wissermaßen als eine Vorschule für den Militarismus hinstellte. Nach Bebel wäre die Bereitwilligkeit, mit der sich gerade seine Parteigenossen, wie der Reichskanzler erwähnt hatte, der vorschriftsmäßigen Disziplin gesttgt Hütten, ein Ausfluß der Disziplin, die ihnen das Leben beibrachte. Nun unterhält allerdings die Sozialdemokratie für die großstädtischen jugendlichen Arbeiter in der Zeit, wo sie die Schule verlassen haben, bis zu ihrem Eintritt in das Militär eine Art "Vorschule," indem sie sie in ihrem Denken und Verhalten disziplinirt; warum uimnit sich auch der Staat der Jugend in ihrer Über¬ gangszeit von der t-oZg, eivili" bis zum Soldatenkleid nicht besser an, warum sorgt er nicht besser für die Organisation der zukünftigen Vaterlandsverteidiger? Wenn diese Arbeiter dann dienstpflichtig geworden sind und in das Heer auf¬ genommen werden, sieht die Sozialdemokratie zu ihrem Ärger ihre Zöglinge ihr entschlüpfen lind den Einflüssen der soldatischen Erziehung unterliegen, die frühern Genossen zeigen, daß sie ganz gute Soldaten sein und des Kaisers Rock in Ehren tragen können. Hernach sucht dann die Sozialdemokratie den Gehorsam, an den sich die Arbeiter während ihrer Dienstzeit gewöhnt haben, für die Zwecke ihrer Parteiorganisation zu benutzen, der Erfolg bleibt auch nicht ans, aber es ist doch an manchem Genossen etwas hängen geblieben, was ihn zu einem unsichern Parteipflichtigen macht, er bekommt leicht Rück- fälle in die militärischen Gewohnheiten und fühlt zuweilen plötzlich nicht als Genosse, sondern wieder als Soldat.
Man muß staunen, wie vortrefflich unsre bisherige militärische Er¬ ziehung ihre Leute zu Schulen verstanden hat. Nach Singer hat die wirt¬ schaftlich bis zur Erschöpfung ausgenutzte Schicht der Gesellschaft, "das Proletariat," das Menschenmaterial für das Heer zu liefern, und ihm gehören etwa 90 Prozent des stehenden Heeres an. Und diese Masse läßt sich, im Sinne der Sozialdemokratie gesprochen, von den "Machthabern" gegen das eigne "Volk" gebrauchen, läßt sich gegen den "innern Feind" kommandiren! Unsre traurigen innern Verhältnisse sind es, die allen Staaten gebieten, un¬ bedingt ein starkes stehendes Heer zu unterhalten, da liegt der Hase im Pfeffer -- meint die Redaktion der Neuen Zeit.
Die Annahme der Militärvvrlage würde nur dann unsre innern Ver- hältnisse bedenklich verschlechtern, wenn sie die Heeresverstärkung und die Verkürzung der Dienstzeit nach den sozialdemokratischen Wünschen übertriebe, wenn sie den Sozialdemokraten soweit entgegenkäme, daß sie den Charakter des stehenden Heeres, das nach Paul de Lagarde das Gesündeste ist, was wir in Deutschland haben, gänzlich veränderte. Das ist aber, wie wir gesehen haben, nicht der Fall. Soweit die Vorlage durch die wirtschaftliche Mehr¬ belastung der Nation eine Verschlechterung herbeiführen sollte, könnte man diese durch eine verstärkte Sicherheit uach außen möglicherweise sür aufgewogen ansehen. Man begnügt sich aber nicht damit, zu fragen, welches die nächsten
Die Sozialdemokratie und die Militärvorlage
wissermaßen als eine Vorschule für den Militarismus hinstellte. Nach Bebel wäre die Bereitwilligkeit, mit der sich gerade seine Parteigenossen, wie der Reichskanzler erwähnt hatte, der vorschriftsmäßigen Disziplin gesttgt Hütten, ein Ausfluß der Disziplin, die ihnen das Leben beibrachte. Nun unterhält allerdings die Sozialdemokratie für die großstädtischen jugendlichen Arbeiter in der Zeit, wo sie die Schule verlassen haben, bis zu ihrem Eintritt in das Militär eine Art „Vorschule," indem sie sie in ihrem Denken und Verhalten disziplinirt; warum uimnit sich auch der Staat der Jugend in ihrer Über¬ gangszeit von der t-oZg, eivili» bis zum Soldatenkleid nicht besser an, warum sorgt er nicht besser für die Organisation der zukünftigen Vaterlandsverteidiger? Wenn diese Arbeiter dann dienstpflichtig geworden sind und in das Heer auf¬ genommen werden, sieht die Sozialdemokratie zu ihrem Ärger ihre Zöglinge ihr entschlüpfen lind den Einflüssen der soldatischen Erziehung unterliegen, die frühern Genossen zeigen, daß sie ganz gute Soldaten sein und des Kaisers Rock in Ehren tragen können. Hernach sucht dann die Sozialdemokratie den Gehorsam, an den sich die Arbeiter während ihrer Dienstzeit gewöhnt haben, für die Zwecke ihrer Parteiorganisation zu benutzen, der Erfolg bleibt auch nicht ans, aber es ist doch an manchem Genossen etwas hängen geblieben, was ihn zu einem unsichern Parteipflichtigen macht, er bekommt leicht Rück- fälle in die militärischen Gewohnheiten und fühlt zuweilen plötzlich nicht als Genosse, sondern wieder als Soldat.
