sich einmal der 1879 so tief gedemütigte französische Äcatioualstolz in irgend einem Zeitungsartikel, einer Wahlrede, einem Roman in Schmähreden uns Deutschland Luft macht? Daß diese von den deutschen Zeitungen ihren Lesern gewissenhaft mitgeteilt werden, ist selbstverständlich, aber wie wenige unsrer Tagesblätter halten sich für verpflichtet, auch die zahlreichen friedlichen Pre߬ stimmen zu verzeichnen, die sich in Frankreich trotz Kronstäbe, trotz Patrioten¬ liga u. s. w. immer deutlicher vernehmen lassen? In den ersten Apriltagen des vorigen Jahres wurde die Agitativnsreise des Vorsitzenden der internatio¬ nalen Friedensliga durch die europäischen Hauptstädte von den meisten fran¬ zösischen Blättern sehr günstig besprochen. "Der gute Engel Deutschlands (unsre Kaiserin?) hat Herrn N. in einer mehrstündigen Audienz empfangen und ihm das wärmste Mitgefühl, die lebhafteste Beteiligung an seiner Friedens¬ arbeit zugesichert. Und, Gott sei Dank, ist der Einfluß dieses Schutzgeistes ebenso stark wie segensreich." So schrieb eine französische Zeitung, die wegen ihrer royalistischen Färbung als Preßstützc des russisch-französischen Bündnisses gilt. Daß unter dem guten Engel unsre Kaiserin gemeint war, glaube ich deshalb, weil sie, wie ihre Tante, die Prinzessin Amalie von Schleswig-Hol¬ stein, und ihre Schwester, die Prinzessin Friedrich Leopold, seit der Zeit ihres längern Aufenthaltes in Frankreich dort besonders beliebt sind. Ich habe mich in dem Winter 1878/79 gefreut, zu sehen, welche aufrichtige und allseitige Verehrung diesen drei deutschen Prinzessinnen in Pan zu teil wurde. Die Prinzessin Amalie hat ja Pan zu ihrem ständigen Winteraufenthalte gewählt, und auch die Prinzessin Fevdora, die jüngste Schwester unsrer Kaiserin, hat dort mehrere Winter verlebt.
Es fällt mir nicht ein, zu bestreiten, daß wir Deutschen als Nation un¬ beliebt siud, daß die Eroberung von Elsaß-Lothringen als eine dem fran¬ zösischen Volke zugefügte Schmach empfunden wird, und daß man auf den heutigen Dreibund nicht besser zu sprechen ist, als auf den von 1813. Aber dürfen wir uns darüber wundern oder gar den Franzosen einen Vorwurf daraus machen? Ein Volk wird nicht ohne Opfer groß, und wenn ein Volk so an Macht gestiegen ist, wie das deutsche, muß es auch große Opfer zu bringen bereit sein; es muß sich Neid und Haß gefallen lassen, vor allein von denen, auf deren Kosten es gewachsen ist. Die erhöhte Achtung, die dem deutscheu Name" jetzt in der Welt gezollt wird, wird eben aufgewogen dnrch die Feindschaft, die aus der Furcht vor Deutschlands wachsender Macht entsteht.
Diese Erfahrung machen wir jetzt auch in Rußland. solange Deutsch¬ land uneinig und daher machtlos war, sah Rußland ruhig den Fortschritten zu, die das Deutschtum in den Ostseeprovinzen, in Bessnrabien, an der Wolga und am Don machte. Deutschlands Erfolge von 1870 änderten diese Stellung vollkommen; überall, wo man deutschen Einfluß witterte, wurde" Gegeuiuaß-
Der Deutschen hast bei unsern Nachbarn
sich einmal der 1879 so tief gedemütigte französische Äcatioualstolz in irgend einem Zeitungsartikel, einer Wahlrede, einem Roman in Schmähreden uns Deutschland Luft macht? Daß diese von den deutschen Zeitungen ihren Lesern gewissenhaft mitgeteilt werden, ist selbstverständlich, aber wie wenige unsrer Tagesblätter halten sich für verpflichtet, auch die zahlreichen friedlichen Pre߬ stimmen zu verzeichnen, die sich in Frankreich trotz Kronstäbe, trotz Patrioten¬ liga u. s. w. immer deutlicher vernehmen lassen? In den ersten Apriltagen des vorigen Jahres wurde die Agitativnsreise des Vorsitzenden der internatio¬ nalen Friedensliga durch die europäischen Hauptstädte von den meisten fran¬ zösischen Blättern sehr günstig besprochen. „Der gute Engel Deutschlands (unsre Kaiserin?) hat Herrn N. in einer mehrstündigen Audienz empfangen und ihm das wärmste Mitgefühl, die lebhafteste Beteiligung an seiner Friedens¬ arbeit zugesichert. Und, Gott sei Dank, ist der Einfluß dieses Schutzgeistes ebenso stark wie segensreich." So schrieb eine französische Zeitung, die wegen ihrer royalistischen Färbung als Preßstützc des russisch-französischen Bündnisses gilt. Daß unter dem guten Engel unsre Kaiserin gemeint war, glaube ich deshalb, weil sie, wie ihre Tante, die Prinzessin Amalie von Schleswig-Hol¬ stein, und ihre Schwester, die Prinzessin Friedrich Leopold, seit der Zeit ihres längern Aufenthaltes in Frankreich dort besonders beliebt sind. Ich habe mich in dem Winter 1878/79 gefreut, zu sehen, welche aufrichtige und allseitige Verehrung diesen drei deutschen Prinzessinnen in Pan zu teil wurde. Die Prinzessin Amalie hat ja Pan zu ihrem ständigen Winteraufenthalte gewählt, und auch die Prinzessin Fevdora, die jüngste Schwester unsrer Kaiserin, hat dort mehrere Winter verlebt.
