und das er Wohl der letzten gegenüber ebenfalls anzuwenden versuchen wird. Was selbst entschieden antisozialistische Statistiker besonders bedenklich finden, ist das, daß die Zahl der größten Vermögen am stärksten wächst, selbstver¬ ständlich nicht absolut -- absolut sind ja die Zahlen in den obersten Klassen am kleinsten ^, sondern relativ, um den höchsten Prozentsatz. Wolf sagt nun, diese Darstellung der Sachlage beruhe aus falscher Fragstellung. Man müsse nicht fragen: "Welchen Schichten wachsen die > verhältnismäßig^ meisten zu?" sondern: "Aus welchen Schichten steigen die meisten auf?" Und da finde man nun, daß immer aus der untersten Schicht in die nächst höhere die größte Zahl aufsteige, daß sich also die Lage der untersten Klasse am be¬ merkbarsten bessere. Noch deutlicher trete die Besserung der Lage der untern Klassen hervor, wenn man nach dem Anteile des Einkommenzuwachses frage, der auf die verschiednen Klassen falle. Da finde man für Preußen folgendes. In der Zeit von 1876 bis 1888 habe sich das Nationaleinkommen "in 1475 Millionen Mark vermehrt. Davon fielen auf die
dürftigen Einkommen bis 526 Mark 326,0 Millionen ^ 22,1 Prozent
kleinen "5262000 "450,6^ 30,5
mäßigen20016000 "266,913,1 ..
mittlern "600120000 "246,616,7 ,.
großen20001" 100000 "131,4^ 8,8 "
sehr großen "über 100 000 "53,"- 3,7 "
Darauf ist zu erwidern, daß, da der Geldwert beständig sinkt, sich die untersten Einkommen beständig erhöhen müssen, ohne daß diese Erhebung in eine höhere Steuerklasse eine Verbesserung der Lage bedeutete, so wenig wie ein Tagelöhner des neunzehnten Jahrhunderts, der 1 Mark empfängt, zehn- oder fünfmal mehr hat, als einer im dreizehnten, dessen Tagelohn nach heu¬ tigem Gelde zehn oder zwanzig Pfennige betrug. Ferner, daß der größte Teil sowohl des Einkommens wie des Einkommenzuwachses aus die Personen der zweiten Klasse fallen muß, da diese bei der steigenden Unmöglichkeit, mit weniger als fünfhundertundfünfzig Mark auszukommen, notwendigerweise die zahlreichste sein muß.
Aber, wie gesagt, die Statistik, die Wolf zu Grunde legt, ist ja veraltet. Um zu erkennen, was das Ergebnis der neuen Einschätzung lehrt, halten wir uns an eine Berechnung des "sozialpolitischen Zentralblatts." Ohne alle Be¬ rechnung, um dies vorauszuschicken, weiß bereits alle Welt, daß die Deklara¬ tionspflicht die großartigste Bochumerei aufgedeckt hat, und daß die großen Einkommen viel größer sind, als man bisher angenommen oder vorgegeben hatte, während sich das Bild der Vermögenslage der untersten Klassen nicht wesentlich geändert hat. Wir dürfen sogar, ohne weder die Einschätzungsbe¬ hörden noch die Millionäre einer Pflichtverletzung anzuklagen, die Einkünfte der letztern noch weit höher ansehen, als sie in den neuen Stenerrollen er¬ scheinen. Denn während einem Fabrikarbeiter oder Weichensteller sein Ein-
Iveder Kommunismus noch Kapitalismus
und das er Wohl der letzten gegenüber ebenfalls anzuwenden versuchen wird. Was selbst entschieden antisozialistische Statistiker besonders bedenklich finden, ist das, daß die Zahl der größten Vermögen am stärksten wächst, selbstver¬ ständlich nicht absolut — absolut sind ja die Zahlen in den obersten Klassen am kleinsten ^, sondern relativ, um den höchsten Prozentsatz. Wolf sagt nun, diese Darstellung der Sachlage beruhe aus falscher Fragstellung. Man müsse nicht fragen: „Welchen Schichten wachsen die > verhältnismäßig^ meisten zu?" sondern: „Aus welchen Schichten steigen die meisten auf?" Und da finde man nun, daß immer aus der untersten Schicht in die nächst höhere die größte Zahl aufsteige, daß sich also die Lage der untersten Klasse am be¬ merkbarsten bessere. Noch deutlicher trete die Besserung der Lage der untern Klassen hervor, wenn man nach dem Anteile des Einkommenzuwachses frage, der auf die verschiednen Klassen falle. Da finde man für Preußen folgendes. In der Zeit von 1876 bis 1888 habe sich das Nationaleinkommen »in 1475 Millionen Mark vermehrt. Davon fielen auf die
dürftigen Einkommen bis 526 Mark 326,0 Millionen ^ 22,1 Prozent
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sehr großen „über 100 000 „53,«- 3,7 „
Darauf ist zu erwidern, daß, da der Geldwert beständig sinkt, sich die untersten Einkommen beständig erhöhen müssen, ohne daß diese Erhebung in eine höhere Steuerklasse eine Verbesserung der Lage bedeutete, so wenig wie ein Tagelöhner des neunzehnten Jahrhunderts, der 1 Mark empfängt, zehn- oder fünfmal mehr hat, als einer im dreizehnten, dessen Tagelohn nach heu¬ tigem Gelde zehn oder zwanzig Pfennige betrug. Ferner, daß der größte Teil sowohl des Einkommens wie des Einkommenzuwachses aus die Personen der zweiten Klasse fallen muß, da diese bei der steigenden Unmöglichkeit, mit weniger als fünfhundertundfünfzig Mark auszukommen, notwendigerweise die zahlreichste sein muß.
