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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Weit weniger huben wir es in der Huld, ob mich unsre Geschicklichkeit
ausreicht, uns dnrch unsre gewerbliche Thätigkeit ans der Stufe des Wohl¬
lebens zu erhalten, auf der wir uns jetzt befinden. Es kommt dabei nicht
blos; auf uns, sondern auch auf den Stand der Dinge in andern Ländern um.
Zunächst kommt es darauf an, daß nicht die Länder, deren Industrie gleich¬
falls hoch entwickelt ist und die deshalb mit unsrer Ausfnhrindustrie wett¬
eifern, uns in der gewerblichen Geschicklichkeit überflügeln. Geschähe das, so
würden sie bald den Markt der Länder, in die wir unsre Ausfuhr richten, an
sich reißen, und wir hätten das leere Nachsehen. Es kommt aber auch weiter
darauf an, daß Länder zur Genüge vorhanden sind, in denen die Industrie
so wenig entwickelt ist, daß sie unsrer Jndnstriecrzeugnisfe bedürfen, und die
zugleich so reiche Naturerzeugnisse haben, daß sie damit unsre Jndustrieerzeug-
nisfe bezahlen können. Länder, die bereit wären, uns unsre Judustrieerzeug-
uisfe abzunehmen, giebt es wohl genug. Das kau" uns aber nichts helfen,
wenn sie nicht zugleich reiche Naturerzeugnisse haben, die sie uns dafür liefern
können. Aus diesem Grunde haben z. V. unsre Kolonien vorläufig für uns
noch keine" großen Wert. Andrerseits kommt in Betracht, daß die Länder,
die reiche Naturerzeugnisse, aber eine minder entwickelte Industrie haben, viel¬
fach bemüht sind, ihre Industrie dergestalt in die Höhe zu bringen, daß sie
fremder Jndustrieerzeugnisfe nicht mehr bedürfen. Soweit ihnen dies gelingt,
würden sie natürlich unsre Jndustrieerzeugnisfe von sich weisen. Diese Gefahr
droht uns namentlich von Amerika. Die nvrdnmerikanischen Freistaaten habe"
bereits durch die Mac Kiuleh-Bill einen starken Vorstoß gemacht, um die euro¬
päische Industrie auszuschließen. Gelange es ihnen, dadurch ihre eigne In¬
dustrie vollkommen leistungsfähig zu "lachen und dnn" anch die übrige"
amerikanischen Staaten handelspolitisch an sich zu knüpfen, so würde die
europäische Industrie das schwer empfinden. Auch noch andre Umstände von
mancherlei Art können dahin führen, daß das Ausland unsrer Jndnstrieerzeng-
nisfe in geringeren: Maße als bisher bedarf.

Endlich droht uns auch eine Gefahr vo" unier, a" die wir gewöhn¬
lich gar nicht denken. Das ist die ständige Zunahme unsrer Bevölkerung, die
namentlich dadurch befördert wird, daß es im deutsche" Reiche jedem frei¬
steht, eine Familie zu gründen. Nun ist ja diese Zunahme als ein Zeichen
des Wohlergehns und der Gesundheit unsers Volks an sich sehr erfreulich.
Auch erwächst in jeden" "enen Bewohner unsers Landes ein "euer Arbeiter.
Aber Arbeit allein kann keine Güter schaffen, wenn nicht die Grundlage für
deren Verwertung vorhanden ist. Es giebt also jedenfalls eine Grenze, bei


Erzeugung derselben Gütermenge notwendig wären. Eine Verminderung der lMtererzengnng
würde also erst dann eintreten müssen, wenn die Unternehmer durch die so entstcuidnen und
D. R. etwa erzwnngnen höhern Kosten leistnngsnusnhig würden.

Weit weniger huben wir es in der Huld, ob mich unsre Geschicklichkeit
ausreicht, uns dnrch unsre gewerbliche Thätigkeit ans der Stufe des Wohl¬
lebens zu erhalten, auf der wir uns jetzt befinden. Es kommt dabei nicht
blos; auf uns, sondern auch auf den Stand der Dinge in andern Ländern um.
Zunächst kommt es darauf an, daß nicht die Länder, deren Industrie gleich¬
falls hoch entwickelt ist und die deshalb mit unsrer Ausfnhrindustrie wett¬
eifern, uns in der gewerblichen Geschicklichkeit überflügeln. Geschähe das, so
würden sie bald den Markt der Länder, in die wir unsre Ausfuhr richten, an
sich reißen, und wir hätten das leere Nachsehen. Es kommt aber auch weiter
darauf an, daß Länder zur Genüge vorhanden sind, in denen die Industrie
so wenig entwickelt ist, daß sie unsrer Jndnstriecrzeugnisfe bedürfen, und die
zugleich so reiche Naturerzeugnisse haben, daß sie damit unsre Jndustrieerzeug-
nisfe bezahlen können. Länder, die bereit wären, uns unsre Judustrieerzeug-
uisfe abzunehmen, giebt es wohl genug. Das kau» uns aber nichts helfen,
wenn sie nicht zugleich reiche Naturerzeugnisse haben, die sie uns dafür liefern
können. Aus diesem Grunde haben z. V. unsre Kolonien vorläufig für uns
noch keine» großen Wert. Andrerseits kommt in Betracht, daß die Länder,
die reiche Naturerzeugnisse, aber eine minder entwickelte Industrie haben, viel¬
fach bemüht sind, ihre Industrie dergestalt in die Höhe zu bringen, daß sie
fremder Jndustrieerzeugnisfe nicht mehr bedürfen. Soweit ihnen dies gelingt,
würden sie natürlich unsre Jndustrieerzeugnisfe von sich weisen. Diese Gefahr
droht uns namentlich von Amerika. Die nvrdnmerikanischen Freistaaten habe»
bereits durch die Mac Kiuleh-Bill einen starken Vorstoß gemacht, um die euro¬
päische Industrie auszuschließen. Gelange es ihnen, dadurch ihre eigne In¬
dustrie vollkommen leistungsfähig zu »lachen und dnn» anch die übrige»
amerikanischen Staaten handelspolitisch an sich zu knüpfen, so würde die
europäische Industrie das schwer empfinden. Auch noch andre Umstände von
mancherlei Art können dahin führen, daß das Ausland unsrer Jndnstrieerzeng-
nisfe in geringeren: Maße als bisher bedarf.

