Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Der gegenwärtige Äand der Arbeiterwohnungsfrage anläge des Vereins zur Beschaffung billiger Arbeiterwohnungen in Leipzig. Die Ansprüche, die Nußbaum an die Zahl der für eine Arbeiterwohnung Noch ist eines Übelstandes zu gedenken, der die Folge der hohen Miet¬ So liegen thatsächlich die Verhältnisse. Es ist ohne weiteres klar, daß Die von der Zentralstelle berufne Konferenz hat diese Frage einer ein¬ Der gegenwärtige Äand der Arbeiterwohnungsfrage anläge des Vereins zur Beschaffung billiger Arbeiterwohnungen in Leipzig. Die Ansprüche, die Nußbaum an die Zahl der für eine Arbeiterwohnung Noch ist eines Übelstandes zu gedenken, der die Folge der hohen Miet¬ So liegen thatsächlich die Verhältnisse. Es ist ohne weiteres klar, daß Die von der Zentralstelle berufne Konferenz hat diese Frage einer ein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213918"/> <fw type="header" place="top"> Der gegenwärtige Äand der Arbeiterwohnungsfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_399" prev="#ID_398"> anläge des Vereins zur Beschaffung billiger Arbeiterwohnungen in Leipzig.<lb/> Aber mich bei bedeutend geringerm Flächenciusmaß des Blocks können völlig<lb/> befriedigende Anlagen dieser Art geschaffen werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> Die Ansprüche, die Nußbaum an die Zahl der für eine Arbeiterwohnung<lb/> erforderlichen Räume macht, sind groß, besonders wenn man sie mit den<lb/> thatsächlich vorhandnen Verhältnissen vergleicht. Er hält für notwendig, daß<lb/> ein kleiner Flur (Vorplatz oder abgeschlossener Gang), eine Küche mit Speise¬<lb/> kammer (oder lüftbarem Schrank), ein Wohnzimmer, ein Familienschlafzimmer<lb/> und für etwa vorhcmdne größere Söhne wie Töchter gesonderte Schafzimmer,<lb/> ferner (in Stadthäusern) für jede Wohnung ein Abort, für je vier Wohnungen<lb/> eine gemeinsame Waschküche vorhanden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_401"> Noch ist eines Übelstandes zu gedenken, der die Folge der hohen Miet¬<lb/> preise in Großstädten ist: das Schlafburschenwesen oder besser gesagt Unwesen.<lb/> Daß man dies mit allen Mitteln bekämpfen muß, darüber herrscht Einstimmig¬<lb/> keit. In richtiger Einsicht haben daher die Arbeitgeber den Arbeitern, die bei<lb/> ihnen zur Miete wohnen, die Aufnahme vou Schlafburschen untersagt. Auch<lb/> müssen sich die Arbeiter, denen ihre Brotherren den Erwerb eines eignen<lb/> Hauses ermöglichen, in den meisten Fällen Bedingungen im Kaufvertrage ge¬<lb/> fallen lassen, die das Aftervermieten und Halten von Schlafburschen beschränken.<lb/> Um aber ihre unverheirateten Arbeiter und Arbeiterinnen vor sittlicher Ver¬<lb/> derbnis zu bewahren, tritt an die Arbeitgeber die moralische Verpflichtung<lb/> heran, für deren Unterkunft in eigens erbauten Kost- und Logirhäuseru Sorge<lb/> zu tragen. Dieser Verpflichtung haben denn mich viele Arbeitgeber entsprochen,<lb/> so in besonders großartiger Weise der Bochumer Verein für Bergbau und<lb/> Gußstahlfabrikativn. Aber die meisten und bedauerlicherweise meist in den<lb/> Großstädten sind sich dieser Verpflichtung bisher nicht bewußt gewesen. Des¬<lb/> halb haben an vielen Orten gemeinnützige Baugesellschaften oder wohlthätige<lb/> Vereine den Bau solcher „Heime" in die Hand genommen und sich dadurch<lb/> ein großes Verdienst erworben.</p><lb/> <p xml:id="ID_402"> So liegen thatsächlich die Verhältnisse. Es ist ohne weiteres klar, daß<lb/> trotz dein vielen, was bereits geschehen ist, doch bei weitem das meiste erst<lb/> noch gethan werden muß. Aber ebenso klar ist es auch, daß dazu Mittel er¬<lb/> forderlich sind von außerordentlicher Hohe, selbst wenn auf das Angenehme<lb/> und Wünschenswerte zu Gunsten des Nützlichen und notwendigen verzichtet<lb/> wird. Daß diese Mittel aus den Kreisen der Arbeitnehmer allein aufgebracht<lb/> werden könnten, wie in England und Amerika, ist bei uns von vornherein un¬<lb/> denkbar; ebenso wenig kann man billigerweise die Arbeitgeber über eine gewisse<lb/> Grenze hinaus, die ihnen die Existenzfähigkeit ihrer Etablissements zieht, zum<lb/> Einschreiten für moralisch verpflichtet erachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_403" next="#ID_404"> Die von der Zentralstelle berufne Konferenz hat diese Frage einer ein¬<lb/> gehenden Erörterung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
Der gegenwärtige Äand der Arbeiterwohnungsfrage
anläge des Vereins zur Beschaffung billiger Arbeiterwohnungen in Leipzig.