Aber, wie gesagt, die Statistik, die Wolf zu Grunde legt, ist ja veraltet. Um zu erkennen, was das Ergebnis der neuen Einschätzung lehrt, halten wir uns an eine Berechnung des „sozialpolitischen Zentralblatts." Ohne alle Be¬ rechnung, um dies vorauszuschicken, weiß bereits alle Welt, daß die Deklara¬ tionspflicht die großartigste Bochumerei aufgedeckt hat, und daß die großen Einkommen viel größer sind, als man bisher angenommen oder vorgegeben hatte, während sich das Bild der Vermögenslage der untersten Klassen nicht wesentlich geändert hat. Wir dürfen sogar, ohne weder die Einschätzungsbe¬ hörden noch die Millionäre einer Pflichtverletzung anzuklagen, die Einkünfte der letztern noch weit höher ansehen, als sie in den neuen Stenerrollen er¬ scheinen. Denn während einem Fabrikarbeiter oder Weichensteller sein Ein-
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Iveder Kommunismus noch Kapitalismus
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Was selbst entschieden antisozialistische Statistiker besonders bedenklich finden,
ist das, daß die Zahl der größten Vermögen am stärksten wächst, selbstver¬
ständlich nicht absolut — absolut sind ja die Zahlen in den obersten Klassen
am kleinsten ^, sondern relativ, um den höchsten Prozentsatz. Wolf sagt
nun, diese Darstellung der Sachlage beruhe aus falscher Fragstellung. Man
müsse nicht fragen: „Welchen Schichten wachsen die > verhältnismäßig^ meisten
zu?" sondern: „Aus welchen Schichten steigen die meisten auf?" Und da
finde man nun, daß immer aus der untersten Schicht in die nächst höhere
die größte Zahl aufsteige, daß sich also die Lage der untersten Klasse am be¬
merkbarsten bessere. Noch deutlicher trete die Besserung der Lage der untern
Klassen hervor, wenn man nach dem Anteile des Einkommenzuwachses frage,
der auf die verschiednen Klassen falle. Da finde man für Preußen folgendes.
In der Zeit von 1876 bis 1888 habe sich das Nationaleinkommen »in
1475 Millionen Mark vermehrt. Davon fielen auf die
dürftigen Einkommen bis 526 Mark 326,0 Millionen ^ 22,1 Prozent
kleinen „5262000 „450,6^ 30,5
mäßigen20016000 „266,913,1 ..
mittlern „600120000 „246,616,7 ,.
großen20001„ 100000 „131,4^ 8,8 „
sehr großen „über 100 000 „53,«- 3,7 „
Darauf ist zu erwidern, daß, da der Geldwert beständig sinkt, sich die
untersten Einkommen beständig erhöhen müssen, ohne daß diese Erhebung in
eine höhere Steuerklasse eine Verbesserung der Lage bedeutete, so wenig wie
ein Tagelöhner des neunzehnten Jahrhunderts, der 1 Mark empfängt, zehn-
oder fünfmal mehr hat, als einer im dreizehnten, dessen Tagelohn nach heu¬
tigem Gelde zehn oder zwanzig Pfennige betrug. Ferner, daß der größte
Teil sowohl des Einkommens wie des Einkommenzuwachses aus die Personen
der zweiten Klasse fallen muß, da diese bei der steigenden Unmöglichkeit, mit
weniger als fünfhundertundfünfzig Mark auszukommen, notwendigerweise die
zahlreichste sein muß.
Aber, wie gesagt, die Statistik, die Wolf zu Grunde legt, ist ja veraltet.
Um zu erkennen, was das Ergebnis der neuen Einschätzung lehrt, halten wir
uns an eine Berechnung des „sozialpolitischen Zentralblatts." Ohne alle Be¬
rechnung, um dies vorauszuschicken, weiß bereits alle Welt, daß die Deklara¬
tionspflicht die großartigste Bochumerei aufgedeckt hat, und daß die großen
Einkommen viel größer sind, als man bisher angenommen oder vorgegeben
hatte, während sich das Bild der Vermögenslage der untersten Klassen nicht
wesentlich geändert hat. Wir dürfen sogar, ohne weder die Einschätzungsbe¬
hörden noch die Millionäre einer Pflichtverletzung anzuklagen, die Einkünfte
der letztern noch weit höher ansehen, als sie in den neuen Stenerrollen er¬
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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/132>, abgerufen am 24.02.2025.
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