Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Vor der Entscheidung

fügung stelle. Schon jetzt aber freue ich mich auf den Ärger meiner geehrte"
Kollegen von den "Neuesten Nachrichten" und vom "Generalanzeiger" über
diesen neuen Erfolg des "Tageblatts."

Ausgezeichnet! Es lebe der Obmann des Meierdenkmalsausschusses! riefen
lachend die beiden andern.

Und der Herausgeber des Dichters und sein Protektor! entgegnete Wind¬
mantel geschmeichelt.

Die drei wackern Männer schüttelten einander lebhaft die Hunde und
fuhren in dem erhebenden Bewußtsein, soeben etwas Großes sür die deutsche
Litteratur beschlossen zu haben, ihrer teuern Vaterstadt Jxingen entgegen.




Oor der Entscheidung

er Streit um die Militärvorlage nähert sich seiner unter allen
Umständen schicksalsvollen Entscheidung. Die verschiedensten Ge¬
sichtspunkte sind dabei von beiden Seiten geltend gemacht worden,
meist unterschiedslos und ohne daß der Kern der Sache immer
und überall mit der nötigen Schärfe getroffen worden wäre.
Denn zunächst müssen zwei Frage", als rein technische, von den Gründen für
und wider ausgeschieden werden. Ob und in welchem Umfange die zweijäh¬
rige Dienstzeit der Fußtruppen -- denn nur von diesen ist die Rede -- ohne
Schädigung der Tüchtigkeit des Heeres durchgeführt werden kaun, das zu be¬
urteile" ist ausschließlich die Aufgabe der militärischem Fachmänner, und auf
welchen Wegen die Geldmittel dafür aufzubringen sind, darüber haben die
Finanzmänner der Regierung und des Reichstags zu befinden. Es ist i"
ersterer Beziehung nicht entscheidend, wenn die zweijährige Dienstzeit ans eine starke
Opposition auch in militärischen Kreisen trifft, wie es in der That der Fall zu sei"
scheint, denn jede Reform derart wird auf heftigen Widerstand stoße", wie be¬
kanntlich nach 1807 kein geringerer als Uork zu den entschiedenste" Gegnern
Scharnhorsts gehört hat, und es ist ebenso gleichgiltig, daß die Verkürzung
der Dienstzeit ein alter Lieblingswunsch der Liberalen ist, dessen Verwirklichung
sie gern als Kompeiisation gegen die Vermehrung der Heeresnnsgaben durch¬
setzen möchte", denn für die Sicherheit des Vaterlandes giebt es keine Kom¬
pensationen.

Also lasse" wir beide Frage" hier ganz ans dem Spiele. Worauf es
allein ankommt, das ist der Beweis sür die politische Notwendigkeit einer so


Vor der Entscheidung

fügung stelle. Schon jetzt aber freue ich mich auf den Ärger meiner geehrte»
Kollegen von den „Neuesten Nachrichten" und vom „Generalanzeiger" über
diesen neuen Erfolg des „Tageblatts."

Ausgezeichnet! Es lebe der Obmann des Meierdenkmalsausschusses! riefen
lachend die beiden andern.

Und der Herausgeber des Dichters und sein Protektor! entgegnete Wind¬
mantel geschmeichelt.

Die drei wackern Männer schüttelten einander lebhaft die Hunde und
fuhren in dem erhebenden Bewußtsein, soeben etwas Großes sür die deutsche
Litteratur beschlossen zu haben, ihrer teuern Vaterstadt Jxingen entgegen.




Oor der Entscheidung

er Streit um die Militärvorlage nähert sich seiner unter allen
Umständen schicksalsvollen Entscheidung. Die verschiedensten Ge¬
sichtspunkte sind dabei von beiden Seiten geltend gemacht worden,
meist unterschiedslos und ohne daß der Kern der Sache immer
und überall mit der nötigen Schärfe getroffen worden wäre.
Denn zunächst müssen zwei Frage», als rein technische, von den Gründen für
und wider ausgeschieden werden. Ob und in welchem Umfange die zweijäh¬
rige Dienstzeit der Fußtruppen — denn nur von diesen ist die Rede — ohne
Schädigung der Tüchtigkeit des Heeres durchgeführt werden kaun, das zu be¬
urteile» ist ausschließlich die Aufgabe der militärischem Fachmänner, und auf
welchen Wegen die Geldmittel dafür aufzubringen sind, darüber haben die
Finanzmänner der Regierung und des Reichstags zu befinden. Es ist i»
ersterer Beziehung nicht entscheidend, wenn die zweijährige Dienstzeit ans eine starke
Opposition auch in militärischen Kreisen trifft, wie es in der That der Fall zu sei»
scheint, denn jede Reform derart wird auf heftigen Widerstand stoße», wie be¬
kanntlich nach 1807 kein geringerer als Uork zu den entschiedenste» Gegnern
Scharnhorsts gehört hat, und es ist ebenso gleichgiltig, daß die Verkürzung
der Dienstzeit ein alter Lieblingswunsch der Liberalen ist, dessen Verwirklichung
sie gern als Kompeiisation gegen die Vermehrung der Heeresnnsgaben durch¬
setzen möchte», denn für die Sicherheit des Vaterlandes giebt es keine Kom¬
pensationen.