Aber mich bei bedeutend geringerm Flächenciusmaß des Blocks können völlig
befriedigende Anlagen dieser Art geschaffen werden."
Die Ansprüche, die Nußbaum an die Zahl der für eine Arbeiterwohnung
erforderlichen Räume macht, sind groß, besonders wenn man sie mit den
thatsächlich vorhandnen Verhältnissen vergleicht. Er hält für notwendig, daß
ein kleiner Flur (Vorplatz oder abgeschlossener Gang), eine Küche mit Speise¬
kammer (oder lüftbarem Schrank), ein Wohnzimmer, ein Familienschlafzimmer
und für etwa vorhcmdne größere Söhne wie Töchter gesonderte Schafzimmer,
ferner (in Stadthäusern) für jede Wohnung ein Abort, für je vier Wohnungen
eine gemeinsame Waschküche vorhanden ist.
Noch ist eines Übelstandes zu gedenken, der die Folge der hohen Miet¬
preise in Großstädten ist: das Schlafburschenwesen oder besser gesagt Unwesen.
Daß man dies mit allen Mitteln bekämpfen muß, darüber herrscht Einstimmig¬
keit. In richtiger Einsicht haben daher die Arbeitgeber den Arbeitern, die bei
ihnen zur Miete wohnen, die Aufnahme vou Schlafburschen untersagt. Auch
müssen sich die Arbeiter, denen ihre Brotherren den Erwerb eines eignen
Hauses ermöglichen, in den meisten Fällen Bedingungen im Kaufvertrage ge¬
fallen lassen, die das Aftervermieten und Halten von Schlafburschen beschränken.
Um aber ihre unverheirateten Arbeiter und Arbeiterinnen vor sittlicher Ver¬
derbnis zu bewahren, tritt an die Arbeitgeber die moralische Verpflichtung
heran, für deren Unterkunft in eigens erbauten Kost- und Logirhäuseru Sorge
zu tragen. Dieser Verpflichtung haben denn mich viele Arbeitgeber entsprochen,
so in besonders großartiger Weise der Bochumer Verein für Bergbau und
Gußstahlfabrikativn. Aber die meisten und bedauerlicherweise meist in den
Großstädten sind sich dieser Verpflichtung bisher nicht bewußt gewesen. Des¬
halb haben an vielen Orten gemeinnützige Baugesellschaften oder wohlthätige
Vereine den Bau solcher „Heime" in die Hand genommen und sich dadurch
ein großes Verdienst erworben.
So liegen thatsächlich die Verhältnisse. Es ist ohne weiteres klar, daß
trotz dein vielen, was bereits geschehen ist, doch bei weitem das meiste erst
noch gethan werden muß. Aber ebenso klar ist es auch, daß dazu Mittel er¬
forderlich sind von außerordentlicher Hohe, selbst wenn auf das Angenehme
und Wünschenswerte zu Gunsten des Nützlichen und notwendigen verzichtet
wird. Daß diese Mittel aus den Kreisen der Arbeitnehmer allein aufgebracht
werden könnten, wie in England und Amerika, ist bei uns von vornherein un¬
denkbar; ebenso wenig kann man billigerweise die Arbeitgeber über eine gewisse
Grenze hinaus, die ihnen die Existenzfähigkeit ihrer Etablissements zieht, zum
Einschreiten für moralisch verpflichtet erachten.
Die von der Zentralstelle berufne Konferenz hat diese Frage einer ein¬
gehenden Erörterung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es
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