Es fällt mir nicht ein, zu bestreiten, daß wir Deutschen als Nation un¬ beliebt siud, daß die Eroberung von Elsaß-Lothringen als eine dem fran¬ zösischen Volke zugefügte Schmach empfunden wird, und daß man auf den heutigen Dreibund nicht besser zu sprechen ist, als auf den von 1813. Aber dürfen wir uns darüber wundern oder gar den Franzosen einen Vorwurf daraus machen? Ein Volk wird nicht ohne Opfer groß, und wenn ein Volk so an Macht gestiegen ist, wie das deutsche, muß es auch große Opfer zu bringen bereit sein; es muß sich Neid und Haß gefallen lassen, vor allein von denen, auf deren Kosten es gewachsen ist. Die erhöhte Achtung, die dem deutscheu Name» jetzt in der Welt gezollt wird, wird eben aufgewogen dnrch die Feindschaft, die aus der Furcht vor Deutschlands wachsender Macht entsteht.
Diese Erfahrung machen wir jetzt auch in Rußland. solange Deutsch¬ land uneinig und daher machtlos war, sah Rußland ruhig den Fortschritten zu, die das Deutschtum in den Ostseeprovinzen, in Bessnrabien, an der Wolga und am Don machte. Deutschlands Erfolge von 1870 änderten diese Stellung vollkommen; überall, wo man deutschen Einfluß witterte, wurde» Gegeuiuaß-
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Der Deutschen hast bei unsern Nachbarn
sich einmal der 1879 so tief gedemütigte französische Äcatioualstolz in irgend
einem Zeitungsartikel, einer Wahlrede, einem Roman in Schmähreden uns
Deutschland Luft macht? Daß diese von den deutschen Zeitungen ihren Lesern
gewissenhaft mitgeteilt werden, ist selbstverständlich, aber wie wenige unsrer
Tagesblätter halten sich für verpflichtet, auch die zahlreichen friedlichen Pre߬
stimmen zu verzeichnen, die sich in Frankreich trotz Kronstäbe, trotz Patrioten¬
liga u. s. w. immer deutlicher vernehmen lassen? In den ersten Apriltagen
des vorigen Jahres wurde die Agitativnsreise des Vorsitzenden der internatio¬
nalen Friedensliga durch die europäischen Hauptstädte von den meisten fran¬
zösischen Blättern sehr günstig besprochen. „Der gute Engel Deutschlands
(unsre Kaiserin?) hat Herrn N. in einer mehrstündigen Audienz empfangen
und ihm das wärmste Mitgefühl, die lebhafteste Beteiligung an seiner Friedens¬
arbeit zugesichert. Und, Gott sei Dank, ist der Einfluß dieses Schutzgeistes
ebenso stark wie segensreich." So schrieb eine französische Zeitung, die wegen
ihrer royalistischen Färbung als Preßstützc des russisch-französischen Bündnisses
gilt. Daß unter dem guten Engel unsre Kaiserin gemeint war, glaube ich
deshalb, weil sie, wie ihre Tante, die Prinzessin Amalie von Schleswig-Hol¬
stein, und ihre Schwester, die Prinzessin Friedrich Leopold, seit der Zeit ihres
längern Aufenthaltes in Frankreich dort besonders beliebt sind. Ich habe mich
in dem Winter 1878/79 gefreut, zu sehen, welche aufrichtige und allseitige
Verehrung diesen drei deutschen Prinzessinnen in Pan zu teil wurde. Die
Prinzessin Amalie hat ja Pan zu ihrem ständigen Winteraufenthalte gewählt,
und auch die Prinzessin Fevdora, die jüngste Schwester unsrer Kaiserin, hat
dort mehrere Winter verlebt.
Es fällt mir nicht ein, zu bestreiten, daß wir Deutschen als Nation un¬
beliebt siud, daß die Eroberung von Elsaß-Lothringen als eine dem fran¬
zösischen Volke zugefügte Schmach empfunden wird, und daß man auf den
heutigen Dreibund nicht besser zu sprechen ist, als auf den von 1813. Aber
dürfen wir uns darüber wundern oder gar den Franzosen einen Vorwurf
daraus machen? Ein Volk wird nicht ohne Opfer groß, und wenn ein Volk
so an Macht gestiegen ist, wie das deutsche, muß es auch große Opfer zu
bringen bereit sein; es muß sich Neid und Haß gefallen lassen, vor allein
von denen, auf deren Kosten es gewachsen ist. Die erhöhte Achtung, die dem
deutscheu Name» jetzt in der Welt gezollt wird, wird eben aufgewogen dnrch
die Feindschaft, die aus der Furcht vor Deutschlands wachsender Macht
entsteht.
Diese Erfahrung machen wir jetzt auch in Rußland. solange Deutsch¬
land uneinig und daher machtlos war, sah Rußland ruhig den Fortschritten
zu, die das Deutschtum in den Ostseeprovinzen, in Bessnrabien, an der Wolga
und am Don machte. Deutschlands Erfolge von 1870 änderten diese Stellung
vollkommen; überall, wo man deutschen Einfluß witterte, wurde» Gegeuiuaß-
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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/271>, abgerufen am 25.02.2025.
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