Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.'Deder Aommunismus noch Kcipitalisinus einziges Gut haben, zum Mittelstände gerechnet werden müssen. In Gro߬ An Existenzsicherheit, Gediegenheit und Schönheit des Daseins am nächsten 'Deder Aommunismus noch Kcipitalisinus einziges Gut haben, zum Mittelstände gerechnet werden müssen. In Gro߬ An Existenzsicherheit, Gediegenheit und Schönheit des Daseins am nächsten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213825"/> <fw type="header" place="top"> 'Deder Aommunismus noch Kcipitalisinus</fw><lb/> <p xml:id="ID_55" prev="#ID_54"> einziges Gut haben, zum Mittelstände gerechnet werden müssen. In Gro߬<lb/> britannien giebt es nur 1!)34K Betriebe über 300 Acres. Frankreich, das<lb/> nur zwei Millionen Einwohner mehr zählt als Großbritannien, besitzt sogar<lb/> 5672000 landwirtschaftliche Betriebe, darunter 1558000 über 5 Hektar. In<lb/> Osterreich liegen die Verhältnisse ähnlich wie im deutschen Reich, in Italien<lb/> sind zwar die Ackerwirte auch meistens Pächter, aber wenigstens ist ihre Zahl<lb/> sehr groß. In keinem Lande Europas ist also die Bauernschaft so schwach<lb/> wie in England, und diese schwache Bauernschaft ist — gar keine Bauernschaft,<lb/> sondern nur eine Pächterschaft. Freibauern sind zwar noch vorhanden, wie<lb/> viel, wird leider nirgends angegeben, sondern nur immer darüber geklagt, daß<lb/> sie im Aussterben begriffe» seien. Aber die eigentlichen Träger der englischen<lb/> Landwirtschaft sind die Pächter, und diese leiden unter einer furchtbaren Krisis;<lb/> sie vermögen den Pachtzins nicht mehr zu erschwingen, ihre Zahl vermindert sich.</p><lb/> <p xml:id="ID_56"> An Existenzsicherheit, Gediegenheit und Schönheit des Daseins am nächsten<lb/> steht dem Bauer der Handwerker, der sein eignes Haus hat, und der für eine<lb/> feste Kundschaft am Orte arbeitet. Der ist nun in England so gut wie aus¬<lb/> gestorben. Wo noch handwerksmäßig gearbeitet wird, da arbeiten elende Lehr¬<lb/> linge, Gesellen, heruntergekommene Meister, Mädchen und Frauen unter der<lb/> Fuchtel eines Schwitzmeisters. Für den Mittelstand bleiben also, außer den<lb/> mit dem wirtschaftlichen Tode ringenden Pächtern und den Beamten, die<lb/> wirtschaftlich nicht in Betracht kommen: eben jene Schwitzmcister, die kleinern<lb/> Fabrikanten, die kleinern Kaufleute, meist nur noch in Gestalt von Beamten<lb/> großer Konsumvereine, die zahlreichen Angestellten der Großhändler, Rheder,<lb/> Großindustriellen, Banken und Aktiengesellschaften, d. h. also größtenteils Per-<lb/> sonen, deren Existenz mit dem Auslandshandel steht und fällt, endlich die<lb/> Arbeiteraristokratie. England hat also zwar Personen, die ihrem Einkommen<lb/> nach zum Mittelstande gerechnet werden müssen, aber es hat keinen wirklichen<lb/> auf natürlichen Grundlagen ruhenden, festgewurzelten, in gesunden Verhältnissen<lb/> lebenden Mittelstand. Das ist das Ergebnis seiner wirtschaftlichen Entwicklung,<lb/> oder vielmehr jener langen Reihe von Verbrechen, zu denen leidenschaftliche<lb/> Habsucht getrieben, und die bei ihm die natürliche Entwicklung ersetzt haben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
'Deder Aommunismus noch Kcipitalisinus
einziges Gut haben, zum Mittelstände gerechnet werden müssen. In Gro߬
britannien giebt es nur 1!)34K Betriebe über 300 Acres. Frankreich, das
nur zwei Millionen Einwohner mehr zählt als Großbritannien, besitzt sogar
5672000 landwirtschaftliche Betriebe, darunter 1558000 über 5 Hektar. In
Osterreich liegen die Verhältnisse ähnlich wie im deutschen Reich, in Italien
sind zwar die Ackerwirte auch meistens Pächter, aber wenigstens ist ihre Zahl
sehr groß. In keinem Lande Europas ist also die Bauernschaft so schwach
wie in England, und diese schwache Bauernschaft ist — gar keine Bauernschaft,
sondern nur eine Pächterschaft. Freibauern sind zwar noch vorhanden, wie
viel, wird leider nirgends angegeben, sondern nur immer darüber geklagt, daß
sie im Aussterben begriffe» seien. Aber die eigentlichen Träger der englischen
Landwirtschaft sind die Pächter, und diese leiden unter einer furchtbaren Krisis;
sie vermögen den Pachtzins nicht mehr zu erschwingen, ihre Zahl vermindert sich.
An Existenzsicherheit, Gediegenheit und Schönheit des Daseins am nächsten
steht dem Bauer der Handwerker, der sein eignes Haus hat, und der für eine
feste Kundschaft am Orte arbeitet. Der ist nun in England so gut wie aus¬
gestorben. Wo noch handwerksmäßig gearbeitet wird, da arbeiten elende Lehr¬
linge, Gesellen, heruntergekommene Meister, Mädchen und Frauen unter der
Fuchtel eines Schwitzmeisters. Für den Mittelstand bleiben also, außer den
mit dem wirtschaftlichen Tode ringenden Pächtern und den Beamten, die
wirtschaftlich nicht in Betracht kommen: eben jene Schwitzmcister, die kleinern
Fabrikanten, die kleinern Kaufleute, meist nur noch in Gestalt von Beamten
großer Konsumvereine, die zahlreichen Angestellten der Großhändler, Rheder,
Großindustriellen, Banken und Aktiengesellschaften, d. h. also größtenteils Per-
sonen, deren Existenz mit dem Auslandshandel steht und fällt, endlich die
Arbeiteraristokratie. England hat also zwar Personen, die ihrem Einkommen
nach zum Mittelstande gerechnet werden müssen, aber es hat keinen wirklichen
auf natürlichen Grundlagen ruhenden, festgewurzelten, in gesunden Verhältnissen
lebenden Mittelstand. Das ist das Ergebnis seiner wirtschaftlichen Entwicklung,
oder vielmehr jener langen Reihe von Verbrechen, zu denen leidenschaftliche
Habsucht getrieben, und die bei ihm die natürliche Entwicklung ersetzt haben.
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