Endlich droht uns auch eine Gefahr vo» unier, a» die wir gewöhn¬
lich gar nicht denken. Das ist die ständige Zunahme unsrer Bevölkerung, die
namentlich dadurch befördert wird, daß es im deutsche» Reiche jedem frei¬
steht, eine Familie zu gründen. Nun ist ja diese Zunahme als ein Zeichen
des Wohlergehns und der Gesundheit unsers Volks an sich sehr erfreulich.
Auch erwächst in jeden» »enen Bewohner unsers Landes ein »euer Arbeiter.
Aber Arbeit allein kann keine Güter schaffen, wenn nicht die Grundlage für
deren Verwertung vorhanden ist. Es giebt also jedenfalls eine Grenze, bei


Erzeugung derselben Gütermenge notwendig wären. Eine Verminderung der lMtererzengnng
würde also erst dann eintreten müssen, wenn die Unternehmer durch die so entstcuidnen und
D. R. etwa erzwnngnen höhern Kosten leistnngsnusnhig würden.
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[0277] Weit weniger huben wir es in der Huld, ob mich unsre Geschicklichkeit ausreicht, uns dnrch unsre gewerbliche Thätigkeit ans der Stufe des Wohl¬ lebens zu erhalten, auf der wir uns jetzt befinden. Es kommt dabei nicht blos; auf uns, sondern auch auf den Stand der Dinge in andern Ländern um. Zunächst kommt es darauf an, daß nicht die Länder, deren Industrie gleich¬ falls hoch entwickelt ist und die deshalb mit unsrer Ausfnhrindustrie wett¬ eifern, uns in der gewerblichen Geschicklichkeit überflügeln. Geschähe das, so würden sie bald den Markt der Länder, in die wir unsre Ausfuhr richten, an sich reißen, und wir hätten das leere Nachsehen. Es kommt aber auch weiter darauf an, daß Länder zur Genüge vorhanden sind, in denen die Industrie so wenig entwickelt ist, daß sie unsrer Jndnstriecrzeugnisfe bedürfen, und die zugleich so reiche Naturerzeugnisse haben, daß sie damit unsre Jndustrieerzeug- nisfe bezahlen können. Länder, die bereit wären, uns unsre Judustrieerzeug- uisfe abzunehmen, giebt es wohl genug. Das kau» uns aber nichts helfen, wenn sie nicht zugleich reiche Naturerzeugnisse haben, die sie uns dafür liefern können. Aus diesem Grunde haben z. V. unsre Kolonien vorläufig für uns noch keine» großen Wert. Andrerseits kommt in Betracht, daß die Länder, die reiche Naturerzeugnisse, aber eine minder entwickelte Industrie haben, viel¬ fach bemüht sind, ihre Industrie dergestalt in die Höhe zu bringen, daß sie fremder Jndustrieerzeugnisfe nicht mehr bedürfen. Soweit ihnen dies gelingt, würden sie natürlich unsre Jndustrieerzeugnisfe von sich weisen. Diese Gefahr droht uns namentlich von Amerika. Die nvrdnmerikanischen Freistaaten habe» bereits durch die Mac Kiuleh-Bill einen starken Vorstoß gemacht, um die euro¬ päische Industrie auszuschließen. Gelange es ihnen, dadurch ihre eigne In¬ dustrie vollkommen leistungsfähig zu »lachen und dnn» anch die übrige» amerikanischen Staaten handelspolitisch an sich zu knüpfen, so würde die europäische Industrie das schwer empfinden. Auch noch andre Umstände von mancherlei Art können dahin führen, daß das Ausland unsrer Jndnstrieerzeng- nisfe in geringeren: Maße als bisher bedarf. Endlich droht uns auch eine Gefahr vo» unier, a» die wir gewöhn¬ lich gar nicht denken. Das ist die ständige Zunahme unsrer Bevölkerung, die namentlich dadurch befördert wird, daß es im deutsche» Reiche jedem frei¬ steht, eine Familie zu gründen. Nun ist ja diese Zunahme als ein Zeichen des Wohlergehns und der Gesundheit unsers Volks an sich sehr erfreulich. Auch erwächst in jeden» »enen Bewohner unsers Landes ein »euer Arbeiter. Aber Arbeit allein kann keine Güter schaffen, wenn nicht die Grundlage für deren Verwertung vorhanden ist. Es giebt also jedenfalls eine Grenze, bei Erzeugung derselben Gütermenge notwendig wären. Eine Verminderung der lMtererzengnng würde also erst dann eintreten müssen, wenn die Unternehmer durch die so entstcuidnen und D. R. etwa erzwnngnen höhern Kosten leistnngsnusnhig würden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/277>, abgerufen am 26.06.2024.