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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln

eine Kirche im gotischen Stile erbaut hat. Die Mitglieder stammen meist aus
Hannover und zwar aus der Gegend von Nienburg. Von dieser Muttergemeinde
sind drei Töchtergemeinden zu Kilauka, Kvloa und Kekaha gegründet worden.
Das Deutschtum verteilt sich hauptsächlich auf die beiden Inseln Oahu und
Kanal; doch auch unter den Unglücklichen, auf der Insel der Aussätzigen, auf
Mvlokai, fehlt deutsche Hilfe nicht. Hier wirkt seit 1890 ein ehemaliger
Hamburger Assistenzarzt, Dr. Karl Lutz, den die Regierung für das Studium
der schrecklichen Krankheit gewonnen hat.

Das Mitgeteilte wird beweisen, daß das Deutschtum auf diese" Inseln
erfreulich blüht, und daß wir im Mutterland" allen Anlaß haben, unser Augen-
merk den Vorgängen in Honolulu zuzuwenden. Es ist wohl kaum daran zu
zweifeln, daß auch unsre Regierung bei der Neuregelung der Verhältnisse in
Honolulu ein Wort mitreden wird.

Der Handel des Reichs fällt fast ganz auf die Vereinigten Staaten, und
zwar betrug dieser Teil 1887 91 Prozent; auf England kamen 4,28, auf
Deutschland 1,27 und auf Australien und Neuseeland 1,12 Prozent. 'Das
meiste amerikanische Geld ist in den Zuckerpflanzungen augelegt. Der hawaiische
Zucker geht daher auch fast nur mich Sau Franzisko. Neben dem Zucker ist
Ausfuhrgegenstand die köstliche Frucht der Banane, die in wunderschönen
Hainen planmäßig angebaut wird. Der Wunsch der Amerikaner, ihrem Staate
diese Inselgruppe einzuverleiben, die ihrem Erdteile am nächsten liegt, mit
ihnen die regste Handelsverbindung unterhält und durch einen auf Zollfreiheit
gegründeten Gegeuseitigkeitsvertrag mit ihnen verbunden ist, ist daher sehr
erklärlich, zumal da die Bedeutung der Inseln immer mehr zunimmt. Die
Inseln liegen im Kreuzungspunkte der großen Verkehrsstraßen, die von Amerika
durch die Südseeinseln nach Australien und nach Ostasien führen. Von
Honolulu aus Pflegen auch die Walfischfänger ihre Fahrten in das Berings-
mccr zu nehmen. In kurzer Zeit werden die hawaiischen Inseln auch der
Mittelpunkt sür die großen unterseeischen Kabel werden, die Amerika mit den
Südseeinseln und Australien, mit Japan und China verbinden sollen. Hat
doch schon im Februar 1891 der Senat in Washington den Präsidenten er¬
mächtigt, den Betrag von 50000 Dollars für Tiefenmessungen im Großen
Ozean aufzuwenden. Auch durch deu Bau des Nicaraguakauals, der jetzt
kräftig in Angriff genommen ist, werden die Inseln an Bedeutung gewinnen. Sie
werden dadurch auch Europa um ein beträchtliches näher gerückt werden, sodaß
dann auch der deutsche Handel hier ein Feld der Thätigkeit finden könnte, zumal
da wir seit dem Jahre 1879 die Rechte der meistbegünstigten Nation haben.

Was wird nur aus diesen Inseln werden? Jedenfalls wird Amerika
die acht Eilande nicht ohne weiteres seinem Staatsverbande einverleiben. Erstens
steht dem ein Abkommen entgegen, das früher zwischen den Vereinigten Staaten,
England, Frankreich und Belgien geschlossen wurde, und in dem ausdrücklich


Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln

eine Kirche im gotischen Stile erbaut hat. Die Mitglieder stammen meist aus
Hannover und zwar aus der Gegend von Nienburg. Von dieser Muttergemeinde
sind drei Töchtergemeinden zu Kilauka, Kvloa und Kekaha gegründet worden.
Das Deutschtum verteilt sich hauptsächlich auf die beiden Inseln Oahu und
Kanal; doch auch unter den Unglücklichen, auf der Insel der Aussätzigen, auf
Mvlokai, fehlt deutsche Hilfe nicht. Hier wirkt seit 1890 ein ehemaliger
Hamburger Assistenzarzt, Dr. Karl Lutz, den die Regierung für das Studium
der schrecklichen Krankheit gewonnen hat.

Das Mitgeteilte wird beweisen, daß das Deutschtum auf diese» Inseln
erfreulich blüht, und daß wir im Mutterland» allen Anlaß haben, unser Augen-
merk den Vorgängen in Honolulu zuzuwenden. Es ist wohl kaum daran zu
zweifeln, daß auch unsre Regierung bei der Neuregelung der Verhältnisse in
Honolulu ein Wort mitreden wird.

Der Handel des Reichs fällt fast ganz auf die Vereinigten Staaten, und
zwar betrug dieser Teil 1887 91 Prozent; auf England kamen 4,28, auf
Deutschland 1,27 und auf Australien und Neuseeland 1,12 Prozent. 'Das
meiste amerikanische Geld ist in den Zuckerpflanzungen augelegt. Der hawaiische
Zucker geht daher auch fast nur mich Sau Franzisko. Neben dem Zucker ist
Ausfuhrgegenstand die köstliche Frucht der Banane, die in wunderschönen
Hainen planmäßig angebaut wird. Der Wunsch der Amerikaner, ihrem Staate
diese Inselgruppe einzuverleiben, die ihrem Erdteile am nächsten liegt, mit
ihnen die regste Handelsverbindung unterhält und durch einen auf Zollfreiheit
gegründeten Gegeuseitigkeitsvertrag mit ihnen verbunden ist, ist daher sehr
erklärlich, zumal da die Bedeutung der Inseln immer mehr zunimmt. Die
Inseln liegen im Kreuzungspunkte der großen Verkehrsstraßen, die von Amerika
durch die Südseeinseln nach Australien und nach Ostasien führen. Von
Honolulu aus Pflegen auch die Walfischfänger ihre Fahrten in das Berings-
mccr zu nehmen. In kurzer Zeit werden die hawaiischen Inseln auch der
Mittelpunkt sür die großen unterseeischen Kabel werden, die Amerika mit den
Südseeinseln und Australien, mit Japan und China verbinden sollen. Hat
doch schon im Februar 1891 der Senat in Washington den Präsidenten er¬
mächtigt, den Betrag von 50000 Dollars für Tiefenmessungen im Großen
Ozean aufzuwenden. Auch durch deu Bau des Nicaraguakauals, der jetzt
kräftig in Angriff genommen ist, werden die Inseln an Bedeutung gewinnen. Sie
werden dadurch auch Europa um ein beträchtliches näher gerückt werden, sodaß
dann auch der deutsche Handel hier ein Feld der Thätigkeit finden könnte, zumal
da wir seit dem Jahre 1879 die Rechte der meistbegünstigten Nation haben.

Was wird nur aus diesen Inseln werden? Jedenfalls wird Amerika
die acht Eilande nicht ohne weiteres seinem Staatsverbande einverleiben. Erstens
steht dem ein Abkommen entgegen, das früher zwischen den Vereinigten Staaten,
England, Frankreich und Belgien geschlossen wurde, und in dem ausdrücklich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/368>, abgerufen am 01.09.2024.