien in Deutschland ein¬
bilden, gegen die Ansichten der alten Seemächte unsern Gegnern auf friedlichem
Wege eine für uus freilich besonders gefährliche Kriegswaffe aus den Händen
winden zu können? Mai, mache sich doch nur klar, daß, ganz abgesehen von
England, für die Franzosen und Russen das Seebeuterecht lediglich Vorteile
gewährt. Sobald diese, unsre wahrscheinlichsten Geguer, ihre besten Dampfer
>n Hilfskreuzer verwandelt haben, sind ihre Handelsflotten nur noch von ganz
untergeordnetem Werte im Gegensatz zu der große» Summe von National-
eigentum, das Deutschland beim Ausbruch eiues Krieges auf allen Meeren
schwimmen hat. Frankreich und Rußland haben beide beim Kaperkriege wenig
zu verlieren und viel zu gewinne»; wie thöricht wäre es vo» ihnen, wollte»


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[0377] Der Schutz des Privateigentums zur See zutage wird im Kriege nur deshalb gemordet, geraubt und gekapert, um die feindlichen Hilfsmittel zu zerstören, um überhaupt dem Feinde jeden erdenk¬ lichen Schaden zuzufügen, und zwar um selbst dadurch Vorteil, Übergewicht zu bekommen. Unser Hamburger hätte ebenso gut die Behauptung aufstelle» können: „Kriege würden überhaupt nicht mehr geführt werden, wenn nicht die Soldaten ein Interesse daran hätten" — nur mit dem Unterschiede, daß jeder Laie hier das Abgeschmackte sofort gesehen hätte. In seinen „nautischen Rückblicken" sagte Vizeadmiral Vatsch: „Die großen Seemächte haben sich aus sehr einleuchtenden Gründen in der Frage (über die Freiheit des Privateigentums zur See) immer kühl verhalten; sie wissen, daß mit dieser Frage ein Hanptkriegsmittel auf dem Spiel steht. Durch die Ausdrücke des Abscheus, denen man in unserm sogenannten humanen Zeitalter in der Presse begegnet, lassen sich ihre Strategen nicht sonderlich inkommvdiren. Sie finden, daß, wenn man den privilegirten Mord des Krieges für christlich und zulässig hält, man vor dem verschrienen privilegirten Seeraub nicht Halt zu machen braucht. Sie legen dem fünften Gebot genau so viel Wichtigkeit bei wie dem siebenten, und der Begriff des Schwertes, welches die Vorsehung der Obrigkeit in die Hand drückt, ist großer Aus¬ dehnung fähig. Dazu finden sie es seltsam, daß die Frage meistens auf¬ geworfen wird von denen, die zur See mehr oder minder wehrlos sind. Wer aber in Ermanglung der Kanonen Lehrsätze der Humanität ins Gefecht führt, hat schwerlich auf Beifall, uoch schwerer auf Erfolg zu rechnen. Tötung und Plünderung sind einmal Geschwisterkinder; wer die erstere privilegirt, die letztere als Todsünde hinstellt, wird nur die überzengen, denen gerade diese Über¬ zeugung Nutzen bringt/' Man kann auf Felix Dahns männlichem Standpunkt „Die Waffen hoch!" stehen, also den Dingen ins Gesicht blicken, wie sie wirklich sind, und kann doch Verständnis haben für den weiblichen Wunsch „Die Waffen nieder!", für den die Baronin von Snttner mit allerhand schönen Gründen eingetreten ist. Dagegen wird man sich bei einiger Kenntnis der wirklichen Verhältnisse staunend fragen müssen: wie ist es möglich, daß sich einige Laien in Deutschland ein¬ bilden, gegen die Ansichten der alten Seemächte unsern Gegnern auf friedlichem Wege eine für uus freilich besonders gefährliche Kriegswaffe aus den Händen winden zu können? Mai, mache sich doch nur klar, daß, ganz abgesehen von England, für die Franzosen und Russen das Seebeuterecht lediglich Vorteile gewährt. Sobald diese, unsre wahrscheinlichsten Geguer, ihre besten Dampfer >n Hilfskreuzer verwandelt haben, sind ihre Handelsflotten nur noch von ganz untergeordnetem Werte im Gegensatz zu der große» Summe von National- eigentum, das Deutschland beim Ausbruch eiues Krieges auf allen Meeren schwimmen hat. Frankreich und Rußland haben beide beim Kaperkriege wenig zu verlieren und viel zu gewinne»; wie thöricht wäre es vo» ihnen, wollte»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/377>, abgerufen am 23.06.2024.