Man muß staunen, wie vortrefflich unsre bisherige militärische Er¬ ziehung ihre Leute zu Schulen verstanden hat. Nach Singer hat die wirt¬ schaftlich bis zur Erschöpfung ausgenutzte Schicht der Gesellschaft, „das Proletariat," das Menschenmaterial für das Heer zu liefern, und ihm gehören etwa 90 Prozent des stehenden Heeres an. Und diese Masse läßt sich, im Sinne der Sozialdemokratie gesprochen, von den „Machthabern" gegen das eigne „Volk" gebrauchen, läßt sich gegen den „innern Feind" kommandiren! Unsre traurigen innern Verhältnisse sind es, die allen Staaten gebieten, un¬ bedingt ein starkes stehendes Heer zu unterhalten, da liegt der Hase im Pfeffer — meint die Redaktion der Neuen Zeit.
Die Annahme der Militärvvrlage würde nur dann unsre innern Ver- hältnisse bedenklich verschlechtern, wenn sie die Heeresverstärkung und die Verkürzung der Dienstzeit nach den sozialdemokratischen Wünschen übertriebe, wenn sie den Sozialdemokraten soweit entgegenkäme, daß sie den Charakter des stehenden Heeres, das nach Paul de Lagarde das Gesündeste ist, was wir in Deutschland haben, gänzlich veränderte. Das ist aber, wie wir gesehen haben, nicht der Fall. Soweit die Vorlage durch die wirtschaftliche Mehr¬ belastung der Nation eine Verschlechterung herbeiführen sollte, könnte man diese durch eine verstärkte Sicherheit uach außen möglicherweise sür aufgewogen ansehen. Man begnügt sich aber nicht damit, zu fragen, welches die nächsten
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Die Sozialdemokratie und die Militärvorlage
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wäre die Bereitwilligkeit, mit der sich gerade seine Parteigenossen, wie der
Reichskanzler erwähnt hatte, der vorschriftsmäßigen Disziplin gesttgt Hütten,
ein Ausfluß der Disziplin, die ihnen das Leben beibrachte. Nun unterhält
allerdings die Sozialdemokratie für die großstädtischen jugendlichen Arbeiter in
der Zeit, wo sie die Schule verlassen haben, bis zu ihrem Eintritt in das
Militär eine Art „Vorschule," indem sie sie in ihrem Denken und Verhalten
disziplinirt; warum uimnit sich auch der Staat der Jugend in ihrer Über¬
gangszeit von der t-oZg, eivili» bis zum Soldatenkleid nicht besser an, warum
sorgt er nicht besser für die Organisation der zukünftigen Vaterlandsverteidiger?
Wenn diese Arbeiter dann dienstpflichtig geworden sind und in das Heer auf¬
genommen werden, sieht die Sozialdemokratie zu ihrem Ärger ihre Zöglinge
ihr entschlüpfen lind den Einflüssen der soldatischen Erziehung unterliegen, die
frühern Genossen zeigen, daß sie ganz gute Soldaten sein und des Kaisers
Rock in Ehren tragen können. Hernach sucht dann die Sozialdemokratie den
Gehorsam, an den sich die Arbeiter während ihrer Dienstzeit gewöhnt haben,
für die Zwecke ihrer Parteiorganisation zu benutzen, der Erfolg bleibt auch
nicht ans, aber es ist doch an manchem Genossen etwas hängen geblieben,
was ihn zu einem unsichern Parteipflichtigen macht, er bekommt leicht Rück-
fälle in die militärischen Gewohnheiten und fühlt zuweilen plötzlich nicht als
Genosse, sondern wieder als Soldat.
Man muß staunen, wie vortrefflich unsre bisherige militärische Er¬
ziehung ihre Leute zu Schulen verstanden hat. Nach Singer hat die wirt¬
schaftlich bis zur Erschöpfung ausgenutzte Schicht der Gesellschaft, „das
Proletariat," das Menschenmaterial für das Heer zu liefern, und ihm gehören
etwa 90 Prozent des stehenden Heeres an. Und diese Masse läßt sich, im
Sinne der Sozialdemokratie gesprochen, von den „Machthabern" gegen das
eigne „Volk" gebrauchen, läßt sich gegen den „innern Feind" kommandiren!
Unsre traurigen innern Verhältnisse sind es, die allen Staaten gebieten, un¬
bedingt ein starkes stehendes Heer zu unterhalten, da liegt der Hase im Pfeffer —
meint die Redaktion der Neuen Zeit.
Die Annahme der Militärvvrlage würde nur dann unsre innern Ver-
hältnisse bedenklich verschlechtern, wenn sie die Heeresverstärkung und die
Verkürzung der Dienstzeit nach den sozialdemokratischen Wünschen übertriebe,
wenn sie den Sozialdemokraten soweit entgegenkäme, daß sie den Charakter
des stehenden Heeres, das nach Paul de Lagarde das Gesündeste ist, was wir
in Deutschland haben, gänzlich veränderte. Das ist aber, wie wir gesehen
haben, nicht der Fall. Soweit die Vorlage durch die wirtschaftliche Mehr¬
belastung der Nation eine Verschlechterung herbeiführen sollte, könnte man
diese durch eine verstärkte Sicherheit uach außen möglicherweise sür aufgewogen
ansehen. Man begnügt sich aber nicht damit, zu fragen, welches die nächsten
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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/167>, abgerufen am 24.02.2025.
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