Also lasse» wir beide Frage» hier ganz ans dem Spiele. Worauf es
allein ankommt, das ist der Beweis sür die politische Notwendigkeit einer so


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213990"/>
          <fw type="header" place="top"> Vor der Entscheidung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_628" prev="#ID_627"> fügung stelle. Schon jetzt aber freue ich mich auf den Ärger meiner geehrte»<lb/>
Kollegen von den &#x201E;Neuesten Nachrichten" und vom &#x201E;Generalanzeiger" über<lb/>
diesen neuen Erfolg des &#x201E;Tageblatts."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_629"> Ausgezeichnet! Es lebe der Obmann des Meierdenkmalsausschusses! riefen<lb/>
lachend die beiden andern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_630"> Und der Herausgeber des Dichters und sein Protektor! entgegnete Wind¬<lb/>
mantel geschmeichelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_631"> Die drei wackern Männer schüttelten einander lebhaft die Hunde und<lb/>
fuhren in dem erhebenden Bewußtsein, soeben etwas Großes sür die deutsche<lb/>
Litteratur beschlossen zu haben, ihrer teuern Vaterstadt Jxingen entgegen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Oor der Entscheidung</head><lb/>
          <p xml:id="ID_632"> er Streit um die Militärvorlage nähert sich seiner unter allen<lb/>
Umständen schicksalsvollen Entscheidung. Die verschiedensten Ge¬<lb/>
sichtspunkte sind dabei von beiden Seiten geltend gemacht worden,<lb/>
meist unterschiedslos und ohne daß der Kern der Sache immer<lb/>
und überall mit der nötigen Schärfe getroffen worden wäre.<lb/>
Denn zunächst müssen zwei Frage», als rein technische, von den Gründen für<lb/>
und wider ausgeschieden werden. Ob und in welchem Umfange die zweijäh¬<lb/>
rige Dienstzeit der Fußtruppen &#x2014; denn nur von diesen ist die Rede &#x2014; ohne<lb/>
Schädigung der Tüchtigkeit des Heeres durchgeführt werden kaun, das zu be¬<lb/>
urteile» ist ausschließlich die Aufgabe der militärischem Fachmänner, und auf<lb/>
welchen Wegen die Geldmittel dafür aufzubringen sind, darüber haben die<lb/>
Finanzmänner der Regierung und des Reichstags zu befinden. Es ist i»<lb/>
ersterer Beziehung nicht entscheidend, wenn die zweijährige Dienstzeit ans eine starke<lb/>
Opposition auch in militärischen Kreisen trifft, wie es in der That der Fall zu sei»<lb/>
scheint, denn jede Reform derart wird auf heftigen Widerstand stoße», wie be¬<lb/>
kanntlich nach 1807 kein geringerer als Uork zu den entschiedenste» Gegnern<lb/>
Scharnhorsts gehört hat, und es ist ebenso gleichgiltig, daß die Verkürzung<lb/>
der Dienstzeit ein alter Lieblingswunsch der Liberalen ist, dessen Verwirklichung<lb/>
sie gern als Kompeiisation gegen die Vermehrung der Heeresnnsgaben durch¬<lb/>
setzen möchte», denn für die Sicherheit des Vaterlandes giebt es keine Kom¬<lb/>
pensationen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_633" next="#ID_634"> Also lasse» wir beide Frage» hier ganz ans dem Spiele. Worauf es<lb/>
allein ankommt, das ist der Beweis sür die politische Notwendigkeit einer so</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0198] Vor der Entscheidung fügung stelle. Schon jetzt aber freue ich mich auf den Ärger meiner geehrte» Kollegen von den „Neuesten Nachrichten" und vom „Generalanzeiger" über diesen neuen Erfolg des „Tageblatts." Ausgezeichnet! Es lebe der Obmann des Meierdenkmalsausschusses! riefen lachend die beiden andern. Und der Herausgeber des Dichters und sein Protektor! entgegnete Wind¬ mantel geschmeichelt. Die drei wackern Männer schüttelten einander lebhaft die Hunde und fuhren in dem erhebenden Bewußtsein, soeben etwas Großes sür die deutsche Litteratur beschlossen zu haben, ihrer teuern Vaterstadt Jxingen entgegen. Oor der Entscheidung er Streit um die Militärvorlage nähert sich seiner unter allen Umständen schicksalsvollen Entscheidung. Die verschiedensten Ge¬ sichtspunkte sind dabei von beiden Seiten geltend gemacht worden, meist unterschiedslos und ohne daß der Kern der Sache immer und überall mit der nötigen Schärfe getroffen worden wäre. Denn zunächst müssen zwei Frage», als rein technische, von den Gründen für und wider ausgeschieden werden. Ob und in welchem Umfange die zweijäh¬ rige Dienstzeit der Fußtruppen — denn nur von diesen ist die Rede — ohne Schädigung der Tüchtigkeit des Heeres durchgeführt werden kaun, das zu be¬ urteile» ist ausschließlich die Aufgabe der militärischem Fachmänner, und auf welchen Wegen die Geldmittel dafür aufzubringen sind, darüber haben die Finanzmänner der Regierung und des Reichstags zu befinden. Es ist i» ersterer Beziehung nicht entscheidend, wenn die zweijährige Dienstzeit ans eine starke Opposition auch in militärischen Kreisen trifft, wie es in der That der Fall zu sei» scheint, denn jede Reform derart wird auf heftigen Widerstand stoße», wie be¬ kanntlich nach 1807 kein geringerer als Uork zu den entschiedenste» Gegnern Scharnhorsts gehört hat, und es ist ebenso gleichgiltig, daß die Verkürzung der Dienstzeit ein alter Lieblingswunsch der Liberalen ist, dessen Verwirklichung sie gern als Kompeiisation gegen die Vermehrung der Heeresnnsgaben durch¬ setzen möchte», denn für die Sicherheit des Vaterlandes giebt es keine Kom¬ pensationen. Also lasse» wir beide Frage» hier ganz ans dem Spiele. Worauf es allein ankommt, das ist der Beweis sür die politische Notwendigkeit einer so

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/198
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/198>, abgerufen am 26.06.2024.